Wirtschaft | Interview

“Ein Hotel sollte etwas zurückgeben”

Junghotelier Stefan Mahlknecht sensibilisiert in seinem Haus bewusst für einen achtsamen Umgang mit Wasser – und sagt: “Der Gast ist nicht mehr bedingungslos König.”
Stefan Mahlknecht
Foto: stefan mahlknecht

Werden Ressourcen knapper, steigt das Potential für Konflikte. Wasserknappheit und anhaltende Trockenheit machen Südtirol und seinen südlichen Nachbarregionen seit Wochen zu schaffen. Da stoßen randvoll gefüllte Hotelpools, künstliche Wasser- und Wellnessanlagen zusehends auf Unmut bei der lokalen Bevölkerung. Wohl auch deshalb hat der Südtiroler Hotelier- und Gastwirteverband HGV nun eine Sensibilisierungskampagne gestartet. “Mittels eines Aufstellers in den Gästezimmern sollen die Gäste auf einen achtsamen Umgang mit Wasser hingewiesen werden und damit ihren Beitrag zum Wassersparen leisten”, heißt es vom HGV. Einer, der diesen Impuls nicht braucht, ist Stefan Mahlknecht. Der Junghotelier hat bereits vor Wochen in Eigeninitiative einen entschlossenen Schritt gesetzt.

Seit dem Tod des Vaters vor zwei Jahren führt Stefan Mahlknecht zusammen mit seiner Mutter Dorothea und Partnerin Jasmin einen ****S-Betrieb nahe Meran. Der 30-Jährige hat am MCI den Master “Strategische Unternehmensführung mit Fokus auf Familienunternehmen” absolviert – und hält seine Gäste an, umsichtig mit dem kostbaren knappen Nass umzugehen. Urlauber werden unter anderem gebeten, “Wasserhähne nicht länger als nötig laufen zu lassen”, “Duschzeiten zu verkürzen und Bäder wenn möglich zu vermeiden”. Im Betrieb selbst wurden Wassersparsysteme installiert, Waschmaschinen und Spülen werden nur voll eingeschaltet, die Pools über Nacht geschlossen, um die Verdunstung zu minimieren.

salto.bz: Herr Mahlknecht, warum fordern Sie die Gäste in Ihrem Hotel zum Wassersparen auf?

Stefan Mahlknecht: Wir sehen uns als Unternehmen in der Verantwortung, einen Beitrag zu leisten. In Südtirol nimmt der Trend zum Resort-Tourismus stark zu. Für uns ist das nicht der richtige Weg. Ein großes Hotel sollte nicht als Fremdkörper im Ort gesehen werden, sondern sich organisch einfügen – und vor allem etwas zurückgeben. Wenn sich also Südtirol, wie aktuell, mit einer Ausnahmesituation konfrontiert sieht, ist es umso wichtiger, dass alle an einem Strang ziehen. Wir sehen es als unsere Pflicht an, den Wasserverbrauch im Rahmen unserer Möglichkeiten zu minimieren.

Es bringt nichts, sich in die eigene Tasche zu lügen

Laut Schätzungen beträgt der durchschnittliche Trinkwasserverbrauch eines Touristen in Südtirol 450 bis 500 Liter pro Nacht. Wie sieht es in Ihrem Betrieb aus?

Unser Wasserverbrauch ist nach wie vor horrend, das gebe ich offen zu. 2021 haben wir ca. 430 Liter pro Gast und Nächtigung an Trinkwasser verbraucht.

Wäre es angesichts des akuten Wassermangels nicht konsequent, Pools und Wellnessanlagen zu schließen?

Wir sind ein Wellnesshotel, der Gast kommt auch wegen der Pools. Wenn ich sie von heute auf morgen entleere, hätte ich einen geringen Wasserverbrauch, dafür aber nicht mehr viele Gäste im Haus. Veränderung findet nicht von heute auf morgen statt, sondern ist ein fortwährender Prozess. Deshalb ist es auch wichtig, die Punkte zu kommunizieren, wo noch gehörig Verbesserungsbedarf besteht.

 

Urlaub ist eine Zeit, in der man wohl ungern mit den großen Problemen der Zeit konfrontiert werden oder Abstriche machen möchte. Dafür ist der Gast auch bereit, zu zahlen. Befürchten Sie nicht, Urlauber zu verärgern – immerhin werden sie als Teil des Problems dargestellt?

Nein, ganz und gar nicht. Wir finden, ab einem gewissen Punkt muss man ganz klar Prioritäten setzen. Was ist uns wichtiger: Dass wenige Gäste mit den getroffenen Maßnahmen nicht einverstanden sind oder dass man endlich versucht, Lösungswege zu finden und die auch durchzuziehen? Bei uns zahlt der Gast für ein qualitativ hochwertiges, authentisches Produkt. Diese Authentizität definiert sich eben auch durch den rücksichtsvollen Umgang mit Ressourcen.

