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„Der Weg dorthin ist wichtiger“

Fabian Pezzei, Doppelweltmeister im Karate - Junioren (bis 75 Kilo), Junioren-Team - erzählt von Karate in Mühlbach und Südtirol, dem Wettkampf und der Pandemie.
Kumite Junioren -75 Kilo:
Foto: Karate Mühlbach
Salto.bz: Herr Pezzei, bedeutet Ihnen eine der beiden Goldmedaillen mehr als die andere?
 
Fabian Pezzei: Mehr Bedeutung hat wahrscheinlich die Medaille im Einzelwettkampf, da im Team vorab nicht einmal vorgesehen war, dass ich mitmachen durfte. Als ich im Finale im Einzelwettkampf gewonnen habe, war die Freude natürlich unbeschreiblich.
 
 
Wie kam es dann zum Erfolg im Junioren-Team?
 
Es war so, dass ich zuerst den Einzelwettkampf absolviert habe. Im Team darf eigentlich nur mitmachen, wer in der Nationalmannschaft ist. Es hat sich leider ein Mannschaftsmitglied in der Gewichtsklasse über mir im Finale die Schulter ausgekegelt und durfte dann nicht am Finale teilnehmen. Da hat der Nationaltrainer meinen Vater, meinen Trainer, angerufen und wollte, dass ich wegen meiner Leistung im Einzelwettkampf nachnominiert werde und für Italien kämpfe. Nach dem Einzelwettbewerb kam mein Vater zu mir und hat mir gesagt, dass ich mich sofort wieder konzentrieren müsse, weil es gleich weiter ginge, mit dem Teamwettbewerb. Ich war erstmal geschockt, hatte aber auch große Freude. Natürlich war das schwer: Man wird Meister im Einzelwettbewerb und dann gleich wieder vollen Fokus. Ich bin in die Halle zum Aufwärmen und dann ging es. Ich kannte die anderen Athleten der Mannschaft und dann hat alles gepasst.
 
Ich praktiziere es eher als modernen Kampfsport, aber man kann es auch als Kampfkunst praktizieren, wo Selbstverteidigung und Selbstverwirklichung im Vordergrund stehen.
 
Auf der Webseite von Karate Mühlbach steht: „Medaillen sind Erinnerungen, die Du an die Wand hängst; Karate ist mehr als nur ein Sieg, es ist ein Lebensstil.“ Geht Ihnen das auch so?
 
Auf jeden Fall, das ist auch ein guter Satz. Grundsätzlich geht es nicht um die Medaille. Karate macht man das ganze Jahr und beim Wettkampf erntet man dann nur die Früchte von dem, was man zuvor gesät hat. Die Medaille ist daher wirklich nur ein Andenken, dass man zuhause aufhängt. Der Weg dorthin ist wichtiger.
 
Das Grundprinzip des Karate ist die leere Hand, durch welches man auf sich selbst zurückgeworfen wird und sich besser kennen lernt. Haben Sie diese Erfahrung, lernen Sie sich selbst besser kennen durch Karate?
 
Ich finde Karate ist auch für die eigene Persönlichkeit sehr nützlich. Ich habe damit begonnen, als ich zehn oder elf war. Da hatte ich nicht immer einfache Phasen und da hat mir Karate immer weiter geholfen. Karate kann man ja ganz unterschiedlich praktizieren: Ich praktiziere es eher als modernen Kampfsport, aber man kann es auch als Kampfkunst praktizieren, wo Selbstverteidigung und Selbstverwirklichung im Vordergrund stehen. Ich finde auch das unglaublich toll.
 
 
Ihr Vater, Martin Pezzei, ist auch angetreten und hat im Kata Silber gewonnen. Wollen Sie den Unterschied zwischen Kata und Kumite kurz erklären?
 
Kata, das ist eine Abfolge von Techniken, die man so gut wie möglich ausführen muss. Ich habe im letzten Jahr selbst Kata-Wettkämpfe gemacht, es aber nicht geschafft, mich zu qualifizieren, für die Weltmeisterschaft. Das gelang mir nur im Kumite, also im Zweikampf. Mein Vater ist aber für beides angetreten.
 
Wie ist es für Sie im Dojo Ihres Vaters und mit Ihm zu trainieren? Ist die Hierarchie eine strenge?
 
Er wollte eigentlich nie, dass ich mit Karate anfange, weil er meinte, seinen eigenen Bub zu trainieren, das wäre nicht so… Dann habe ich doch mit dem Training begonnen. Es kann Vor-, aber auch Nachteile haben: Man wird sicher strenger beobachtet, er hat immer ein Auge auf mich. Das man strenger behandelt wird, hat aber auch sicher Vorteile. Ich finde, er ist ein super Trainer und hilft mir sehr weiter. Natürlich ist die Hierarchie so, dass er der Lehrer ist und ich der Schüler, aber er stellt sich nicht so über uns, dass er der Chef wäre und wir gar nichts zu sagen hätten. Wenn wir miteinander kämpfen, dann lässt er sich auch etwas sagen. „Vielleicht wäre es besser, wenn du das so machen würdest.“, dann sagt er „Okay, passt, danke.“
 
 
In Südtirol gibt es auch andere Kampfsport oder -kunstarten, wie Aikido oder Yoseikanbudo. Waren Sie auch gegenüber diesen oder anderen Traditionen neugierig und haben hinein geschnuppert, oder war von vorne herein klar, dass es Karate sein musste?
 
