Chronik | Burggrafenamt

Wenn der Zenoberg zittert

Die Baustellen des Küchelbergtunnels und der Kavernengarage haben finanzielle Einbußen für Gastbetriebe zur Folge. Gesetzliche Grenzwerte für den Baulärm gibt es keine.
Küchelberg
Foto: Daniel Mazza
Der Bau des Küchelbergtunnels und der Kavernengarage verlangt den Anrainer:innen von Dorf Tirol und Meran viel ab. Die Bauarbeiten des Tunnels begannen letztes Jahr im September und dauerten bis Mitte Mai dieses Jahres an. Neben den zweimal am Tag erfolgten Sprengungen kamen auch Presslufthammer bis zu 30 Meter unter der Erdoberfläche zum Einsatz – mitunter bis in die frühen Morgenstunden. Die Bauarbeiten für die Kavernengarage, die in den Felsen eingebaut werden und von der Meraner Pfarrkirche bis zur Galileistraße reichen soll, sind für Ende August angesetzt. Die Lüftungsschächte der Garage sind unterhalb des Tappeinerwegs geplant.
Die Kavernengarage ist bestimmt keine Notwendigkeit für die Stadt Meran, und wenn sich die Bauarbeiten zum Wohle der Bevölkerung in die Länge ziehen, wäre allen geholfen - betroffene Bürger:innen
 

Gesetzliche Lage

 
Während für Anlagen Grenzwerte für den Geräuschpegel gelten, schreibt das Landesgesetz vom 5. Dezember 2012, Nummer 20, „Bestimmungen zur Lärmbelastung“ keine akustischen Klassen für bestimmte andere Lärmquellen vor: „Für Baulärm gelten keine Grenzwerte“, bestätigt Amtsdirektor für Luft und Lärm, Georg Pichler. Für die verursachten Vibrationen wurden hingegen im Vorhinein Messungen durchgeführt.
 
 
Laut dem Landesgesetz ist etwa in Siedlungsgebieten, Klasse II laut Landesgesetz, für Anlagen von 6 bis 22 Uhr ein Tagesgrenzwert von 50 Dezibel und ein Nachtgrenzwert von 40 Dezibel erlaubt. 40 Dezibel erreicht beispielsweise leise Musik. Regen oder Kühlschrankgeräusche haben eine Lautstärke von rund 50 Dezibel.
Eine Messung in dem betroffenen Siedlungsgebiet am Zenoberg im Oktober 2021 ergab Messergebnisse mit bis zu 88,8 Dezibel am Vormittag – das entspricht der Lautstärke eines schreienden Babys. Gemessen wurde im Innenraum des Hotels Villa Hochland. Jedoch greifen hier die Lärmgrenzwerte nicht. Die dafür notwendigen Gutachten für Luft und Lärm wurden laut Pichler sowohl für den Küchelbergtunnel als auch für die Kavernengarage durchgeführt.
 
 

