Politik | Landtagswahlen

Das Südtirol, das ich sehe

Vor einer Woche habe ich mit dem Haustürwahlkampf begonnen. Ich überwinde da meine natürliche Hemmschwelle und läute oder klopfe an den Türen. Bisher war ich in Bozen/Gries, in Bozen/Firmian, in Latsch, in Tramin, in Enneberg, in Sterzing und in Milland/Brixen. Was ich sehe, ist sehr erhellend.
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  • Die meisten Menschen machen ihre Tür auf, man möchte es nicht meinen. Im Vergleich zu vor 5 Jahren, als ich erstmals Haustürwahlkampf gemacht habe, sind viel mehr Menschen zu Hause anzutreffen, auch junge Menschen. Es hängt sicher mit der Pandemie und smart-working zusammen. Es bedeutet auch, dass das eigene Heim an Bedeutung gewonnen haben wird. Wenn wir am Vormittag unterwegs sind, dann treffen wir natürlich viele ältere Menschen an. Einige freuen sich über alle Maßen, dass jemand an ihrer Tür steht. Die meisten sind eher misstrauisch, viele sind erstaunt, dass sich „jemand das antut“. 

    Ich blicke in Wohnungen. Viele sind schon sehr alt, oftmals voller Gegenstände. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land sind enorm, schon rein was die Enge oder Weite angeht. Vieles macht betroffen. Die Volkswohnsiedlung zum Beispiel, in der die Gründergeneration des reichen Nachkriegssüdtirol alt geworden ist, und in der die wirklich sehr betagten Einwohner:innen bis in den vierten Stock ohne Aufzug müssen. Der alte Mann, den wir aus dem Zimmer rufen hören, dass er nicht bis zur Tür kommt. 

    Es ist auch nicht zu leugnen: Südtirol ist ein multikulturelles Land geworden. Auch in den Dörfern finde ich in beinahe jedem Kondominium (so heißt das eben bei uns) ausländische Namen auf den Türglockenschildern vor. Die Gerüche von fremdartigen Gewürzen mischen sich mit den klassischen Stiegenhauskochgerüchen, die wir schon kennen. Vor den Wohnungen der Migrantenfamilien häufen sich oft die Kinderschuhe. Alteingesessene Südtiroler Familien leben Tür an Tür mit Migrantenfamilien, diese Realität ist auch in kleineren Ortschaften viel verbreiteter als ich dachte und als der öffentliche Raum vermuten ließe. 

    An manchen Stellen finde ich ein sehr armes Südtirol vor. Auch davon ist nicht oft die Rede. Heute morgen habe ich die Lebensmittelausgabe des Roten Kreuzes besucht. Alle zwei Wochen bekommen hier Menschen, die es brauchen, eine Einkaufstasche mit Nudeln, Reis und Mehl. Es sind viele, die anstehen. 

    Südtirol ist ein reiches Land. Die üppig geschmückten Balkone zeugen vom Willen, den Wohlstand zu zeigen und Schönheit zu teilen und mitzuteilen. Vor vielen Häusern stehen große Autos. Hinter anderen Türen sieht die Realität ganz anders aus, es gibt Enge, Einsamkeit, schäbige Umstände. Vor den Wahlen den Blick auf diese Welt zu lenken - und noch wichtiger: nach den Wahlen – das hat der politische Diskurs bitter nötig. Vielleicht ginge es dann viel öfter um viel Wesentlicheres.

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Martin Tarshito Fr., 06.10.2023 - 13:18

"[...] erstaunt, dass sich 'jemand das antut'. "
Meines Wissens ist Ihre Zeit als Haustürwahlkämpferin auch in diesem Monat durch das Entgelt für Ihre Amtszeit als Landtagsabgeordnete abgedeckt. Wenn Sie wieder gewählt werden möchten, auch um Ihr Entgelt weiterhin zu beziehen, darf es ruhig eine Selbstverständlichkeit sein, dass Sie auch mal aktiv unter oder zu den Leuten gehen und das Gespräch suchen.
Wer noch keinen Sitz bzw. kein Entgelt als Landtagsabgeordnete/r hat, sich nun aber kandidiert, jedoch weiterhin einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, um die eigenen Lebenserhaltungskosten zu bestreiten, der/die tut sich wirklich etwas an, wenn er/sie von Haustür zu Haustür geht.
Sie hätten letzteres eher schon während Ihrer Amtsperioden machen können/sollen.
Nichts desto trotz, würde ich Sie auf einen Kaffee einladen, vorausgesetzt ich habe gerade frei und bin zu Hause und Sie klingeln mit der Wahrscheinlichkeit eines Lottogewinns just in diesem Moment ausgerechnet bei mir.

Fr., 06.10.2023 - 13:18 Permalink
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Simonetta Lucchi So., 08.10.2023 - 09:52

Antwort auf von Martin Tarshito

È vero, come candidata per il M5S che per la prima volta fa questa esperienza, posso assicurare che fare campagna elettorale senza seggio e stipendio, e magari senza questa prospettiva, è veramente una fatica che si fa se si crede veramente di voler portare avanti un discorso. Soprattutto se si ha un lavoro, famiglia, ma d'altra parte occorrono persone che vivono questa realtà per avere voci autentiche. Andare porta a porta è un'ottima idea, più volte ho scritto che bisogna andare nelle case: ma questo sempre, dovrebbero farlo anche medici, infermieri, associazioni che aiutano persone fragili e donne in difficoltà, assistenti sociali. Invece la gente è troppo sola, e senza nemmeno un balcone fiorito ( quelli sono gli alberghi)

So., 08.10.2023 - 09:52 Permalink
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Klemens Riegler So., 08.10.2023 - 09:16

Häuserkampf ! ... ist immer eine gute Idee. Und ein alter, durchaus wirksamer Trick im Wahl-Kampf. Traut sich ja sonst eh niemand mehr. Vielleicht gibts dafür eine schöne Belohnung.

So., 08.10.2023 - 09:16 Permalink