Umwelt | Gewässerschutz

Gran disastro nel paradiso

Der Fehlbesatz mit Fischen in Hochgebirgsseen führt zum Aussterben von Arten und in natürlichen unbelasteten Ökosystemen ging dadurch Artenvielfalt verloren.
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Invasive Neobiota sind eine der größten Gefahren für die Biodiversität und invasive Fischarten haben sich in den Gewässern Europas etabliert und breiten sich weiter aus. In Österrreich und Deutschland sind fünfzehn Fischarten etabliert, welche 14 bzw. 17% der Süßwasserfische der beiden Staaten ausmachen. Die großen Flüsse Rhein und Donau weisen die höchsten Zahlen an invasiven Fischarten in den beiden Ländern auf und stellen auch Verbreitungswege für invasive Fischarten in andere Bäche dar. In Italien ist z.B. der Wels keine natürlich vorkommende Fischart und invasiv. Im Po, dem größten Fluss Italiens, ist er die vorherrschende Fischart, 27% der Biomasse an Fischen macht er aus. Invasive Neobiota wirken sich negativ auf heimische Fischarten aus, etwa durch Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum, sie verdrängen heimische Arten.

Im Naturschutzgebiet des Flusses Sile (http://www.lifesiliffe.it/) in Venetien, wurden Welse herausgefischt und die invasive Fischart damit bekämpft. 

Flüsse und Bäche Europas, vom Rhein über die Donau bis zu Po, sind stark verändert wurden. Sie wurden eingedeicht, mit Abwässern verschmutzt oder zu Schifffahrsstraßen. Neben diesen Beeinträchtiungen der Flusslebensräume ist die Fischfauna durch Besatz und Fehlbesatz in ihrer Natürlichkeit beeinträchtigt, in die Donau und den Main gelangten nicht heimische Fischarten auch über Ballastwasser der Schiffe (https://biooekonomie.de/nachrichten/invasive-arten-verdraengen-heimische-fische). Positiv auf den Fischbestand wirken sich Gewässer aus, die nicht vom Menschen beeinflusst sind, etwa durch Kläranlagen, Verbauungen oder Unterbrechungen, wurde kürzlich beim Projekt ALFFA festgestellt.

Unbeeinflusst, intakt und natürlich sind die Gewässerlebensräume der Hochgebirgsseen. Mit glasklarem, sauberem Wasser und ungetrübter Sicht bis auf den Gewässergrund glänzen die Wasseroberflächen der Hochgebirgseen. Die Gewässer des Hochgebirges sind nur kurze Zeit im Jahr eisfrei und das Wasser bleibt den Sommer über kalt. Unter diesen unwirklichen Umweltbedinungen des Hochgebirges können nur wenige Arten überleben, dazu zählen Insekten, Krebstiere und andere Wirbellose. Von den Wirbeltieren kommen einzig Amphibien wie Grasfrösche oder Bergmolche in Hochgebirgsseen vor. Doch die natürlichen und sauberen Hochgebirgsseen wurden beeinträchtigt, durch Fischbesatz.

Im Wasser der Hochgebirgsseen schwimmen häufig Fische und auf den Internetseiten von Fish First, dessen Präsident auch Geschäftsführer des Dachverbandes für Natur- und Umweltschutz ist, wird die Fischfauna der Hochgebirgsseen Südtirols derartig beschreiben: „Das typische Fischarteninventar der Hochgebirgsseen setzt sich aus dem Seesaibling und der Elritze zusammen. Daneben werden viele dieser Gewässer mit Bachsaiblingen, Regenbogen- und Bachforellen für die Angelfischerei besetzt. Schließlich runden Mühlkoppe und Schmerle in seltenen Fällen das Artenspektrum im Hochgebirge ab.“

Der Fehlbesatz eines natürlich- fischfreien Gewässers hat weitreichende negative Auswirkungen auf die Biodiversität und das Ökosystem: Arten sterben aus. Der Saibling ernährt sich von Wirbellosen und führt zu dramatischen Veränderungen in der Fauna eines Sees und unter Wasser spielte sich die Katastrophe des Artensterbens ab. Untersuchungen in den Gewässern des Nationalparks Gran Paradiso ergaben, dass die Ankunft des „Super Raubtieres“ (super- predator), das natürliche Ökosystem veränderte, die Artenvielfalt veränderte und viele Arten des Zooplanktons ausstarben. Zu diesem Zooplankton gehörten auch die Daphnia pulicaria Population („Wasserflöhe“), viele aquatische Gliedertiere (Coleoptera, Trichoptera, Hydrochara) und der Grasfrosch. Mit dem LIFE+BIOAQUAE Projekt wurden Saiblinge aus den Hochgebirgsseen wieder entnommen und Fische aus den Seen eliminiert. Mittels Elektroabfischung und mit Netzen wurden Fische gefangen und das ökologische Disaster fand ein Ende (http://www.bioaquae.eu/).