Lärmbelastung

 
„Es gibt Anwohner:innen, die wegen des Dauerlärms bereits zum Arzt mussten“, erklärt Leonardo Ribas vom Hotel Villa Hochland gegenüber der Tageszeitung. Durch die Bauarbeiten am Küchelbergtunnel blieben auch die Gäste aus. „Es ist nicht akzeptabel, dass wir nach all den Lockdowns jetzt erneut Einbußen hinnehmen müssen“, sagt Ribas im Hinblick auf die angekündigten Bauarbeiten für die Kavernengarage.
Der vom Land umgesetzte Tunnel durch den Küchelberg soll die Stadt Meran von dem Durchzugsverkehr entlasten und das Passeiertal und Dorf Tirol besser an die Schnellstraße MEBO anbinden. Bei der Kavernengarage mit 600 Autoparkplätzen scheint es hingegen mehr um die Interessen einiger Unternehmen zu gehen. Die Garage wird als PPP-Projekt von der Gemeinde Meran und einer Investorengruppe umgesetzt.
Bei der dafür gegründeten Meran Centrum Parking AG sind die Hauptaktionäre Heini Dorfers Quellenhof GmbH (13,7%), die Globus Confenzioni SPA, die Oberfin SPA und die beiden Athesia-Unternehmen Athesia Buch GmbH und AT - Touristik Gmbh mit jeweils 12,5 Prozent. Auch die Central Parking AG mit renommierten Bozner Kaufleuten ist als Gesellschafter mit 8 Prozent vertreten. Die Central Parking Garage vor dem Bozner Bahnhof hat der Central Parking AG bereits in den letzten 29 Jahren gutes Geld eingebracht.
Wird in der Nacht nicht gearbeitet, dauern die Bauarbeiten doppelt so lange - Dario Dal Medico
Die betroffenen Anrainer:innen der Baustellen in Meran und Dorf Tirol wollen nun in einem Brief den Meraner Bürgermeister Dario Dal Medico auffordern, beim Bau der Kavernengarage mehr Rücksicht auf sie zu nehmen. Da auch einige Gastbetriebe von dem Lärm betroffen sind, verlangen sie, dass die Bauphase außerhalb der Sommersaison nur von November bis Mitte März gestattet wird. Zudem fordern sie die Einhaltung der Nachtruhe und die Verbesserung der Luftqualität während der Bauarbeiten ein.
 

Nachtruhe

 
Bürgermeister Dario Dal Medico will hingegen auf die Nachtschichten beharren, um das Bauprojekt in der vorgegeben Zeit abzuschließen. „Wird in der Nacht nicht gearbeitet, dauern die Bauarbeiten doppelt so lange“, so Dal Medico. Lärmerzeugende Tätigkeiten dürfen bei Baustellen laut dem Landesgesetz nur von 7 bis 19 Uhr durchgeführt werden. Ansonsten ist eine Erlaubnis des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin notwendig. Für den Bau des Küchelbergtunnels in Dorf Tirol wurde diese Erlaubnis von der zuständigen Gemeinde erteilt. Auch die Gemeinde Meran dürfte die Nachtschichten erlauben.
„Die Kavernengarage ist bestimmt keine Notwendigkeit für die Stadt Meran, und wenn sich die Bauarbeiten zum Wohle der Bevölkerung in die Länge ziehen, wäre allen geholfen. 24 Stunden Presslufthammer Lärm ist absolut inakzeptabel und wirkt sich negativ auf die physische und psychische Gesundheit aus“, schreiben die betroffenen Bürger:innen in ihrem Brief.
Man sollte das ganze Projekt hinterfragen - betroffene Bürgerin
Neben der Einforderung der Nachtruhe wäre auch eine Klage vor Gericht eine Möglichkeit, so Amtsdirektor für Luft und Lärm, Georg Pichler. „In der Vergangenheit urteilten Gerichtshöfe bei Lärmbelastung sehr streng. Allerdings liegen mir keine Präzedenzfälle zu Lärmbelastung bei Baustellen vor.“ Bei der Urteilsfindung könnten bereits 3 zusätzliche Dezibel entscheidend sein. „Aber auf einer Baustelle kann nicht gearbeitet werden, wenn solche Vorgaben gelten“, so Pichler.
Eine der betroffenen Bürger:innen betrachtet das gesamte Bauvorhaben auch in Anbetracht des Gastgewerbes kritisch: „Man sollte das ganze Projekt hinterfragen.“ Sie befürchtet, dass durch den Küchelbergtunnel viele Tourist:innen direkt in die Meraner Altstadt geleitet werden. Aus ihrer Sicht vertrage die Stadt aber nicht mehr Gäste. „Dadurch verschlechtert sich die Erlebnis- und Wohnqualität für alle.“
 
 

