Wirtschaft | Genossenschaften

Ethischer Konsum

Der wiedergewählte Präsident des Südtiroler Genossenschaftsverbands Legacoopbund Heini Grandi im Interview.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Legacoopbund

Zunächst eine persönliche Frage: Ihr vollständiger Name ist Heinrich Grandi. Dennoch werden Sie selbst in offiziellen Dokumenten und Berichten immer wieder mit Heini Grandi beschrieben. Bestehen Sie selbst auf diesen Spitznamen Heini und hat das einen bestimmten Grund?
Das hat eigentlich keinen speziellen Grund. Der Kurzname hat sich einfach so eingebürgert, und heute heißen mich alle so. Aber mein richtiger Name ist Heinrich.

 Sie kommen ursprünglich aus einem ganz anderen professionellen Feld, denn Sie haben Germanistik und Geschichte studiert. Wie fanden Sie ihren Weg in das Unternehmertum?  
Ich habe in Innsbruck zwar Geschichte studiert, dabei hat mich aber schon immer Wirtschaftsgeschichte besonders interessiert. Außerdem war ich bereits während des Studiums im Vereinswesen, wie etwa der Südtiroler Hochschülerschaft, tätig. Gemeinnützige Organisationen haben mich immer schon interessiert. Der Sprung zum fairen Handel kam schließlich über einen Studienfreund und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Das Betriebswirtschaftliche habe ich mir dann im Laufe der Zeit im Beruf angeeignet. Ich finde, das Leben ist ein ständiges Lernen, man lernt nie aus.

 Sie sind Gründungsmitglied von CTM Altromercato. Ist das Motto Fairer Handel  mit einem unternehmerischen Geist vereinbar? Wie wichtig sind Ihnen diese Werte und wie verbinden Sie Diese mit der Wachstumsphilosophie und Realität wirtschaftlicher Unternehmen?   
Ich bin der Meinung, dass auch wirtschaftliches Handeln ethische Grundsätze haben muss. Es geht dabei nicht nur um Profit. Das Wort Ökonomie kommt ja aus dem Griechischen oikos  nomos, (oikos =  haus, die Hausgemeinschaft, nomos Gesetz, Brauch aber auch lenken, verwalten), also die  Lehre gut hauszuhalten im Dienste Aller.
Und selbst der Papst hat gesagt, die Wirtschaft soll dem Menschen dienen. Wenn Wirtschaft soweit geht, dass dabei alle Ressourcen zerstört werden, so müssen wir uns die Frage stellen, ob es denn in die richtige Richtung geht. Heute bewegen wir uns aber leider dahingehend. Wirtschaftliches Handeln muss den Personen zu gute kommen, das sollte der eigentliche Sinn von Wirtschaft sein. Auch beim Fairen Handel geht es nicht um Almosen, sondern um gerechte Preise: Daraus können sich dann auch ökonomische Prozesse besser entwickeln.

Sie haben in einem Interview gesagt, dass Verzicht Vielen gut tun würde und wir bewusster darüber nachdenken sollen, was wir wirklich brauchen und was Überfluss ist. Wie integrieren Sie die Kritik an unserer Konsumgesellschaft in ein Genossenschaftssystem, wo es doch eben auch viel um Konsum geht?
Wenn Überfluss bedeutet, dass ich alles konsumieren kann, und wenn was übrigbleibt, werfe ich es weg, während weltweit Menschen Hunger leiden, dann kann das nicht der richtige Weg sein. Ich glaube man kann auch mit einem guten und hohen Standard leben, und dennoch nachhaltig mit Ressourcen umgehen. Vor allem auch unseren Kindern zuliebe. Wissenschaftler gehen davon aus, dass wir, wenn wir so weiter machen, irgendwann drei Planeten brauchen werden. Beim Konsum soll es darum gehen, die Grundbedürfnisse eines jeden zu befriedigen und dennoch die Ressourcen so zu verteilen, dass alle genug haben. Nicht nur Konsum des Konsums willen. Ein Effekt der Krise in Italien war genau das: Bewusster Konsum. Diese Tendenz beobachten wir in Italien verstärkt. Es wird dadurch heute viel weniger weggeschmissen wie früher. Das ist ein Ansatz.

Geraten Sie in ihrer Arbeitsrealität manchmal in Zwist mit Ihren Wertvorstellungen?
Ständig. Das gehört zum Leben. Es ist unmöglich nur Gewissheiten zu haben. Ich finde es wichtig, dass man immer wieder Dinge in Frage stellt. Jemand der die Gscheidheit gepochtet hot, wie man auf Südtirolerisch sagen würde, vor dem soll man sich in Acht nehmen. Es gehört dazu, die eigene Tätigkeit kritisch zu hinterfragen um sich weiter zu entwickeln. Sonst wird man zum Selbstläufer.

