Gesellschaft | Prozess

Freitag, der 13.

Für Christian Troger neigt sich ein vierjähriger "Spuk" dem Ende zu. "Hoffentlich", meint der Gewerkschafter, der "mächtige Herren" in Aufruhr versetzt hat.

Freitag, der 13. steht traditionell für einen Unglückstag. Daran will Christian Troger nicht glauben. “Ich hoffe, dass mir das Datum dieses Mal Glück bringt”, meint er. Troger ist Vize-Landessekretär der Südtiroler Gewerkschaftskammer UIL-SGK. Als solcher muss er sich seit nunmehr vier Jahren vor Gericht verantworten. Für einen kritischen Artikel aus dem Jahr 2011, mit dem er, wie er sagt, einigen “hohen Sphären” im Land auf die Füße getreten zu sein scheint. Am kommenden Freitag, 13. November steht die x-te Verhandlung am Landesgericht Bozen an. “Es wird hoffentlich die letzte sein”, wünscht sich Troger. Er sieht einerseits die gewerkschaftliche Kritik, aber auch die freie demokratische Meinungsäußerung gefährdet.

Ist sozial-politische Kritik der Arbeitswelt Südtirols heute noch erlaubt oder obliegt sie einem Postulat der wirtschaftlichen Macht, unter welche auch wir Gewerkschafter uns kritiklos unterwerfen und unterordnen müssen? (Troger)

 

“Max” und “Mara” im Visier

Im März 2011 erscheint in der Gewerkschaftszeitung der UIL-SGK in der Rubrik “Demokratischer Dialog” ein Beitrag von Christian Troger. Darin zeichnet er einen Arbeitsstreitfall nach, der sich im renommierten Meraner Hotel Palace zugetragen hat. Zu Wort kommen die Anonymen “Max” und “Mara”. Sie erzählen von den arbeitsrechtlichen Zuständen im Palace. Eine junge Mitarbeiterin habe sich an die Gewerkschaft gewandt, weil sie nach Beendigung eines prekären Arbeitsverhältnisses nicht zu ihrem Recht auf die Bezahlung ihrer geleisteten Arbeit gekommen sei. Das Hotel Palace habe sich trotz Vermittlungsversuchen und dem Einsatz einer Schlichtungskommission geweigert, die kollektivvertraglich festgelegten Bestimmungen anzuwenden. Der Arbeiterin sei damit etwa “mindestens eine Summe von 3.000 Euro brutto vorenthalten” worden. Soweit die Ausführungen von “Max” und “Mara”.

“Ein soziales Gerechtigkeitsempfinden im Hotel Palace von Meran, aber auch beim Hotel- und Gastwirteverband (HGV), oder in der Arbeitsschlichtungskommission in Meran waren nicht verhanden.” (“Mara”)

Kurz nach Erscheinen des Artikels kommt Christian Troger zu Ohren, dass man bei der Staatsanwalt am Bozner Landesgericht Strafanzeige gegen ihn erstattet hat. “Man” ist niemand geringeres als Massimiliano Sturaro, Henri Chenot und Walter Meister. Sturaro als (mittlerweile Ex-)Geschäftsführer des Hotel Palace, Chenot als dessen Präsident und der (inzwischen auch Ex-)HGV-Präsident fühlen sich von Troger in seinem Artikel verunglimpft. Sie haben sich an die Rechtsanwaltskanzlei Brandstätter in Bozen gewandt und klagen Troger wegen “angeblicher Rufschädigung”.


Der Verhandlungsmarathon

“Dass auch der HGV auf den Anklage-Karren aufgesprungen ist, nährt bei mir den Eindruck, dass man mir das Wort verbieten will”, meint Troger nachdenklich. Nach mehrmonatigen Voruntersuchungen der Bozner Staatsanwaltschaft und einigen Verzögerungen wird der Gewerkschaftler im April 2012 von der Carabinieridienststelle von Algund darüber unterrichtet, dass er sich für seine Vertretung vor Gericht einen Strafverteidiger suchen muss. Troger betraut den bekannten Rechtsanwalt aus Rovereto, Nicola Canestrini, mit seinem Fall. Im Juli 2012 findet in Rovereto das Garantieverhör statt. Bei diesem hat Troger Gelegenheit zu erklären, wie es zu dem beanstandeten Artikel in der Gewerkschaftszeitung gekommen ist. Die erste Vorverhandlung im November desselben Jahres endet mit einem Aufschub.

