Wirtschaft | Umfrage

Was tun mit dem Tourismus?

Wie stehen die Südtiroler zum Tourismus? Die Ergebnisse einer Umfrage deutet man beim HGV als großen Vertrauensbeweis – und zugleich als Ansporn für Verbesserung.
Touristen am Berg
Foto: Südtirolfoto/Othmar Seehauser

“Der Gast fühlt sich bei uns nur dann wohl, wenn sich auch unsere Mitbürger wohlfühlen”, schickt Manfred Pinzger voraus. Dass nicht alle Südtirolerinnen und Südtiroler den Tourismus und dessen Nebenwirkungen als positiv wahrnehmen, weiß der Präsident des Hoteliers- und Gastwirteverbandes HGV. Aber auch, dass es ohne den Rückhalt der Einheimischen nicht geht. Wie sehen die Südtiroler den Tourismus und die Entwicklung des Sektors? Ist die Akzeptanz in der Bevölkerung am Schwinden?
Im Auftrag des HGV hat das österreichische Marktforschungsinstitut GfK eine repräsentative Umfrage unter 500 Südtirolerinnnen und Südtirolern durchgeführt. Abgefragt wurden die Einstellungen zum Tourismus, dessen Chancen und Herausforderungen in den kommenden Jahren. Ergebnisse und Erkenntnisse präsentierte die HGV-Führungsspitze am Montag Vormittag in Bozen.

 

Wie wichtig?

Zunächst wurde die Wichtigkeit des Tourismus für die künftige Entwicklung Südtirols erhoben. 80 Prozent der Befragten sagen “sehr wichtig”, weitere 15 Prozent “eher wichtig”. “Ein überwältigendes Bild”, kommentiert Paul Unterhuber vom GfK, “in ähnlichen Studien, die wir vor allem in Österreich durchgeführt haben, wird der Tourismus selten als so wichtig wahrgenommen”.

Neben dem Tourismus wurde die Relevanz anderer Faktoren abgefragt. Einzig die Schulausbildung im Land (86 Prozent) wird von mehr Menschen als “sehr wichtig” für die Entwicklung Südtirols in Zukunft erachtet als der Tourismus. Darüber hinaus wird auch dem Handel und Handwerk, den Verbindungen mit Bahn und Bus sowie einer guten Internet- und Breitbandverbindung große Wichtigkeit beigemessen. Die Zuwanderung von Fachkräften – einem “heißen Eisen in ganz Europa”, wie Unterhuber anmerkt – sehen die Befragten als weniger wichtigen Erfolgsfaktor für die Zukunft des Landes.

 

Wie gefühlt?

Abgefragt wurde auch, welche Auswirkungen des Tourismus’ die Bevölkerung wahrnimmt. Bei den positiven Aspekten steht das gastronomische Angebot ganz oben, gefolgt von der Wertschöpfung, die durch den Tourismus auch in anderen Bereichen entsteht, ein “offeneres und erfolgreicheres Südtirol” sowie ein größeres Angebot an Freizeitmöglichkeiten und Veranstaltungen. Von den negativen Auswirkungen wird die hohe Verkehrsbelastung am deutlichsten wahrgenommen, dazu kommen die steigenden Lebenshaltungskosten sowie die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch bauliche Entwicklungen.

Wohin soll es gehen?

Bei der Frage nach den Herausforderungen für den heimischen Tourismus stimmen 77 Prozent der Befragten der Stärkung einer generell sanften Entwicklung nach dem Motto “mehr Qualität statt Quantität” zu. Wobei die Zustimmung unter jenen Befragten, die nicht im Tourismussektor arbeiten, mit 79 Prozent deutlich höher ist als unter den im Tourismus Tätigen (69 Prozent).

Für 62 Prozent der Befragten ist die Förderung des gegenseitigen Verständnisses zwischen Einheimischen und Gästen sehr wichtig. 60 Prozent stimmen der Forderung nach attraktiveren Arbeitszeitmodellen für Einheimische im Tourismus zu, für ebenso 60 Prozent ist die bessere Erreichbarkeit Südtirols durch öffentliche Verkehrsmittel wichtig. 54 Prozent erachten eine bessere Kommunikation zwischen Bevölkerung und Gast sowie eine Verbesserung der Verkehrsströme in Südtirol als wichtig. Ein weniger klares Bild ergibt die Frage nach der Einführung von Zugangsbeschränkungen bei stark besuchten Ausflugszielen wie etwa dem Pragser Wildsee oder den Drei Zinnen.

 

Südtiroler Vertrauensbeweis

Schließlich wurde auch eine ganz generelle Frage gestellt: Welchen Einfluss hat das Hotel- und Gastgewerbe insgesamt auf die Wirtschaft in Südtirol? Für 95 Prozent der Befragten überwiegen die Vorteile des Tourismus, für 5 Prozent die Nachteile.

Das große Vertrauen in der Bevölkerung, das Pinzger aus den Umfrageergebnissen liest, sieht HGV-Präsident Pinzge als “Bestätigung unsere Arbeit und Auftrag zugleich”. “Wir nehmen jede kritische Äußerung über den Tourismus ernst und werden uns für weitere Verbesserungen einsetzen. Denn ein hohes Vertrauen bedeutet eine große Verantwortung.”

Zu drei der zentralen Ergebnisse – sanfte Entwicklung, Erreichbarkeit, Kommunikation – nahm die HGV-Spitze am Montag Stellung.

 

Und jetzt?

Die deutliche Forderung aus der Bevölkerung, den Tourismus auf nachhaltige(re) Bahnen zu lenken, will man beim HGV ernst nehmen, verspricht Manfred Pinzger. Auch wenn Verband und Mitgliedsbetriebe bereits zahlreiche konkrete Maßnahmen umgesetzt hätten – etwa im Bereich Klimaneutralität, energieeffizientes Bauen, Kooperationen mit lokalen Lebensmittelproduzenten und Handwerksbetrieben –, gebe es “noch einiges zu machen”, gesteht der HGV-Präsident.
Wichtig sei, auf dem sanften Weg Richtung Zukunft die einheimische Bevölkerung mit ins Boot zu holen.

In diesem Sinne wolle man verstärkt auf Informationsaustausch und den Dialog mit der Bevölkerung setzen, kündigt HGV-Vizepräsident Gottfried Schgaguler an. “Kommunikation ist für das gegenseitige Verständnis zwischen Bevölkerung einerseits und Tourismustreibenden und Gästen andererseits fundamental.” An Reibungspunkten fehle es nicht, ist sich Schgaguler bewusst, “viele Sachen werden dem Tourismus in die Schuhe geschoben – da müssen wir noch etwas tun”.

“Weniger um Schuldzuweisungen als vielmehr darum, gemeinsam neue Ansätze zu finden” geht es für HGV-Vizepräsident Helmut Tauber auch, wenn es um das Thema Verkehr geht bzw. die Frage, wie er vermieden werden kann. “Das bestehende Angebot optimieren und neue Möglichkeiten schaffen”, lautet das Credo im HGV. “Nur ein sehr kleiner Teil der Gäste reist mit dem Zug an”, erinnert Tauber. Der Ausbau der Bahn-Infrastrukturen und -Verbindungen – wie etwa die Italo-Verbindung nach Rom oder die künftige Direktverbindung Bozen-Wien – gingen in die richtige Richtung.

Beim HGV hofft man nun, auf Grundlage der Umfrageergebnisse “eine objektivere Diskussion” in Gang setzen zu können.