Lüftung für die Garage

 
Zudem sollen unterhalb des Tappeinerwegs, „dem Wahrzeichen Merans“, Luftschächte für das Parkhaus gebaut werden. Der dafür notwendige Motor verursacht laut dem Lärmschutzgutachten der Firma Systent beim anliegenden Restaurant Saxifraga einen konstanten Geräuschpegel von 39,1 Dezibel, beim Buschenschank Küchelberghütte sogar 42,8 Dezibel. Weil es sich bei den Luftschächten um Anlagen handelt, kommen hier die akustischen Klassen für Lärmschutz zur Geltung. In diesem Fall ist es die Klasse II mit einem Grenzwert von 50 Dezibel bei Tag und 40 Dezibel bei Nacht. „Da es sich um einen Gastbetrieb ohne Nächtigung mit Öffnungszeiten von 10 bis 19 Uhr handelt, kann die geltende Lärmgrenze für die Nacht außer Acht gelassen werden“, schließt der Bericht von Systent.
Wer sich an die Anrainer:innen der Baustellen wenden möchte, kann an folgende Mailadresse schreiben: [email protected]
 
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△rtim post Fr., 03.06.2022 - 19:52

Wenn ich hier z.B. schon lese:„'Da es sich um einen Gastbetrieb ohne Nächtigung mit Öffnungszeiten von 10 bis 19 Uhr handelt, kann die geltende Lärmgrenze für die Nacht außer Acht gelassen werden“, schließt der Bericht von Systent'".
Wieso? Gilt die "Lärmgrenze" bzw. das allgemeine Menschenrecht auf Leben und Gesundheit etwa nur für nächtigende Touristen, aber nicht für Tiroler und Meraner Bürger-innen (einschließlich Kinder und vunerabler Menschen) dort?
Aber so tickt offenbar auch die öffentliche Verwaltung auf der Landes- und Gemeindeebene.
Seit wann hebt übrigens in der Hierarchie der Rechtsordnung eine Genehmigung (eines völlig unverantwortlichen) Bürgermeisters jetzt gar das hochstgeschützte Recht auf Gesundheit oder das Recht auf Nachtruhe auf? Was ist mit dem Zivil- oder dem Strafrecht (Art. 659 StGB; Cass. Pen. 40329/2014)?
Ich wußte nicht mal, dass das Dekret des Landeshauptmannes vom 09. März.1989, Nr. 04, Art. 9, Abs.1b (Verbot von Baulärm dort in der Nähe der Kirche) abgeschafft oder dass die direkt Betroffenen im Vorfeld der Planung oder während der Bauphase transparent je in dieses gigantische Projekt mit Enteignungen im Erbbaurecht konkret miteingebunden wurden. Eingaben an das Land und die Gemeinden von Tirol und Meran blieben vielmehr in Amtsunterlassung ohne jegliches Interesse und Antwort.
Was zählt, sind ganz offenbar einzig die Profiteure. Deren Gewinne stehen oben an. Die Betroffenen dürfen ja bekanntlich "außer Acht gelassen werden". Denn die Entrechteten dort haben nach dieser Logik natürlich selbstverständlich all diese untragbaren Zustände einfach hinzunehmen. Wo kämen wir sonst hin?
Da reicht es bei all diesen Zigmillionen dann nicht mal für eine angemessene Ersatzunterunterkunft bzw. für einen Wohnungstausch mit diesen verantwortlichen Politikern. Sie werden vielmehr (zynisch) abgefertigt und auf teure Gerichtsklagen verwiesen. Ganz im Verständnis unserer so vielgepriesenen bürgernahen Verwaltung.

Fr., 03.06.2022 - 19:52 Permalink
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△rtim post Sa., 04.06.2022 - 03:54

Antwort auf von △rtim post

Man fragt sich, wozu hat es eigentlich dann all die Reden, Bekenntnisse ... in der Politik von Klima- und Umweltschutz ... all die Vorschreibungen zum Schutz der Gesundheit, Umwelt ... oder all die Behörden, von Gemeindenaufsichtsbehörde, Regierungskommissariat, Strafverfolgungsbehörde bis hin zur EU-Behörde (Umweltlärmrichtlinie ...), wenn ein Bürgermeister meint, es reiche den eigenen Erlasses zum Schutz der Gesundheit zum Nachteil des Gemeinwohls einfach aufzuheben. Wohl ganz im Sinne jenes Landesbeamten, der da meint, wir lebten diesbezüglich eh in einem rechtsfreien Raum.

Sa., 04.06.2022 - 03:54 Permalink