Politik | Affäre

Brüsseler Dreiecksgeschäft

Eine zehn Jahre alte Spesenaffäre bringt den amtierenden Leiter des Brüsseler Euregio-Büros Richard Seeber und die Tiroler Volkspartei arg in Bedrängnis.
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Foto: Street View
In der Rue de Pascale 45-47 in Brüssel hat Südtirols einzige Auslandsbotschaft ihren Sitz. An dieser Adresse logiert die „Gemeinsame Vertretung der Europaregion Tirol – Südtirol – Trentino bei der EU“. Für Südtirol arbeitet dort die Landesangestellte Vesna Caminades, für Trient Alessandro Ciola und für Tirol Richard Seeber.
Richard Seeber dürfte der Grund sein, dass seit Wochen die Stimmung im gemeinsamem EU-Büro angespannt ist. Denn den Leiter der Tiroler EU-Vertretung und ehemaligen ÖVP-EU-Parlamentarier holt jetzt eine Vergangenheit ein, die alles andere als rühmlich zu sein scheint.
Es geht dabei um eine Anklage wegen Betruges. Richard Seeber soll in seiner Zeit als EU-Parlamentarier die Generaldirektion für Finanzen des Europäischen Parlaments bei Abrechnungen getäuscht haben. Doch damit nicht genug.
Anfang dieser Woche hat der Tiroler Aufdecker Markus Wilhelm in seinem Blog „dietiwa.orgeine neue Spesenaffäre enthüllt, die nicht nur Richard Seeber belastet, sondern einen zweiten prominenten Nordtiroler ÖVP-Funktionär. Martin Malaun seit 2011 Landesgeschäftsführer der Tiroler Volkspartei.
Beide Geschichten zeigen, wie kreativ mancher Politiker bei der Verteilung von Steuergeldern an die eigene Freunde und Verwandten vorgeht.
 

Rumänische Berater

 
Richard Seeber wechselte vom Landesdienst in die hohe Politik und dann wieder zurück in den Landesdienst. Der heute 57jährige Jurist wurde 1995 zum ersten Leiter des damals neu geschaffenen Verbindungsbüros der Europaregion Tirol berufen. Bei den EU-Wahlen 2004 kandidierte Seeber für die ÖVP und wurde ins EU-Parlament gewählt. 2009 schaffte er seine Wiederwahl. 2014 schied der gebürtige Innsbrucker dann aus dem EU-Parlament aus und wechselte wieder zurück an seine frühere Arbeitsstelle in der Rue de Pascale 45-47, wo er bis heute tätig ist.
 
 
Seeber fallen jetzt seine Jahre als EU-Abgeordneter und vor allem sein Umgang mit der Amtsentschädigung auf den Kopf.
Ein EU-Abgeordneter erhält inklusive Spesen 12.000 Euro im Monat zuzüglich 304 Euro pro Anwesenheitstag. Dazu kommen noch bis zu 21.200 Euro monatlich für die Mitarbeiter. Maximal drei Assistenten werden von der EU-Parlamentsverwaltung angestellt und aus diesem Topf bezahlt. Das restliche Geld kann der Abgeordnete über Dienstleistungsverträge mit externe Zuarbeitern oder Beratern abrechnen. Wobei inzwischen dieser Teil prozentuell beschränkt wurde.
Laut der Anklageschrift der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Innsbruck hat Richard Seeber in seiner Zeit als EU-Parlamentarier Scheinverträge mit externen Dienstleistern vorgelegt. Zudem soll er auch Scheinrechnungen zu nie erbrachten Leistungen abgerechnet haben. Die Gelder wurden dann auf das Konto eines jetzt ebenso angeklagten rumänischen Bekannten und Beraters Seebers überwiesen. In der Anklageschrift wird der Gesamtschaden beziffert, der dem EU-Parlament durch diese Machenschaften entstanden sein soll: 409.956,84 Euro.
Alle diese Vorwürfe stimmen nicht“, erklärte Richard Seeber vor fünf Wochen als die Anklageerhebung bekannt wurde. „Ich habe keinerlei Regeln gebrochen, alles wurde seinerzeit vom Parlament genehmigt. Es ist einfach meine Art, ohne große Formalismen zu arbeiten“, rechtfertigte sich der hohe Landesbeamte gegenüber der Tiroler Tageszeitung.
Richard Seeber verweist auch darauf, dass eine bereits vor Jahren anonym eingebrachte Anzeige vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) geprüft und niedergelegt worden sei.
Doch die österreichische Korruptionsstaatsanwaltschaft sieht das anders. Nach einem langen Ermittlungsverfahren hat man jetzt Anklage erhoben. Sowohl die Oberstaatsanwaltschaft wie auch das Justizministerium haben die Anklage genehmigt. Zudem hat das Oberlandesgericht einen Einspruch der Seeber-Anwälte gegen die Anklageerhebung abgewiesen. Im Frühjahr wird vor dem Landesgericht Innsbruck das Hauptverfahren beginnen.
 

