Kultur | Junges Theater

"Menschen sind Gefühlstiere"

Mit „Immer lieben. Berlin 1943“ erzählt das Rotierende Theater die Geschichte einer lesbischen Liebesbeziehung. Wo steht Südtirol in puncto Respekt und Toleranz?

„Die zwei Themen "Homosexualität" und "Drittes Reich" erzeugen eine starke Reibung, gerade das, was wir suchen und uns interessiert“, begründet Regisseurin Viktoria Obermarzoner die Themenwahl. Das Rotierende Theater bringt damit ein Stück auf die Bühne, das – anders als viele davor – nicht explizit politisch ist. „Unser Anliegen ist eher die Anspielung auf Anerkennung und auf eine "Politik der Toleranz", die so auch nicht eindeutig auf der Bühne formuliert wird“, unterstreicht Obermarzoner. Es gehe um die Stellung von Geschlechtern, um das Benutzen der Geschlechterrolle zum Überleben, um Machtverhältnisse, um Charakterbilder und das Verstehen von Beweggründen, um Stärken und Schwächen einzelner Figuren und auch um die Frage, wo hin die Liebe zwei Menschen führe. „Menschen“, das stellt die junge Regisseurin klar, „sind Gefühlstiere – egal in welchem Leben, in welchem Zeitalter. Das macht uns alle aus.“ 

Explizites Ziel des Rotierenden Theaters ist es, aktuelle Themen aufzugreifen – wie etwa Homosexualität: „Auch wenn sich Südtirol schon um einiges geöffnet hat, bedarf es noch vieler Erklärungen – auch in puncto Akzeptanz.“ Vieles werde verschwiegen. Wünschenswert, so Obermarzoner, sei eine Ebene, auf der wir uns alle begegnen können. „Wo, wenn nicht in der Liebe ist das möglich?“ 

 

Lesbisch sein in Südtirol

C. ist lesbisch. Sie weiß um Vorurteile und Diskriminierung: „Meiner Meinung nach sind fehlende Rechte die schlimmste aller Diskriminierungen. Rechte, die für den Großteil der italienischen Staatsbürger selbstverständlich sind, müssen von homosexuellen Personen immer neu eingefordert werden.“ Im Bereich der Ehe oder der Mutter- bzw. Vaterschaft etwa werden Homosexuellen ihre Rechte konsequent verweigert, was sie zu „cittadini di serie B“ mache.

Sono convinta che ogni persona omosessuale, e questa è una sfida, possa apportare un piccolo contributo all’educazione della società in cui vive, non mostrando vergogna per il proprio amore e vivendo apertamente la propria vita.

Was Akzeptanz und Respekt angeht, so nimmt C. zwar Diskriminierung und Gewalt etwa am Arbeitsplatz wahr. Diese basierten auf Vorurteilen, die wiederum aus Ängsten resultierten: „Man hat vor dem Angst, was man nicht kennt.“ Das heißt in der Folge: „Je öfter wir homosexuelle Paare sehen – abgesehen von der Theaterbühne –, desto stärker wird unsere Vorstellung beginnen, Vorurteile in Begegnung mit der Realität aufzubrechen.“ 
Es sei begrüßenswert, so C., dass sich Theater mit dem Thema auseinandersetze: Schon im antiken Griechenland habe es eine wesentliche Aufgabe im Bildungsbereich innegehabt, die es auch heute nicht verlieren dürfe: „Die Liebesbeziehung zweier Frauen zu inszenieren zeigt dem Zuschauer eine Liebesgeschichte in ihrer alltäglichen Normalität – und trägt so dazu bei, ein kollektives Bild zu verändern.“ 

Bilder zu ändern, muss das Ziel sein – Engagement, Mut und Offenheit von allen Seiten sind gefordert. C. weiß, was möglich ist: „Sono convinta che ogni persona omosessuale, e questa è una sfida, possa apportare un piccolo contributo all’educazione della società in cui vive, non mostrando vergogna per il proprio amore e vivendo apertamente la propria vita.“

 

Festhalten kann man wohl bereits jetzt – kurz nach der Premiere: Mit „Immer lieben. Berlin 1943“ trifft das Rotierende Theater den Puls der Zeit. Die ersten beiden Aufführungen waren ausgebucht. Informationen zu  Aufführungsorten, -zeiten und zur Reservierung sind über die Homepage des Rotierenden Theaters abrufbar.