Wirtschaft | Gais

Eine steinige Angelegenheit

Die Landesregierung hat die Entscheidung über die geplante Schottergrube in Gais verschoben – weil der Widerstand der Menschen vor Ort nicht abgeflaut ist.
Gais
Foto: Grüne Verdi Verc

Die Lage erscheint eindeutig, ist aber verzwickt: Anfang August hat der Umweltbeirat des Landes dem Projekt der BWR GmbH, in Gais eine neue Schottergrube zu errichten, ein positives Gutachten ausgestellt. Am gestrigen Dienstag stand das Vorhaben auf der Tagesordnung der Landesregierung, die für die Genehmigung zuständig ist. Doch der Punkt wurde auf Eis gelegt. Denn in Gais regt sich seit Wochen großer Widerstand gegen das Schotterwerk, das auf einer Wiese entstehen soll, die bisher als Weide und Naherholungszone genutzt wurde. Die Töne in der Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern werden immer schärfer.

 

Die Befürworter

 

Die künftigen Betreiber – im Verwaltungsrat der BWR GmbH war auch der Gaiser Bürgermeister bis zu seiner Wahl tätig, inzwischen ist er nur mehr Teilhaber des Unternehmens – beteuern, einen “nachhaltigen und schonenden Schotterabbau in Gais” betreiben zu wollen, “im Einklang mit der Umgebung”. Die Tatsache, dass die geplante Grube und das Unternehmen, das sie führt, nur 310 Meter voneinander entfernt liegen und dadurch ein sehr kurzer Transportweg gegeben wäre, hatte auch der Umweltbeirat als positiv bewertet.
Das positiv ausgefallene UVP-Gutachten bestätigt auch die Wirtschaft in ihrer Ansicht, dass das Schotterwerk eine gute Sache sei. “In Südtirols Gemeinden besteht immer wieder großer Bedarf an Baustoffmaterial und Beton für Privatbauten, Erweiterungen von Hotels oder öffentliche Bauten. Bisher musste dieses Material immer von außerhalb eingeführt werden. Durch  den direkten Abbau des Schotters würden 12.000 Lkw-Fahrten dieser Art im Jahr wegfallen. Dies bedeutet nicht nur eine Verkehrsverringerung auf der Tauferer Straße und im Gemeindegebiet, sondern auch einen Rückgang des CO2-Ausstoßes, des Staub und Lärms”, meint Michael Hofer, der seit Anfang 2018 als Obmann der Tiefbauunternehmer im lvh tätig ist und selbst ein Tiefbauunternehmen in Prad am Stilfserjoch betreibt.

 

“Einer Umsetzung steht sachlich und fachlich nichts im Wege”, findet Hofer – und meint zugleich: “Ich kann verstehen, dass die Menschen mit einer gewissen Skepsis auf ein so großes Projekt reagieren. Es sollte allerdings nicht nur in die negative Richtung diskutiert, sondern sachliche Inhalte aufgezeigt werden.”

 

Die Gegner

 

“Ich stimme Ihnen zu, dass es eine sachliche Diskussion benötigt, aber diese hätte von Anfang an stattfinden müssen und nicht alles unter Verschluss gehalten werden”, kontert Martin Stolzlechner. Er sitzt für die SVP im Gaiser Gemeinderat und ist in der Initiativgruppe tätig, die sich klar gegen das geplante Schotterwerk ausspricht. Die Kritik richtet sich gegen die mangelnde Information der Bevölkerung über das Projekt im Vorfeld und dagegen, dass die Sorgen der Menschen nicht ernst genommen würden.”Das ‘Fachurteil’ des Umweltbeirates analysiert nur die Auswirkung auf Flora und Fauna, aber die Befürchtungen und Ängste der Anrainer und der Bauern, die die Weide jahrelang gepflegt und von Steinen und Sträuchern befreit haben, werden nicht zur Kenntnis gezogen”, sagt Stolzlechner. “Nur weil ein technisches Gremium mit Auflagen ja sagt, ist das Projekt sozial, nachhaltig und landwirtschaftlich noch lange nicht automatisch in Ordnung!” Stolzlechner, wie übrigens die Pusterer Vertreter der Südtiroler Freiheit auch, fordern, einen neuen Standort für das Schotterwerk zu suchen.

 

Nicht nur Exponenten aus Wirtschaft und Politik gehen mit ihrer Haltung an die Öffentlichkeit. “In Zeiten wo direkte Demokratie in aller Munde ist, dürfen wirtschaftliche Interessen einiger Weniger nicht über die Interessen der Bevölkerung gestellt werden”, schreibt eine Gaiser Bürgerin in einer Stellungnahme an die Medien. Neben der Staub- und Lärmbelästigung, die sehr viele trotz der Beteuerungen der Betreibergesellschaft befürchten, geht es Sarah Zingerle vor allem um den Naturschutz, den sie, wie viele andere, gefährdet sieht. “Wie aus der Stellungnahme des Artenschutzzentrums hervor geht ist das Gebiet bestockte Weide und ‘wichtig zur Erhaltung des traditionellen Landschaftsbildes und der Biodiversität und Rückzugsgebiet für die vielfältige bedrohte Pflanzen- und Tierwelt’. Auch im Landschaftsplan Gais ist die bestockte Weide als geschütztes Landschaftselement vermerkt”, zeigt die zweifache Mutter auf. Hoffnung, dass ein solches Projekt nicht aufgrund der Zustimmung der Landesregierung realisiert wird, mache ihr der Appell von Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Anfang Juni gemeint hatte: “Der Mensch trägt Verantwortung, denn die Welt gehört uns nicht alleine. Wir sind Teil der Natur, die zugleich unsere Lebensgrundlage bildet. Es gilt, die Vielfalt, die wir in Südtirol zum Glück immer noch haben, zu bewahren.”

 

Die Entscheidungsträger

 

Die Landesregierung findet sich nun in einer nicht einfachen Situation wider. Auf der einen Seite das positive Gutachten der eigenen Ämter, auf der anderen Seite zahlreiche Bürger, die sich gegen das geplante Schotterwerk stellen – und die man nicht vor den Kopf stoßen möchte. Es sollen weitere Gespräche zwischen Gemeinde, Fraktion und Anrainern geben und man werde bei der Gemeinde Gais nachfragen, “ob es Elemente gibt, die aus den Unterlagen nicht hervorgehen, für die Entscheidung aber berücksichtigt werden sollten”, erklärte Landeshauptmann Kompatscher am Dienstag. In einem Monat soll das Projekt dann noch einmal auf die Tagesordnung der Landesregierung gesetzt werden.