Der ÖVP-Geschäftsführer

 
Markus Wilhelm hat jetzt aber eine zweite äußerst schräge Machenschaft Seebers aufgedeckt, die nachhaltige Folgen auch für die Tiroler Volkspartei haben könnte. Denn im Mittelpunkt steht ausgerechnet der amtierende Landesparteisekretär und Geschäftsführer der Tiroler VP Martin Malaun.
Martin Malaun war unter vor der Jahrtausendwende unter ÖVP-Parteiobmann Wendelin Weingartner, „Organisationsreferent“ der Tiroler Volkspartei. Für politische Beobachter war Malaun dabei die „rechte Hand Weingartners“
 
 
Der heute 57jährige Jurist machte sich danach selbstständig und gründete die PR-Agentur „Headquarter“, die über ein Jahrzehntlang vom Land Tirol, den Landesunternehmen und den Wiener Ministerien reichlich mit Aufträgen eingedeckt wurde. Headquarter und Malaun betreuten auch mehrere Wahlkämpfe der Tiroler Volkspartei. Darunter auch die Werbekampagnen zu den EU-Wahlen 2004 und 2009 mit Richard Seeber als Spitzenkandidat.
Markus Wilhelm zeichnet anhand von Dokumenten nach, dass es abseits der Scheinwerfer auch eine andere Art der Zusammenarbeit zwischen Richard Seeber und Martin Malaun gegeben hat.
 
 
Seeber hat als EU-Abgeordneter am 11. Mai 2005 bei der Personalabteilung des EU-Parlaments in Straßburg einen Dienstleistungsvertrag registrieren lassen. Vertragsnehmer ist: „Dr. Martin Malaun“. Der damalige Agentur-Besitzer und heutige ÖVP-Geschäftsführer hat damit als Assistent und Berater für den EU-Abgeordneten gearbeitet. Bezahlt aus dem Fonds des EU-Parlaments. Laut Vertrag erhielt Malaun für seine Dienstleistungen monatlich 10.500 Euro.
Keine schlechte Entlohnung.
 

Der Rückfluss

 
Doch es besteht mehr als nur ein Verdacht, dass Martin Malaun nur Teil eines planmäßig eingefädelten Dreieckgeschäftes gewesen ist.
Vor der Jahrtausendwende kam es in Brüssel und Straßburg durchaus vor, dass EU-Abgeordnete Familienmitglieder als lokale Assistenten angaben und damit ein Teil der Parlamentsgelder in die eigene Familie zurückgeflossen sind. Es gab zumindest einen Südtiroler SVP-EU-Parlamentarier, der diese Art der finanziellen Familienpflege jahrelang recht ungeniert praktiziert hat.
Danach wurden nicht nur die Regeln in Brüssel strenger, auch die politische Ethik und Moral erlaubte eine solche Konstellation nicht mehr. Deshalb wurden die EU-Parlamentarier erfinderisch.
 
 
In Mailand steht derzeit die langjährige EU-Parlamentarierin Lara Comi unter Hausarrest. Die Forza-Italia-Politikerin und ehemalige Vizepräsidentin der PPE-Fraktion wird unter anderem beschuldigt, Scheinverträge mit einem Journalisten und einem Forza-Italia-Funktionär abgeschlossen zu haben, die als angebliche Dienstleister vom EU-Parlament bezahlt wurden. Während in Wirklichkeit ein Teil der Gelder an Comi bzw. ihre Partei zurückgeflossen ist.
Einen ähnlichen Mechanismus scheint sich das Duo Seeber/Malaun ausgedacht zu haben. Denn Martin Malaun nahm in derselben Zeit als er für Richard Seeber als Dienstleister tätig war eine akademische Übersetzerin unter Vertrag, die in Brüssel wohnhaft ist. Ihr Name: Christine Seeber.
Es handelt sich um die Ehefrau des damalige EU-Parlamentariers Richard Seeber. Und an sie floss auch ein Teil der Gelder zurück, die das EU-Parlament an Malaun überwies.
Das zeigt eine Rechnung, die Markus Wilhelm veröffentlicht hat. 
 
 
Demnach zahlte Malaun an Christine Seeber allein im Oktober 2005 für 120 Stunden „Informationsbeschaffung und Internetrecherche“ zu verschiedenen EU-Themen 8.400 Euro. Wilhelm liegen – nach Informationen von salto.bz – noch weitere solcher Abrechnungen vor. So stellt Christine Seeber auch die Reisevorbereitung verschiedener Delegation an Malaun in Rechnung.
Es waren vor allem Delegationen, die nach Brüssel und Straßburg kamen und dort den Tiroler EU-Abgeordneten trafen. Ihren Ehemann Richard Seeber.