Kultur | Bauvorgehen

Die Schande von Schlanders

In Schlanders werden seit den frühen Morgenstunden Gebäude abgerissen, die nicht abgerissen werden dürften. Es ist eine Nacht- und Nebel-Aktion die zum Himmel stinkt.
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Foto: salto.music / Privat

Der Bürgermeister der Gemeinde Schlanders Dieter Pinggera spricht immer und immer wieder von einem "jahrelangen" und "vorbildlich geführten Bürgerbeteiligungskonzept" und dass gerade "diese vorbildliche Haltung" letztendlich zu "der Entscheidung geführt habe", eben an diesem 5. Oktober in aller Frühe die Bagger auffahren zu lassen. Dass diese von ihm genehmigte Nacht- und Nebel-Aktion aber genau der Beweis für ein demokratiepolitisch höchst verwerfliches Vorgehen ist, will er nicht verstehen und lässt auch keine andere Meinung in dieser Sache gelten. Er habe nur das umgesetzt, "was die Bevölkerung möchte" und "was der Gemeinderat einstimmig genehmigte". Warum es aber zu der plötzlichen Dringlichkeitsverfügung von gestern Abend kam, die Pinggera unterzeichnete und die von langer Hand (der Plan zu dieser Aktion wurde vor einigen Wochen gefasst) vom Generalsekretär vorbereitet wurde, dazu gibt es nur Schweigen im Walde, auch bei Generalsekretär Georg Sagmeister selbst, der sich in dieser Angelegenheit eher als Schweigmeister entpuppt. Auf Anfrage von Salto.bz zu den Vorkommnissen in der Drususkaserne und zum plötzlichen Abriss der Gebäude gibt er sich zurückhaltend und ruppig: "Wieso wollen Sie das wissen? Ich bin ein Beamter, ich bin nicht der Pressereferent der Gemeinde."
 

Ich bin bestürzt über dieses Vorgehen. Das ist alles sehr gravierend, so wie hier vorgegangen wurde
[Karin Dalla Torre]


Im September hatte Sagmeister "strukturelle Mängel bei den Gebäuden festgestellt", die wenige Wochen später zur überraschenden "dringlichen" Maßnahme führten. Nun ist gerade er während dieser turbulenten Situation im Urlaub, da er genau in diesen Tagen bei der Apfelernte beschäftigt ist, „da diese eben grade reif sind“ wie der Bürgermeister etwas naiv hervorhebt. 
Tatsache ist aber, es hätte noch im Oktober "zu einem Treffen mit dem Landeshauptmann und weiteren Beteiligten kommen sollen“ erzählt Hannes Götsch von der BASIS in Schlanders, jener Gruppe von Vinschgerinnen und Vinschgern, die sich seit Jahren federführend um einen Großteil das Areals kümmern. Zudem wartete man - so Götsch - "auf die Veröffentlichung einer Nachnutzungsstudie", die den historischen Bestand genau dokumentieren sollte und vom Denkmalamt in Bozen in Auftrag gegeben wurde. "Ich bin bestürzt über dieses Vorgehen. Das ist alles sehr gravierend, so wie hier vorgegangen wurde" kommentiert Karin Dalla Torre, Landeskonservatorin und zuständig für denkmalgeschützte Gebäude im Land, dieses plötzliche Vorgehen der Gemeindeverwalter. Dalla Torre hatte eine Vereinbarung mit dem Bürgermeister, dass dieser weitere Entscheidungen abwarten solle, bis eben die historische Bauuntersuchung abgeschlossen sei. Bürgermeister Pinggera hielt sich aber nicht an die Abmachung, unterschrieb die Dringlichkeitsmaßnahme seines Sekretärs und ließ die Bagger auffahren. Dalla Torre konterte heute Vormittag mit einem Abbruchstopp. 
„Wir haben nichts geahnt. Das war bis 4. Oktober kein Thema,“ erzählt Gerda Platzgummer, Vorstand der BASIS und Unterstützerin der Initiativgruppe für den Erhalt der Gebäude. Gestern noch hatte sie eine Runde auf dem Areal gemacht: „Es gab weder einen Bauzaun noch eine Verordnung, keine Bautafel. Nichts.“  Es war aber anscheinend alles sehr dringlich.