Die Bemühungen zur Wiederherstellung einer natürlichen Lebensgemeinschaft in den Seen und damit die Renaturierung des Ökosystems gelingen durch die Eliminierung negativer Einflüsse wie es invasive oder nicht heimische Fischarten sind. Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit derartiger Maßnahmen ist unbestritten, von der FAO bis zur EU sind derartige Maßnahmen zur Eliminierung vorgesehen. 

Renaturierter Völser Weiher

In Südtirol wurde der Völser Weiher saniert. Die Graskarpfen, invasive Neobiota welche das Ökosystem verändern, wurden aus dem Völser Weiher entfernt. Die Direktorin des Biologischen Labors der Landesagentur für  Umwelt und Klimaschutz, Alberta Stenico erklärte : "Vor einigen Jahren haben Unbekannte den Weiher mit Graskarpfen besetzt. Diese aus Asien stammenden Fische haben den gesamten Wasserpflanzenbestand aufgefressen und verhindern nun das Aufkommen junger Pflanzen." (http://www.provinz.bz.it/news/de/news.asp?news_action=4&news_article_id=631262) Seerosen und andere Wasserpflanzen verschwanden im Völser Weiher, der Weiher wurde zu einem trüben Gewässer, da die Wasserpflanzen nicht mehr die Nährstoffe aufnahmen, sondern Bakterien die verfügbaren Nährstoffe aufnehmen und sich vermehrten. Ein zu viel an derartigen Nährstoffen kann auch zur Bildung von toxischen Blaualgen führen und Gewässer mit hohen Blaualgenkonzentrationen sind nicht als Badegewässer geeignet. Die Blaualgenkonzentration im Völser Weiher nahm zu. Fischer griffen oft zum Besatz von Graskarpfen, um Wasserpflanzen in den Gewässern zu bekämpfen, Wasserpflanzen und Bäume am Ufer stören Fischer beim Angeln- ausgeworfene Angeln verfangen sich in Wasserpflanzen.

Der Völser Weiher wurde ähnlich den Seen im Gran Paradiso von Fischen befreit, die für die Biodiversität eine Bedrohung darstellen. Die Entfernung der Graskarpfen war ein zukunftsweisender Schritt zu mehr Natur im Natura 2000 Gebiet.

Das Bewusstsein für den Schutz von Ökosystemen ist in Umweltschützerkreisen Südtirols nur spärlich ausgeprägt. Der Dachverband für Natur- und Umweltschutz hat etwa am 16.06.2017 in einer Presseaussendung auf tote Bachneunaugen in einem Graben in Naturs aufmerksam gemacht. Beim Ausbaggern des Entwässerungsgrabens kamen viele Bauchneunaugen um. In der Presseaussendung wurde neben den verwaltungsrechtsrechtlichen Aspekt auch auf den strafrechtlichen Aspekt nach Artikel 452 hingewiesen, in dem es um die relevante und messbare Beschädigung oder Verschlechterung eines Ökosystems sowie der biologischen Vielfalt geht. Nun ist jedoch ein Graben ein künstliches Gewässer und nicht mit einem natürlichen Ökosystem zu verwechseln. Zudem ist ein ausgebaggerter Graben nur ein Teil eines großen Grabensystems, das Ausbaggern hatte den Verlust einiger Individuen zur Folge und nicht einer ganzen Art.

Arten in geschlossenen natürlichen Ökosystemen wie Hochgebirgsseen gehen nachweislich durch Besatz mit Fischen verloren, wie z.B. im Nationalpark Gran Paradiso aufgezeigt wurde. Natürliche fischfreie Ökosysteme in Südtiol, kleine Weiher, kleine Bäche oder Hochgebirgsseen sind häufig mit Fischen besetzt und Fehlbesatz hat weitreichende negative Folgen auf das Ökosystem und die Artenvielfalt.

Das Land Südtirol hat mit der Eliminierung von Graskarpfen im Völser Weiher einen guten Schritt in die richtige Richtung gemacht und es bleibt zu hoffen, dass weitere derartige Schritte zur Sanierung und Renaturierung der Südtiroler Seen folgen. Wie groß jedoch der Handlungsbedarf alleine bei Hochgebirgsseen wäre, zeigen die Internetseiten von Fish First: „Insgesamt werden von den Hochgebirgsseen des Landes 53 fischereilich bewirtschaftet. Die Höhenlage dieser Gewässer reicht dabei von 1.828 m (Puntleider See) bis auf 2.709 m (Fineil See) mit einer mittleren Höhenlage von 2.307 m. Diese Gewässer bilden in Summe eine Oberfläche von 139 Hektar mit einer mittleren Seeoberfläche, die etwa drei Hektar erreicht.“

Gesetze und Richtlinien zielen auf den Schutz der Ökosysteme und Biodiversität ab, ob Artikel 452 des Strafgesetzbuches, das Naturschutzgesetz Südtirols oder die internationale Gesetzgebung, welche das Einbringen von nicht-natürlich vorkommenden Arten in einem Gebiet verbietet (Europäische Komission 1993, 2014, 2016). Gesetze sind klar, das Wasser in den Badegewässern Südtirols manchmal trüb und in klaren Hochgebirgsseen schwimmen häufig nordamerikanische Fischarten.