Politik | Bozen

Grüner Kniefall

Eine Salto-Meldung löst eine peinliche Kontroverse innerhalb der Südtiroler Grünen aus, die deutlich macht, wie sehr die Bozner Grünen an ihren Sesseln kleben.
In jeder Partei gibt es politische Meinungsverschiedenheiten. So kann es passieren, dass ein Spitzenexponent etwas öffentlich äußert, mit dem andere Würdenträgerinnen derselben Bewegung nicht einverstanden sind. Normalweise klärt man diese politischen Differenzen dann still und leise in den Parteigremien.
Nicht so bei den Südtiroler Grünen. Denn dort hat sich zum Jahreswechsel ein peinlicher, öffentlicher Eiertanz abgespielt, der deutlich macht, wie sehr die Bozner Grünen an ihren Ämtern hängen.
Das geht so weit, dass man sich vom eigenen Parteivorsitzenden distanziert, um einen Bückling vor der Macht zu tun. Es ist aber auch eine Geschichte, die aufzeigt, wie der Bozner Bürgermeister Renzo Caramaschi mit seinen grünen Regierungspartnern Schlitten fährt. Nach Belieben.
Doch der Reihe nach.
 

Die Weihnachts-Räumung

 
Am 23. Dezember 2021  veröffentlicht Salto.bz einen Artikel, der zum Ausgangspunkt einer (Fast)-Regierungskrise in der Landeshauptstadt wird. Unter dem Titel „Lo sgombero di Natale“ beschreibt Giuseppe Musmarra, wie die Bozner Stadtpolizei am selben Morgen die Räumung einiger Obdachloser unter der Langer-Brücke durchführt.
 
 
 
Dass eine solche Aktion ausgerechnet einen Tag vor Weihnachten stattfindet, kann man zumindest geschmacklos finden. „No, non è un pacco di Natale: è lo Sgombero di Natale, copyright mondiale del Comune di Bolzano“, schreibt Musmarra deshalb bewusst polemisch.
Der Artikel erregt große Aufmerksamkeit. Der Großteil der Menschen ist entrüstet über diese Aktion. Auch innerhalb der Gemeinde gehen die Wogen hoch. Viele erfahren von der Weihnachtsräumung erst durch diesen Artikel. Darunter auch die grüne Stadträtin Chiara Rabini, die neben den Bereichen Kultur und Umwelt auch für die Integrationspolitik in der Landeshauptstadt zuständig ist.
 

Law & Order

 
Die schärfste Reaktion auf die Räumungsaktion kommt vom Parteivorsitzenden der Südtiroler Grünen.
Felix von Wohlgemuth, Co-Sprecher der Südtiroler Grünen schreibt noch am selben Tag auf seiner Facebook-Seite einen offenen Brief an Renzo Caramaschi. Es ist ein harter, politischer Angriff auf den Bürgermeister und seinen Politikstil.
Von Wohlgemuth schreibt:
 
Sehr geehrter Herr Caramaschi,
erneut haben Sie eine Zwangsräumung von Obdachlosen veranlasst und dass diese Räumung am Tag vor Weihnachten durchgezogen wurde, setzt dem Ganzen das sprichwörtliche Sahnehäubchen auf.
Sind Sie nicht als mitte-links Bürgermeister bei dieser Wahl angetreten? Haben wir Ihre Kandidatur nicht genau deswegen unterstützt? Weshalb also machen Sie jetzt eine Politik, welche jedem Legapolitiker zur Ehre gereichen würde?
 
 
Sie müssten eigentlich wissen, dass Sie mit dieser Art des Vorgehens die Grundwerte der Verdi Grüne Vërc mit Füßen treten. Es ist eine Missachtung Ihrer Partner und ein Schlag ins Gesicht Ihrer (und unserer!) Stadträtin Chiara Rabini, welche seit Monaten versucht, die wildesten Auswüchse Ihres autoritären Führungsstiles abzuwehren.
Für den Fall, dass Sie es vergessen haben sollten: Eine Koalition ist eine Partnerschaft und kein Anbetungsverein eines gefährlich nahe an der Arroganz der Macht stehenden Bürgermeisters. Man trägt gemeinsam Verantwortung für seine Stadt und genau deswegen sind solche Alleingänge auf das Schärfste zu verurteilen.
Eine Koalition ist eine Partnerschaft und kein Anbetungsverein eines gefährlich nahe an der Arroganz der Macht stehenden Bürgermeisters.
Wenn Ihnen Law & Order wichtiger ist als Ihre Koalition, dann lassen Sie uns das bitte wissen. Der Krug geht nur so lange zum Brunnen, bis er bricht…und die Sprünge sind schon unübersehbar.
Hochachtungsvoll Felix von Wohlgemuth“
 
Harter Tobak.
 