In Ihrem Hotel wurde erst vor wenigen Jahren der Pool- und Spa-Bereich großzügig erweitert. Wie ist das mit dem Anliegen, sparsam mit Ressourcen umzugehen, vereinbar?

Wir standen damals vor der Frage: Wie schaffen wir einen zukunftsfähigen Betrieb, der langfristig bestehen kann ohne in immer absurdere Investitionszyklen zu geraten? Mit dem neuen Infinity-Pool und der Eventsauna wollten wir ein Alleinstellungsmerkmal und erstmals seit Eröffnung des Hauses 1973 eine Marke schaffen. Beim Umbau wurde darauf geachtet, die Natur bestmöglich zu integrieren und so wenig Boden wie möglich zu versiegeln.

Die veraltete Doktrin, dass der Gast König ist, trägt entscheidend dazu bei, dass die Akzeptanz für den Tourismus bei der einheimischen Bevölkerung schwindet

Ist das nachhaltig genug?

Der Schritt war notwendig, um uns in eine gute Ausgangslage für Veränderung zu bringen. Durch die Einzigartigkeit, die wir mit dem Umbau geschaffen haben, entsteht auch Langlebigkeit – eine in puncto Nachhaltigkeit relevante Tatsache. Klar, das nachhaltigste Hotel ist immer noch das, das es nicht gibt. Will man mit einem bestehenden Betrieb einen wirklich nachhaltigen Weg einschlagen, erfordert das Zeit, Maßnahmen und den Willen vieler Akteure.

Sind weitere Investitionen im Wellnessbereich geplant?

Künftige Investitionen werden wir nicht mehr ins physische Wellnessangebot tätigen. Natürlich könnten wir irgendwann mehr Pools, mehr Saunen oder Whirlpools auf den Balkonen bauen. Wir glauben aber, dass der zukünftige Gast andere Prioritäten haben wird. Wellness wird in Zukunft anders definiert werden, ich denke etwa an Mental Wellness.

 

Wer aktuell bei Ihnen Urlaub macht, wird bei der Anreise über die Wasser-Situation informiert. Wie läuft das ab?

Dem Gast wird beim Check-In mit ganz wenigen Worten die aktuelle Situation erklärt. Alles weitere gibt es auf einer kleinen Karte nachzulesen, die im Zimmer aufliegt. Dort erfährt der Gast die Maßnahmen, die wir als Betrieb ergreifen und wie er, ohne Verlust der Urlaubsqualität, zur Verbesserung der Situation beitragen kann.

Glauben Sie, das bringt etwas?

Mit der richtigen Kommunikation ist es durchaus möglich, Gäste zu sensibilisieren. Es soll nichts vorgeschrieben oder gar verboten werden. Wir kommunizieren zum Beispiel nicht das Wasser-“Sparen” – das Wort kann schnell als negativ empfunden werden –, sondern vielmehr die “Vermeidung von Wasserverschwendung”. Die Wortwahl ist entscheidend.

Durch einen Fingerzeig auf andere Branchen abzulenken mag einfach sein, jedoch keinesfalls zielführend

Wie reagieren die Gäste?

Zugegeben: Anfangs war ich wirklich unsicher, ob die Maßnahmen und Handlungsempfehlungen an unsere Gäste auf Anklang stoßen würden. Eines Morgens habe ich jedoch den Entschluss gefasst, es durchzuziehen. Denn die Arbeit im Betrieb muss mit meinem Lebensstil konform gehen. Ich sehe vieles kritisch und habe keine Lust, mich zu verstellen. Die Resonanz, vor allem auf Social Media, war überwältigend. Auch im Haus zeigen sich die Gäste sehr interessiert, nicht wenige begrüßen die Maßnahmen sogar – fast schon, als hätten sie eine solche Entscheidung von uns erwartet.

Gibt es keine Kritik?

Doch. Manche – bisher aber ausschließlich auf Social Media – sind der Auffassung, durch unsere Maßnahmen würde ihnen etwas genommen, wofür sie schließlich bezahlen würden. Das ist natürlich nicht der Fall. Am Ende sind das aber auch Gäste, die nicht zum Konzept unseres Betriebes passen und wahrscheinlich ohnehin in unserem Hotel nicht das gefunden hätten, was sie sich in ihrem Urlaub wünschen.

 

Müssen neben den Gästen auch die Südtiroler Touristiker sensibilisiert werden?

