Kultur | Stadtmuseum Bozen

Liebe für das Haus

Die Ausstellung „Amonn & Fingerle 1906-1940: Liebe für das Haus / Amore per la casa“ ist seit 23. November 2019 im Stadtmuseum Bozen zu sehen. Eine Einführung.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Liebe Für das Haus | Amonn & Fingerle
Foto: Archiv Bildraum

In Zusammenarbeit mit der Architekturstiftung Südtirol / in collaborazione con la Fondazione Architettura Alto Adige.

 

„Wie tritt man in den Garten ein? Wie sieht ein Weg zum Haustor aus? Wie öffnet man ein Haustor? Welche Form hat ein Vorraum? Wie kommt man vom Vorraum an der Garderobe vorbei ins Wohnzimmer? Wie liegt der Sitzplatz zu Tür und Fenster? Wie viele solcher Fragen gibt es, die beantwortet werden müssen und aus diesen Elementen besteht das Haus. Das ist moderne Architektur.“

Josef Frank, 1931

 

Die Ausstellung, kuratiert und gestaltet vom Architekten Christoph Mayr Fingerle nimmt Bezug auf eine Inschrift am Haus für Emil Amonn in Oberbozen: “Erst war hier ein Ziegelstadel, dann ward es ein Bäckerladl, jetzt wurd draus ein Haus gemacht, das ich dem Bruder in Lieb erdacht.“

Die Bauten von Amonn & Fingerle können auf den ersten Blick für gewöhnlich und unauffällig erscheinen. Keine Flachdächer mit einer Ausnahme, der Zentralgarage in Bozen, keine großen Auskragungen oder langen Fensterbänder, wie wir sie von den Bauten der klassischen Moderne kennen. Das Radikale war nicht ihr Ding. Vielleicht auch deshalb findet man zu ihren Bauten nur wenige Beiträge in der Südtiroler Baugeschichte (ausgenommen Turris Babel 2/1985) und auch von Seiten des Denkmalschutzes blieb das Interesse lange Zeit eher zurückhaltend. Die Ausstellung geht der Frage nach: Wer waren eigentlich Amonn & Fingerle und wo liegen die Qualitäten ihrer Bauten?

 

 

Zwischen Heimatschutzbewegung und „Arts and Crafts“

 

Anfang des 20. Jahrhunderts war Amonn & Fingerle ein angesehenes Architekturbüro, geführt von Marius Amonn, August Fingerle und Hedwig Amonn - Fröhner, das sowohl in Südtirol zahlreiche Bauten realisierte, als auch über die Landesgrenzen hinaus in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Bezugspunkte für Amonn & Fingerle waren einerseits die Münchner Architektur- und Kunstkreise mit Persönlichkeiten wie Theodor Fischer und Carl Hocheder, die Natur- und Heimatschutzbewegung von Ernst Rudorff, die Künstlergruppe „Der Blaue Reiter“ und andererseits die „Arts and Crafts“ Bewegung in England. Hermann Muthesius publizierte 1904 drei Bücher über „Das englische Haus“ mit Projekten von William Morris, Philipp Webb, H.M. Baillie Scott, Charles Rennie Mackintosh u.a. welche die Architekten in ganz Europa beeinflussten. Ein gutes Gefühl für Raum und Proportionen, eine feine Abstimmung auf den Kontext, hervorragende technische Kenntnisse und eine liebevolle Detailarbeit kennzeichnen die Projekte von Amonn & Fingerle. Das bezeugt nicht zuletzt der erstaunlich gute Erhaltungszustand vieler noch bestehender Bauten. Der Ort spielt eine zentrale Rolle in den Projekten von Amonn & Fingerle und der Entwurf dient den Architekten als ein Mittel um den Ort zu lesen und zu erfahren und um ihre Vorstellungen und Gedanken über das Wohnen darzulegen. Um zu erfahren welche Dinge diesen Ort bestimmen müssen wir uns auf die Spurensuche begeben, ähnlich wie bei einem Ermittlungsverfahren: Jede Ecke und jedes Gestaltungselement ist Teil eines größeren Ganzen und trägt bei zur Klärung und Interpretation des genius loci.