Caramaschis Rücktrittsdrohung

 
Es dauert einige Tage, bis der Facebook-Post zu Renzo Caramaschi vordringt. Am 31. Dezember 2021 übernimmt der „Corriere dell’Alto Adige“ den Post des grünen Co-Sprechers. Die Zeitung spricht von Vorwurf, dass diese Räumungen „eine Politik der Rechten sei“ und einem „Ultimatum der Grünen“. Passend dazu ist, dass ausgerechnet der Chef der Bozner Mitte-Rechts-Opposition, Roberto Zanin, im Artikel Caramaschi zu Hilfe eilt und die Politik des Bürgermeisters vehement verteidigt.
 
 
 
Jetzt aber hat Renzo Caramaschi Blut geleckt. Der Bürgermeister, der für seine radikale, schnörkellose Art bekannt ist, stellt seinerseits ein Ultimatum. Für Montag, den 3. Jänner 2022 wird eine Mehrheitssitzung der Bozner Regierungsparteien einberufen. Caramaschi verlangt bis dahin eine Entschuldigung Wohlgemuths oder eine Distanzierung der Bozner Grünen von den Aussagen ihres Parteisprechers.
Ansonsten würde er als Bozner Bürgermeister zurücktreten. Es ist ein Poker um die Macht in der Landeshauptstadt.
 

Rabinis Distanzierung

 
Über Neujahr laufen innerhalb der Südtiroler Grünen die Drähte heiß. Nach Informationen von Salto.bz versuchen die Bozner Grünen ihren Sprecher Felix von Wohlgemuth zu überzeugen, sich öffentlich bei Renzo Caramaschi zu entschuldigen. Der Eppaner Gemeinderat gibt zwar zu, dass sein Brief vielleicht „etwas zu scharf war“, er aber zu seiner Meinung stehe und diese Stellungnahme in einer politischen Debatte Platz finden müssen.
Damit weichen die Bozner Grünen auf Plan B aus, der noch unrühmlicher ist.
 
 
Sie distanzieren sich - so wie von Renzo Caramaschi - öffentlich gefordert, vom eigenen Sprecher.
Am Montag verschickte Stadträtin Chiara Rabini eine Aussendung. Darin heißt es:
 
Ci dispiace per la forma e per le parole sbagliate, che non condividiamo. Le dichiarazioni di von Wohlgemuth erano basate su informazioni parziali. Abbiamo chiesto una cabina di regia tra sindaco e assessorati competenti al fine di condividere in futuro le scelte su questo delicato tema sul quale i Verdi si impegnano da sempre per soluzioni che mettano al primo posto l'umanità e il rispetto di ogni persona. Oggi  in maggioranza il nostro gruppo consiliare di Bolzano ha sostenuto il lavoro di Renzo Caramaschi nel Consorzio dei Comuni e in Provincia per promuovere un'equa condivisione delle responsabilità tra tutte le comunità comprensoriali in materia di accoglienza dei senzatetto”.
 
Die Stellungnahme Rabinis ist ein Kniefall vor Renzo Caramaschi und mehr als nur schlechter Stil gegenüber dem Sprecher der eigenen Landespartei.
Aber auch ein Beweis, dass die Regierungsbeteiligung und der Stadtratssessel für manche Grüne anscheinend wichtiger sind, als eine kontroverse Diskussion über politische Inhalte.
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alfred frei Di., 04.01.2022 - 12:11

eine Frage sei erlaubt: hat der Parteisprecher aus der Hüfte geschossen oder vorher den Inhalt seiner Mitteilung in den zuständigen Gremien besprochen ?

Di., 04.01.2022 - 12:11 Permalink
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Josef Ruffa Di., 04.01.2022 - 14:27

"una cabina di regia" .... scheinbar gibt es in Italien (von Brenner bis Palermo) nur mehr diese Worte. Selbstständiges Denken, Schreiben und Reden ist nicht mehr in, oder vielleicht hat man es verlernt.

Di., 04.01.2022 - 14:27 Permalink
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Martin Aufderklamm Di., 04.01.2022 - 21:29

Herr Caramaschi hätte können gerne zurücktreten. Es geht nichts weiter in der Stadt Bozen....die Worte von Herrn Wohlgemuth sind zwar harter Tobak, entsprechen aber der Realität.
Und die Rücktrittsdrohung passt ins Schema des Stils des Bürgermeisters.

Di., 04.01.2022 - 21:29 Permalink
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Klemens Riegler So., 09.01.2022 - 16:14

Rauft euch zusammen ihr Hammel und Hammelinnen! Oder könntet ihr beiden Heinis namens Felix und Renzo vielleicht kurz telefonieren?

So., 09.01.2022 - 16:14 Permalink