Kultur | Geduld

Sorglos still und weit

Da gibt eskein Messen mit der Zeit, da gilt kein Jahr, und zehn Jahre sind nichts, Künstler sein heisst...
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  • ...nicht rechnen und zaehle; reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Fruehlings steht ohne die Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte. er kommt doch. Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge, so sorglos still und weit. Ich lerne es täglich, lerne es unter Schmerzen, denen ich dankbar bin: Geduld ist alles! aus dem Buch > gesammelte Werke von Rainer Maria Rilke < Briefe an einen jungen Dichter S.109

    Mir geht es mit seinen Büchern ( und nebenbei gesagt auch mit dem Menschen, den ich flüchtig kenne) so, dass, wenn ich eine seiner schoenen Seiten gefunden habe, ich mich immer vor der naechsten fuerchte, die alles wieder zerstören und das Liebenswerte in Unwürdiges verkehren kann. Sie haben ihn ganz gut charakterisiert mit dem Wort: >brünstig leben und dichten <. - Und tatsaechlich liegt ja kuenstlerisches Erleben so unglaublich nahe am geschlechtlichen, an seinem Weh und seiner Lust, dass die beiden Erscheinungen eigentlich nur verschiedene Formen einer und derselben Sehnsucht und Seligkeit sind. Und wenn man statt Brunst - Geschlecht sagen dürfte, Geschlecht im grossen, weiten, reinen, durch keinen Kirchenirrtum verdächtigten Sinne, so wäre seine Kunst sehr gross und unendlich wichtig. Seine dichterische Kraft ist gross und wie ein Urtrieb stark, sie hat eigen ruecksichtslose Rhythmen in sich und bricht wie aus Bergen aus ihm aus. Aber es scheint, dass diese Kraft nicht immer ganz aufrichtig und ohne Pose ist. ( Aber das ist ja auch eine der schwersten Prüfungen and dem Schaffenden: er muss immer der Unbewusste, der Ahnungslose seiner besten Tugenden bleiben, wenn er diesen nicht ihre Unbefangenheit und Unberruehrtheit nehmen will!) Und dann, wo sie durch sein Wesen rauschend, zum Geschlechtlichen kommt, da findet sie keine ganz so reinen Menschen, wie sie ihn brauchte. Da ist keine ganz reife Geschlechtswelt, eine, die nicht menschlich genug, die nur männlich ist, Brunst ist, Rausch und Ruhelosigkeit, und beladen mit den alten Vorurteilen und Hofgarten, mit denen der Mann die Liebe entstellt und beladen hat: Weil er nur als Mann liebt, nicht als Mensch, darum ist in seiner Geschlechtsempfindung etwas Enges, scheinbar Wildes, Gehässiges, Zeitliches, Unewiges, das seine Kunst verringert und sie zweideutig und zweifelhaft macht. Sie ist nicht ohne Makel, sie ist gezeichnet von der Zeit und von der Leidenschaft, und wenig aus ihr wird dauern und bestehen. (Die meiste Kunst ist aber so!) Aber trotzdem kann man sich an dem ,w as in ihr Grosses ist, tief freuen und muss nur nicht daran verloren gehen und Anhänger jener Dehmleschen Welt werden die so unendlich bange, voll Ehebruch und Wirrnis, ist und fern von den wirklichen Schicksalen, die mehr leiden machen als diese zeitlichen Truebnisse, aber auch mehr Gelegenheit zu Groesse geben und mehr Mut zur Ewigkeit. Was endlich meine Buecher anlangt, so möchte ich Ihnen am liebsten alle senden, die Sie irgend freuen könnten….. Musik:Mir geht es mit seinen Büchern ( und nebenbei gesagt auch mit dem Menschen, den ich flüchtig kenne) so, dass, wenn ich eine seiner schoenen Seiten gefunden habe, ich mich immer vor der naechsten fuerchte, die alles wieder zerstören und das Liebenswerte in Unwürdiges verkehren kann. Sie haben ihn ganz gut charakterisiert mit dem Wort: >brünstig leben und dichten <. - Und tatsaechlich liegt ja kuenstlerisches Erleben so unglaublich nahe am geschlechtlichen, an seinem Weh und seiner Lust, dass die beiden Erscheinungen eigentlich nur verschiedene Formen einer und derselben Sehnsucht und Seligkeit sind. Und wenn man statt Brunst - Geschlecht sagen dürfte, Geschlecht im grossen, weiten, reinen, durch keinen Kirchenirrtum verdächtigten Sinne, so wäre seine Kunst sehr gross und unendlich wichtig. Seine dichterische Kraft ist gross und wie ein Urtrieb stark, sie hat eigen ruecksichtslose Rhythmen in sich und bricht wie aus Bergen aus ihm aus. Aber es scheint, dass diese Kraft nicht immer ganz aufrichtig und ohne Pose ist. ( Aber das ist ja auch eine der schwersten Prüfungen and dem Schaffenden: er muss immer der Unbewusste, der Ahnungslose seiner besten Tugenden bleiben, wenn er diesen nicht ihre Unbefangenheit und Unberruehrtheit nehmen will!) Und dann, wo sie durch sein Wesen rauschend, zum Geschlechtlichen kommt, da findet sie keine ganz so reinen Menschen, wie sie ihn brauchte. Da ist keine ganz reife Geschlechtswelt, eine, die nicht menschlich genug, die nur männlich ist, Brunst ist, Rausch und Ruhelosigkeit, und beladen mit den alten Vorurteilen und Hofgarten, mit denen der Mann die Liebe entstellt und beladen hat: Weil er nur als Mann liebt, nicht als Mensch, darum ist in seiner Geschlechtsempfindung etwas Enges, scheinbar Wildes, Gehässiges, Zeitliches, Unewiges, das seine Kunst verringert und sie zweideutig und zweifelhaft macht. Sie ist nicht ohne Makel, sie ist gezeichnet von der Zeit und von der Leidenschaft, und wenig aus ihr wird dauern und bestehen. (Die meiste Kunst ist aber so!) Aber trotzdem kann man sich an dem ,w as in ihr Grosses ist, tief freuen und muss nur nicht daran verloren gehen und Anhänger jener Dehmleschen Welt werden die so unendlich bange, voll Ehebruch und Wirrnis, ist und fern von den wirklichen Schicksalen, die mehr leiden machen als diese zeitlichen Truebnisse, aber auch mehr Gelegenheit zu Groesse geben und mehr Mut zur Ewigkeit. Was endlich meine Buecher anlangt, so möchte ich Ihnen am liebsten alle senden, die Sie irgend freuen könnten….. Musik:https://youtube.com/shorts/h1iJfemel1Y?feature=shared https://youtu.be/PLU9dR8-HWc?feature=shared https://www.youtube.com/watch?v=y7D519sfD-U