Die erwähnten mächtigen Herren haben auch zivilrechtliche Klagen mit unbeziffert hohen Schadenersatzforderungen gegen mich eingereicht. (Troger)

Ende 2012 beschließt der Untersuchungsrichter dann, “eigentlich etwas überraschend”, meint Troger, die Eröffnung eines Strafverfahrens gegen ihn. Ein Verhandlungsmarathon beginnt. 2013 gibt es  vier Verhandlungstermine, 2014 weitere drei. “Ja, es ist eine extrem lange Geschichte, die nicht nur für mich sehr belastend ist”, gesteht Troger. Immer wieder gibt es Aufschübe aus den ein oder anderen Gründen. Außerdem muss bei den einzelnen Terminen meist immer wieder von vorn begonnen werden, weil sich abwechselnd unterschiedliche Richter und Staatsanwälte mit dem Fall beschäftigen. Einmal gibt es die Aussicht, sich vorzeitig zu einigen. Man bietet den Klägern an, eine Gegendarstellung in der Gewerkschaftszeitung abzudrucken. Mündlich willigen diese ein. Doch beim nächsten Verhandlungstermin steht ein neuer Staatsanwalt auf dem Parkett, von einer Gegendarstellung wollen die Kläger plötzlich nichts mehr wissen.


Spuk ohne Ende?

So zieht sich der Strafprozess bis 2015 weiter. Im Februar die bislang letzte Verhandlung zur Zeugeneinvernahme. “Ich habe sehr gute Zeugen, die bestätigen, dass ich in den von mir geschriebenen Zeilen keinerlei Falschaussage getätigt und nichts erfunden habe”, berichtet Christian Troger. Nun hofft er auf den 13. November, auf einen Freispruch, und darauf, dass das “Trauerspiel” um eine “relative Belanglosigkeit” ein Ende hat. Auch, weil inzwischen ein weiteres Problem auf ihn zukommen könnte: “Die erwähnten mächtigen Herren haben auch zivilrechtliche Klagen mit unbeziffert hohen Schadenersatzforderungen gegen mich eingereicht.” Troger fragt sich: “Sollte ich nach fast vier Jahren ‘Spuk’ etwa mit meinem Arbeitslohn als Gewerkschaftler diesen Herren auch noch Schadenersatzzahlungen ‘schuldig’ sein und zahlen müssen?” Es sei “kurios” wenn er Personen, die zum Teil zwei oder drei Einkünfte hätten, auch noch Entschädigung zahlen müsse.

Für Christian Troger geht es um mehr. Foto: UIL-SGK
 

Es geht um mehr

Das Wort verbieten lassen will sich Christian Troger auf keinen Fall. Er beharrt auf das demokratische Recht auf freie und faire Meinungs- und Ideenäußerung und ist fest überzeugt: “Wir wollen die für unser Land so wichtige touristische Arbeitswelt nicht einfach aus unserer Kritik ausklammern. Es ist unsere Aufgabe, wenn ‘kleine’ Menschen mit Problemen zu uns kommen, diese auch öffentlich mitzuteilen.” Der Arbeitsstreit zwischen der ehemaligen Palace-Mitarbeiterin und dem Nobelhotel ist übrigens bis heute nicht gelöst. “Es ist kein vernünftiges Angebot gekommen”, erklärt Troger. In der Schlichtungskommission habe man der Arbeiterin maximal 700 Euro brutto angeboten, was Troger auch am Gerechtigkeitssinn der Kommission zweifeln lässt.

Es ist befremdend, dass auch diese dreiköpfige Kommission nicht fähig oder willens war, einen vernünftigen und für alle beiden „Parteien“ annehmbaren Kompromiss anzubieten. (“Max”)

Doch Aufgeben ist nicht sein Stil. Daher hat er zahlreiche Freunde, Bekannte und Kollegen für den 13. November um Unterstützung und Solidarität gebeten. Für ihn hat sein Strafprozess nicht nur persönliche, sondern auch sozialpolitische und öffentliche Bedeutung, wie er durch eine Frage, die er in den Raum stellt, untermauert: “Ist sozial-politische Kritik der Arbeitswelt Südtirols, anhand eines konkreten, sehr fragwürdigen und bis heute nicht gelösten Arbeitsstreitfalles heute noch erlaubt oder obliegt sie trotz politischer Demokratie und Meinungsfreiheit einem Postulat der wirtschaftlichen Macht, unter welche auch wir Gewerkschafter uns kritiklos unterwerfen und unterordnen müssen?”

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kurt duschek Do., 05.11.2015 - 16:59

....sozial-politische Kritik der Arbeitswelt Südtirols... muß erlaubt sein und bleiben. In diesem Sinne unterstütze ich die Meinung und das Verhalten in dieser Angelegenheit von Christian Troger.

Do., 05.11.2015 - 16:59 Permalink
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Martin Daniel Do., 05.11.2015 - 19:42

Wünsche Christian alles Gute und danke ihm für seine Courage, für Legalität und Grundfreiheiten einzustehen. Ich muss zugeben, dass ich mir in den letzten Jahren immer genauer überlege, was ich schreibe und was nicht und dass diese aus Angst vor Klagen gespeiste Zurückhaltung im Grunde ein Alarmsignal für den (zumindest von mir wahrgenommenen) gesellschaftlichen Zustand sein müsste.

Do., 05.11.2015 - 19:42 Permalink