Umwelt | Die 26. Toblacher Gespräche

So funktioniert sanfte Mobilität

Der Schweizer Professor Dominik Siegrist präsentiert Modelle, wie der langfristige Umstieg vom Privatauto auf öffentliche Verkehrsmittel gelingen kann.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Bis November vergangenen Jahres war er Präsident der internationalen Alpenschutzkonvention Cipra. Er ist zurückgetreten, um den Jungen den Vortritt zu lassen. Seine Nachfolgerin, Katharina Conradin, ist gerademal 33 Jahre alt. Er mag es, sich mit den Jungen zu konfrontieren, sich mit ihnen auszutauschen. Auch in seinem Job. Er ist Institutsleiter an der Hochschule für Technik in Rapperswil. Hat dort eine Professur für den naturnahen Tourismus, seinem Steckenpferd. „15 bis 25 Prozent der Touristen zählen zu unseren Adressaten. Wir haben nicht den Anspruch, 100 Prozent der Gäste zu erreichen. Es wäre illusorisch zu denken, die Welt verändern zu können“, meint Siegrist. 

Bei den 26. Toblacher Gesprächen referierte er an diesem Wochenende zum Thema „Alpen unter Druck. Qualitätsstandards für naturnahes Reisen in den Alpen“. Einen besonderen Fokus wirft er auf den Wintertourismus. „Wir wissen heute, dass der Skitourismus im Zuge der Klimaveränderung in den kommenden 50 Jahren massiv abnehmen wird. Wir brauchen nun gute, naturnahe Angebote, die Kraft und Ausstrahlung haben“, davon ist er überzeugt. Das größte Potential sieht er in der sanften Mobilität. „Wenn wir es schaffen, den Split zwischen individueller Anreise und Bahnanreise zu verändern, dann haben wir einen großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gemacht. Damit das gelingt, sollten Bahnverbindungen unbedingt mit den Bergbahnen verbunden werden. Allerdings darf es dann an der Talstation auch keine Parkplätze mehr geben“, meint Siegrist. Als Paradebeispiel führt er den Schweizer Skiort Scuol im Engadin an. 30 Prozent der Skifahrer reisen dort bereits mit der Bahn an. 

Er selbst lebt in Zürich. 50 Prozent der Bewohner haben dort kein eigenes Auto. Auch er nicht. Zur Arbeit, oder eben hier nach Toblach, fährt er mit der Bahn. „An unserer Hochschule haben wir bereits vor einigen Jahren die öffentlichen Parkplätze abgeschafft. Unsere Studenten müssen also mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen. Nur so kann man den Prozess fördern, dass die Leute vom Auto auf Bus oder Bahn umsteigen“, erklärt er. Damit aber die breite Masse umsteigt, brauche es konkurrenzfähige Preise: „Die öffentlichen Verkehrsmittel dürfen nicht teurer sein als eine Anreise mit dem Privatauto. Wobei das bei Euch in Südtirol ohnehin nicht der Fall ist, die Preise für Zug und Bus sind hier wirklich sehr moderat“, meint der Institutsleiter. 

Doch nicht nur der Preis sei entscheidend für den Umstieg auf Öffis, sondern auch der Komfort: „Reisende wollen nicht öfter als zwei Mal umsteigen, deshalb braucht es mehr direkte Züge. Und Wintersportler, die mit der Bahn anreisen, brauchen unbedingt einen Gepäckservice und die Möglichkeit Skier auszuleihen. Denn die Schlepperei ist gerade für Familien mit Kindern extrem anstrengend und nervig.“ Die 900-Einwohnergemeinde Werfenweng in der Südsteiermark mache es vor. „Als Anreiz, damit die Gäste mit der Bahn anreisen, wird das Gepäck zu Hause abgeholt und direkt im Hotel oder in der Ferienwohnung angeliefert.“ Wichtig sei außerdem die Fahrplansicherheit. Der Reisende müsse die Garantie haben pünktlich anzukommen. „Dazu gehört, dass ein Bus nicht abfahren darf, wenn der Zug zwei Minuten Verspätung hat.“ Damit ein Umdenken hin zur sanften Mobilität gelingen kann, müsse aber auch an der Infrastruktur gearbeitet werden. Siegrist formuliert es provokant: Die Straßen müssen schmaler, die Bahngeleise breiter und die Parkplätze weniger werden. Hier ist die Politik gefordert.“ 

Er selbst ist begeisterter Wintersportler. Skitouren haben es ihm angetan. Doch wie funktioniert das, ganz ohne Auto? „In der Schweiz haben wir ein Projekt, das sich Alpentäler-Bus nennt. Der Preis ist vernünftig, mit den Bussen kommt man in gewisse abgelegene Täler, die das öffentliche Busnetz nicht erreicht. Zum Ausgangspunkt einer Skitour kann man dann mit einem Shuttle-Bus, dem sogenannten Alpen-Taxi, weiterfahren“, erzählt Siegrist.

Und möchte Dominik Siegrist mal eine längere Skitour unternehmen, so reist er bereits am Vortag an und übernachtet in einer Hütte: „Ich bin entspannter, kann die Skitour besser genießen und schaffe regionale Wertschöpfung. Ich gebe gerne etwas aus, wenn ich dafür ein schönes Wochenende erleben darf“, meint Siegrist. Und unter dem Strich sei eine Skitour samt Übernachtung ohnehin weitaus günstiger als ein alpiner Skitag.

Alle Konzepte rund um den naturnahen Tourismus hat Dominik Siegrist kürzlich in einem Buch veröffentlicht. „Naturnaher Tourismus - Qualitätsstandards für sanftes Reisen in den Alpen“ von Dominik Siegrist, Susanne Gessner und Bonnelame Ketterer. Haupt Verlag Bern, ISBN: 978-3-258-07922-6