Zu Ihren Anliegen gehört auch der Schutz kleiner Unternehmer, wofür Sie 1996 sogar den Preis Premio Nazionale Cultura della Pace erhalten haben. Wie schwer ist das Überleben in der heutigen globalisierten Welt für kleine Unternehmen? Würden Sie den Gesellschaftswandel als negativ beurteilen, oder glauben Sie, die Globalisierung bringt auch Vorteile für  kleinere Unternehmen bzw. Genossenschaften?
Den Preis erhielt ich für meinen Einsatz für Kleinproduzenten im Süden der Welt. Durch Globalisierung wird es für sie immer schwieriger. Wir sehen die Auswirkungen bei der Migrationsbewegung nach Europa. Menschen flüchten nicht nur aus Kriegsgründen sondern leider auch Viele, weil sie einfach kein Einkommen mehr haben. Natürlich bringt Globalisierung auch Vorteile: Die weltweite Vernetzung etwa, der Zugang zur Information auch für Leute im Süden der Welt oder in peripheren Gegenden. Der Zugang zum Netz, zur Bildung usw. muss aber frei und gleich für alle sein. Vor allem der faire Zugang zu Krediten ist im globalen Süden ein großes Thema. Der ist im Moment leider noch nicht für alle gewährleistet.
Armut herrscht aber nicht nur im globalen Süden sondern auch bei uns in Italien gibt es benachteiligte Produzenten. Viele Kleinbauern in Süditalien können kaum überleben. Zum Glück setzen sich viele für die Bekämpfung organisierter Kriminalität ein. Es gibt Sozialgenossenschaften, die konfiszierte Güter der Mafia übernehmen, um so die Kriminalität im Süden zu bekämpfen; wie etwa Agrinova oder Pietra di scarto in Apulien. Auch Liberaterra oder GOEL in Kalabrien tragen zu fairer Wirtschaft bei, indem sie die Produkte der Kleinbauern zu fairen Bedingungen vermarkten und die biologische Landwirtschaft fördern. So wird der Schwarzarbeit, der Ausbeutung usw. entgegengewirkt. Ctm altromercato unterstützt sie, indem deren Produkte eingekauft werden. Die Beispiele zeigen, dass Genossenschaften kein Widerspruch zum Fairen Handel sind, im Gegenteil. Deshalb war mein Sprung von Ctm altromercato zum Legacoopbund ein sehr natürlicher.

 Wie beurteilen Sie das Genossenschaftswesen in Südtirol? Welchen Stellenwert hat es regional und warum? 
Der Landeshauptmann Arno Kompatscher hat bei unserem Kongress im November bestätigt, dass das Genossenschaftswesen in Südtirol sehr stark vertreten ist. Es gibt bei uns mehr als 1000 Genossenschaften, welche in allen Wirtschaftsbereichen tätig sind. In einigen haben sie sogar eine Vorreiterrolle, zum Beispiel im Kreditwesen oder der Landwirtschaft. Jeder dritte Südtiroler ist Mitglied einer Genossenschaft. Durch die Eigenheit, lokal verankert zu sein, haben Genossenschaften eine starke ökonomische, sowie soziale Präsenz. Leider wird das Genossenschaftswesen in seiner Wichtigkeit noch nicht genug wahrgenommen. Daran müssen wir arbeiten. Wenn wir junge Südtiroler zum Genossenschaftswesen befragen, wären wir erstaunt über die Antworten: Es muss viel Promotionsarbeit in Schulen und Universitäten gemacht werden, um auch jungen Südtirolern den Genossenschaftsgedanken näher zu bringen.

Ziehen wir einmal Bilanz zu Ihren letzten fünf Jahren als Präsident von Legacoopbund. Auf welche Erfolgserlebnisse blicken Sie zurück, worauf sind Sie besonders stolz und welche Enttäuschungen oder Rückschläge haben Sie erlebt?
Erfolgreich war sicherlich die Arbeit des Verbandes, denn wir haben die Mitglieder stärker miteinbezogen und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt gestellt. Wirtschaftsverbände müssen zuerst zum Wohl ihrer Mitglieder handeln, nicht aufgrund persönlicher Vorteile. Es soll kein Sprungbrett für parteipolitische Tätigkeiten sein: Verbandsarbeit ist aber in Italien leider noch immer nicht transparent von Politik getrennt. Wir versuchen daran zu arbeiten.
Positiv gelungen ist uns sicherlich auch, die Mitglieder untereinander stärker zu vernetzen und das Wissen unter den einzelnen Unternehmen zu verbreiten.
Was mir persönlich richtig Leid getan hat, war, dass einige Genossenschaften die Krise nicht überlebt haben und schließen mussten. Aber Rückschläge gibt es immer im Leben. Allgemein haben wir mehr Mitglieder als noch vor fünf Jahren. Das freut mich sehr.

Und wenn Sie nun einen Blick in die Zukunft werfen: welchen Themen werden Sie Prioritäten einräumen, was wollen Sie verändern und was werden Herausforderungen sein, auf die sich der Genossenschaftsverband einstellen muss? Wird es etwas geben, das Sie in dieser Amtsperiode anders machen wollen als in der vorherigen?
Wir müssen unseren Mitgliedern bessere unternehmerische Dienste bieten, damit sie ökonomisch stärker da stehen. Vor allem junge Unternehmen haben oft organisatorische oder finanzielle Probleme. Da muss der Verband ansetzen und den Unternehmen mehr unter die Arme greifen. Ein weiteres Thema ist die Zusammenarbeit mit den anderen drei Genossenschaftsverbänden Raiffeisenverband, Confcooperative und AGCI. Seit einigen Jahren führen wir einen Koordinierungstisch für gemeinsame Tätigkeiten. Das Ziel ist eine gemeinsame Vertretung des Genossenschaftswesens, um eine stärkere Stimme gegenüber der Politik und den Institutionen zu haben: Gemeinsam sind wir stärker. Dafür muss natürlich jeder etwas beisteuern und Kompromisse eingehen. Die Zusammenarbeit funktioniert soweit gut, aber es gibt noch viel Luft nach oben.