Film | Docu.emme

Sich erinnern ist schön, oder?

„The Eternal Memory“ ist ein sehr persönlicher Film zu einem zusehends für die Gesellschaft wichtigerem Thema. Eine Frau dokumentiert die Alzheimer-Erkrankung des Mannes.
The Eternal Memory Stil
Foto: Mubi
  • Paulina Urrutia und Augusto Góngora blicken auf über 20 Jahre Beziehung zurück und sind zu Beginn des Filmes seit 3 Jahren verheiratet. Die Eröffnungsszene des Films entführt uns in das Schlafzimmer des chilenischen Paares, Augusto erwacht soeben. Die „Pauli“ unterbreitet ihrem verschlafenen Mann, dass sie beide verheiratet sind und sich bereits seit mehreren Jahren kennen. Die rund 15 Jahre Altersunterschied zwischen den beiden sind in diesem Moment, in dem die Regisseurin ihren im Mai 2023 schließlich verstorbenen Mann mit einer Handkamera filmt, noch überhaupt kein Thema. Erst später sehen wir das in vielen Aufnahmen offensichtlich glückliche Paar gemeinsam.

    Ihr Mann ist aber nicht irgendein Gedächtnis, das zusehends verblasst, sondern jenes eines Journalisten, der in den für Chile prägendenJahren nach Pinochet - von 1990 bis 2010 - beim Staatsfernsehen war, als populärer Interviewer, Straßenreporter und Sprecher. Archivmaterial seiner inspirierenden Karriere darf immer mal wieder in den Film, der uns auch aufgrund der Corona-Pandemie hauptsächlich Interaktionen mit seiner Frau zeigt. Pauli weckt im Dokumentarfilm schnell die Sympathien des Publikums, mit großer Liebe und Engelsgeduld für ihren Mann. 

    Die Natur der Krankheit ist es vielleicht, die dieses filmische Denkmal in besonderer Weise berührend, aber auch bedrückend macht, besonders für jene die, aus größerer oder geringerer Distanz, eine solche Krankheit von außen miterleben. Wenn Augusto Góngora am Ende mit Spiegelbildern spricht, die ihm nicht antworten, so ist das ein zäher Brocken, doch man hat die Entscheidung getroffen, nicht mit diesen Bildern zu enden und auch nicht mit dem Ende selbst: Der Film feierte im letzten Jahr vier Monate vor dem Tod seines Protagonisten in Cannes Premiere, auch wenn der Tod im intimen Porträt bereits anwesend, nur wartend erscheint. Darüber hinaus zeigt er Hoffnung, auch wenn es schwer ist, mit anzusehen, wie ein stolzer und glücklicher Mann schlussendlich das verliert, was für ihn bestimmend war.

  • Antonio & Pauli: Dem Film gelingt es, uns sowohl die Position eines Erkrankten, wie auch die einer engen Angehörigen, welche die Pflege auf sich genommen hat, näher zu bringen und ist eine exzellente Übung in Empathie. Foto: Mubi
  • In seiner Arbeit als Reporter und Journalist sind es für Augusto vielleicht in besonderer Weise die Begegnungen mit anderen Personen - von den Straßenkindern in Favelas bis zum Präsidenten - die für ihn prägend waren. Der Film zeigt uns einmal Pauli und Antonio am Videorekorder. Ob es nicht schön sei, sich zu erinnern, fragt sie ihn, der bis dahin noch ekstatisch beim Skandieren von Slogans in Aufnahmen einer Demo mitklatscht. Seine Stimmung ändert sich blitzartig und es sind nicht die einzigen Tränen, die im Film fließen. Wir haben das Gefühl, dass das Wort „Erinnern“ für beide mittlerweile ein verschiedenes Gewicht hat.

    Es bleibt die Gewissheit, dass sich beide noch einmal genau so verhalten würden, wenn es hieße noch mehr Zeit mit dem Partner zu verbringen.  „The Eternal Memory“ ist in gleicher Weise ein Film über Liebe und das Vergessen. Filmisch ist gegen „The Eternal Memory“, einen Film in dem auch viel Liebe im Schnitt und im dezenten Einsatz von Musik zu spüren ist, rein gar nichts einzuwenden. Und auch die gezählten, zaghaften Versuche in die Psyche eines an Alzheimer erkrankten Mannes vorzudringen, werden unserer allgemeinen Empathie überlassen: Etwa, als dieser bei einer Theatervorstellung im Publikum sitzt und wir sehen, wie sein Gesicht jeden Moment der Bühnenhandlung quittiert. Es scheint, als würde ihm auch die Fähigkeit Reales und Fiktionen - auch im eigenen Kopf - noch klar zu unterscheiden.

    Nichts am Film ist bevormundend oder irgendwo voyeuristisch und dennoch mag das Thema für den einen oder die andere einer Urangst gleichkommen. Für mich persönlich war es schön Paulina Urrutia und Augusto Góngora ein Stück weit kennen lernen zu dürfen, wenn auch nur kurz.

  • „The Eternal Memory“ eröffnet die neue Saison von Docu.emme, dem Programmschwerpunkt von Mairania 857, das handverlesene Dokumentarfilme aus aller Welt anbietet. Erster Vorführungstermin von Docu.emme ist der morgige 6. März, mit Beginn 20:30‬ Uhr im Meraner Kulturzentrum. Der Film wird im Originalton mit italienischen Untertiteln gezeigt werden.