Karate war für mich klar, da es ab 2016 hier in Mühlbach die Halle gab. Was wir allerdings gemacht haben - in Rodeneck fünf Minuten entfernt, wo es eine Judo-Halle gibt - ist einmal im Jahr, vor Corona mit den Athleten dort zu trainieren. Ich habe auch Kollegen, die im Judo erfolgreich sind, deswegen kann ich da hinein schnuppern. Sonst habe ich nur Karate praktiziert. Ich habe mir auch mal einen Ju jitsu-Wettkampf angesehen und war mal mit der Schule bei einem Yoseikanbudo Kurs. Ich habe aber nichts davon vertieft, nur Karate und manchmal Judo.
 
Es gibt häufig die Kritik gegenüber Kampfsport-Arten, dass man nur mit gewissen Reaktionen zu rechnen lernt und andere dann nicht nach diesen Regeln spielen…
 
Ich glaube keine Kampfkunst oder Kampfsportart ist perfekt. Sicherlich hat jede ihre Fehler und ihre Stärken. Auch im Karate gibt es verschiedene Stile: Wir praktizieren Wadō-Ryū, den Weg des Friedens und der Harmonie. Da ist ein Prinzip das von minimalem Aufwand, maximaler Effizienz. Wenn man darauf acht gibt, und wie ich einige Lehrgänge, im Bereich der Selbstverteidigung, gemacht hat, dann kann man sich auch auf der Straße gut damit helfen. Perfekt ist sicher nichts.
 
Jetzt bin ich Weltmeister geworden, aber das heißt nicht, dass es für mich zu Ende ist.
 
Wo sehen Sie die Stärken von Karate im Speziellen?
 
Karate ist sehr vielseitig und noch dazu gibt es die vier großen Stile. Bei unserem, dem Wadō-Ryū, muss man nicht stärker sein als der andere: auch wenn man kleiner und schwächer ist, kann man erfolgreich sein. Im Shōtōkan geht es Kraft gegen Kraft, da ist man am besten groß und stark.
 
Welche Ziele haben Sie für die Zukunft? Wollen Sie auch auf lange Sicht Karate machen?
 
Karate will ich auf jeden Fall, auch mit Wettkämpfen, weiter machen. Jetzt bin ich Weltmeister geworden, aber das heißt nicht, dass es für mich zu Ende ist: Am Sonntag (gemeint ist der heutige, Anm. d. Red.) habe ich schon den nächsten Wettkampf. Dann heißt es weiterarbeiten. Auf dem Plan steht auch, wenn ich volljährig werde die Trainerprüfung abzulegen, damit ich selbst einige Trainings abhalten kann.
 
 
Wie war Ihre Tätigkeit während der Pandemie geregelt? Karate ist ein Vollkontaktsport.
 
Wir hatten das Glück, dass Florian Fischnaller, mein Vater und ich, sowie mein Bruder, der mittlerweile studiert, als Athleten von nationalem Interesse eingestuft waren. Deswegen durften wir, bei den Teil-Lockdowns, als andere das nicht durften, trainieren. Das war natürlich ein großer Vorteil, durch den wir nicht so große Einschränkungen hatten. Natürlich waren wir immer unter uns, aber wir durften regulär trainieren. Immer mit Tests und auch vor den Wettkämpfen wird jedes mal getestet. Ich persönlich habe während Corona den größten Schritt gemacht. Karate-technisch habe ich da den größten Sprung nach vorne gemacht.
 
Weil wir Zeit hatten, Zeit zu trainieren. Die Wettkämpfe sind in dieser Zeit logischerweise ausgefallen, da konnte man das Training ganz anders aufbauen.
 
Woran lag das, aus Ihrer Sicht?
 
Weil wir Zeit hatten, Zeit zu trainieren. Die Wettkämpfe sind in dieser Zeit logischerweise ausgefallen, da konnte man das Training ganz anders aufbauen. Sonst hat man über das Jahr verteilt erst da einen Wettkampf, dann zwei Wochen später dort einen, dann wieder wo anders einen und in der Woche darauf ein Trainingslager… Da muss man darauf achten, über lange Zeit in Hochform zu bleiben. Wenn man längere Zeit nichts hat, dann kann man Techniken und neue Taktiken lernen, oder ganz grundlegende Dinge noch einmal vertiefen, neu machen.
 
Abschließend: Wem würden Sie Karate empfehlen? Wem vielleicht nicht?
 
Ich finde Karate ist, gerade in Südtirol, sehr stark unterbewertet und nicht so bekannt wie etwa Fußball oder Tennis. Für mich ist Karate wirklich für jeden etwas. Viele kennen es eben nicht und trauen sich deswegen nicht, einmal zu einer Stunde zu kommen und es zu probieren. Würden Sie diesen Schritt machen, dann würden sie feststellen, dass auch für sie etwas dabei ist. In unserer Halle gibt es Kinder und auch vergleichsweise Ältere. Dabei muss jeder für sich entscheiden, warum er es macht; für die Wettkämpfe, um einen Ausgleich zu Schule oder Beruf zu haben, oder macht man es als Kampfkunst, um etwas für die Selbstverteidigung mitzunehmen. Ich würde zu niemandem sagen: Karate ist für dich nichts.