Dass es Südtiroler Hoteliers an Sensibilität fehlt, würde ich nicht sagen. Vielmehr trägt die immer noch vorherrschende veraltete Doktrin, dass der Gast König ist, entscheidend dazu bei, dass die Akzeptanz für den Tourismus bei der einheimischen Bevölkerung zusehends schwindet. Einheimische haben immer öfter das Gefühl, dass Touristen bei uns einen Freifahrtschein erhalten und sie selbst zu kurz kommen.

Haben Sie diesen Unmut selbst abgekriegt?

Persönliche Anfeindungen gab es bislang keine. Aber generell geht es in der öffentlichen Debatte schon oft darum, wer jetzt der Hauptverursacher für die Probleme im Land ist: Die Landwirtschaft oder der Tourismus?

Wer ist es?

Unterm Strich sind wir es alle. Der Tourismus muss, genauso wie andere Sektoren, sich endlich eingestehen, dass alles miteinander vernetzt ist. Durch einen Fingerzeig auf andere Branchen abzulenken mag einfach sein, jedoch keinesfalls zielführend. Würde stattdessen jeder bei sich ansetzen, um beispielsweise den eigenen Wasserverbrauch zu verringern, würde bald eine große Menge zusammenkommen – auch mit kleinen Maßnahmen.

Ist der Gast nicht mehr König?

Der Gast ist immer noch König und wird es auch immer sein. Aber nicht bedingungslos.

Unser Wasserverbrauch ist nach wie vor horrend, das gebe ich offen zu

Wie meinen Sie das?

Wenn ein Gast nach Südtirol kommt, kommt er in ein Land, das andere Menschen ihr Zuhause nennen. Er ist zu Gast – und sollte Interesse und ein Bewusstsein für die Kultur, die Natur, die Leute, das Essen mitbringen. Wenn ich im Urlaub bin, interessiert mich auch, was vor Ort nicht gut läuft und worin die Ursachen dafür liegen. Als Gast möchte ich mich wohl fühlen und wissen, dass mein Urlaubsparadies auch in Zukunft erhalten bleibt.

Um Konflikte zu vermeiden, braucht es Einsicht und Ehrlichkeit von allen?

Es bringt nichts, sich in die eigene Tasche zu lügen. Im Tourismus müssen wir uns ganz klar die Frage stellen: Möchten wir in 20, 30 Jahren unseren Gästen weiter einen schönen Sommerurlaub anbieten können? Wenn ja, dann müssen wir jetzt handeln. Gemeinsam. Südtirol gilt als eine der beliebtesten Urlaubsdestinationen in Europa. Wollen wir diese in Zukunft erhalten, sollte jeder einen kleinen Beitrag leisten. Langfristig und auf Destinationsebene gesehen ist nämlich nicht die Größe und Pracht unserer Betriebe ausschlaggebend, sondern wie wir es schaffen werden, mit beschränkten Ressourcen umzugehen und das soziale Gleichgewicht im Land zu erhalten.

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Josef Fulterer Mo., 08.08.2022 - 07:03

Es ist gut wenn sich die Familie Malknecht Gedanken über den Fußabdruck ihres Hotels zur Klima-Krise macht, zusätzlich versucht auch die Gäste zum achtsamen Umgang mit der Natur anzuleiten und auch bei den Investionen in Zukunft bedächtig vorgehen will.
Die krankhafte Unsitte, den Gästen alle paar Jahre mit Teilabrissen und wenig überlegten Umbauten zwischen den Saisonen zu imponieren, kostet sehr viel Geld, das noch nicht abgeschrieben ist.
In vielen Fällen wäre es besser, statt auf den Wirtschaftsberater zu hören, der weitere Investitionen empfielt, um Steuern zu vermeiden und sich damit in das Hamsterrad / den Teufelskreis unüberlegtes oft sinnloses Investieren drängen zu lassen, der Gemeinschaft mit ein paar Steuern zumindest teilweise den Blei-schweren Fußabdruck zu vergüten, den Hotels der Natur und der Gemeinschaft aufzwingen.

Mo., 08.08.2022 - 07:03 Permalink
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Klemens Riegler So., 14.08.2022 - 10:00

Bravo, Herr Mahlknecht! Sehr schön so etwas lesen zu dürfen. Und nebenbei sind sie damit längst nicht mehr der einzige Hotelier. Viele machen sich auf diesen richtigen Weg, nur die Verbände scheinen die richtige Richtung noch nicht zu kennen. Und der Weg müsste wohl zur Autobahn ausgebaut werden. Die Zeit drängt.
Trotzdem KOMPLIMENT!

So., 14.08.2022 - 10:00 Permalink