 

 

Häuslichkeit in turbulenten Zeiten

 

Die Auftraggeber waren in der Mehrzahl private Unternehmer aus der bürgerlichen Oberschicht in Südtirol. Sie konnten aber auch für eine internationale Klientel Bauten realisieren, wie die Villa für den polnischen Pianisten Ignaz Friedmann, das Haus für den russischen Grafen Alexej Bobrinskij (beide in Seis) und eine Erweiterung des Klammschlössl in Toblach für den Grafen Pietro d’ Acquarone aus Verona, Minister des italienischen Königs. Trotz der erheblichen Distanzen und der reduzierten Fahrt- und Kommunikationsmöglichkeiten im Vergleich zu heute ist es ihnen gelungen zahlreiche Projekte auf hohem Standard zu realisieren. Die professionelle Leistung der Architekten schuf ein ausgeprägtes Vertrauensverhältnis, sowohl zu den Auftraggebern als auch zu den zahlreichen Handwerkern und Firmen, die am Bauprozess beteiligt waren. Die allgemeine Zufriedenheit führte zu Respekt und gegenseitiger Wertschätzung unter allen Beteiligten und trotz schwieriger Rahmenbedingungen zu einer guten Auftragslage.

 

Architektur, Kunst und Alltag

 

Die Einbeziehung lokaler Künstler wie Rudolf Stolz, Ignaz Gabloner, Hugo Atzwanger u.a. gehörte zu einer Art Markenzeichen der Architekten und schuf einen künstlerischen Mehrwert. Die Ausstellung dokumentiert einerseits die Tätigkeit des Architekturbüros und beleuchtet andererseits das Alltagsleben und das operative Umfeld. Für die Ausstellung werden Fotos, Zeichnungen und Möbel ausgewählt sowie Dokumente aus dem Alltag. Durch diese Dokumentation beabsichtigt die Ausstellung einen Eindruck zu vermitteln für die Stimmung der Bauten, für die damaligen Arbeits- und Lebensumstände und sie betrachtet Architektur als Ausgangspunkt für ein „kulturelles Abenteuer“, das auch in die Tiefenräume der Zeit einzudringen versucht.

 

 

Die Architektin Veronika Mayr erforscht anhand der existierenden Briefwechsel die Beziehung und Freundschaft zwischen Hedwig Fröhner und Gabriele Münter in ihrer Zeit mit Wassily Kandinsky und der Künstlergruppe „ Der Blauer Reiter“ in München. Ausgehend von den liebevoll gestalteten Details der Architekten für Geländer und Griffe in zahlreichen Wohnhäusern, stellt der Künstler Manfred Alois Mayr einen Dialog her zu seinen Arbeiten der letzten zehn Jahre wie z.B. für das Vorarlberg Museum in Bregenz (Österreich). Für die Ausstellung konnte das Stadtmuseum in Bozen gewonnen werden, wo Amonn & Fingerle zwischen 1935 und 1938 am Umbau des Museums und an der anschließenden Ausstellungsgestaltung beteiligt waren.

 

Amonn & Fingerle 1906-1940: Liebe für das Haus / Amore per la casa
23.11.2019–16.06.2020
Stadtmuseum Bozen I Museo Civico Bolzano
Sparkassenstraße 14, Bozen
Öffnungszeiten: Dienstag-Sonntag, 10.00–18.00 Uhr

Kurator und Ausstellungsgestaltung: Arch. Christoph Mayr Fingerle, Bozen
Mitarbeit: Arch. Veronika Mayr, Bozen / Geom. Paula Unterkofler, Bozen
Künstlerische Intervention: Manfred Alois Mayr, Bozen
Photodokumentation: René Riller