Wirtschaft | Energiekrise

Dezentrale Wende?

Tag der Energie im NOI Techpark: Noch 70 Prozent des Südtiroler Gebäudebestands müssen saniert werden. Und mit den Erneuerbaren braucht es ein dezentrales Stromnetz.
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Foto: Peter Kasal
Beim Tag der Energie im NOI Techpark in Bozen (5. April) waren die wohl wichtigsten Themen Energieeffizienz, Photovoltaik und Energiegemeinschaften. Zahlreiche Interessierte waren der Einladung der Provinz, der KlimaHaus Agentur, des Südtiroler Gemeindeverbandes und des nationalen Verbandes der Kondominiumverwalter (ANACI) gefolgt.
Es steigt der Wert der Immobilie, die Energiekosten können bis zu zwei Drittel gesenkt werden und auch das Raumklima und der Wohnkomfort verbessern sich.
Für Emilio Sani, Mailänder Anwalt im Studio Legale Sani Zangrando und Experte im Energierecht, sei es nun die Herausforderung, die Infrastruktur für ein dezentrales Stromnetz aufzubauen, das sich aus (volatilen) erneuerbaren Energien speist. „Dafür braucht es Anreize für Bürger*innen und Unternehmen, um den lokal produzierten Strom dann zu verbrauchen, wann er produziert wird.“ Denn es sei ineffizient, diesen mit Unterbrechungen vor Ort produzierten Strom ins nationale Stromnetz einzuspeisen. Deshalb trage die Gesetzgebung eine wichtige Verantwortung, um die richtigen Rahmenbedingungen, etwa bei der Förderung von Energiegemeinschaften, zu setzen und die Anpassung der Infrastrukturen zu planen.
 
 
Energiefragen werden derzeit auch außerhalb der gestern stattgefundenen Fachtagung stark diskutiert. In Zeiten der Energiekrise sind die im letzten Dezember von der Landesregierung genehmigten Energieförderungen sehr gefragt: Bereits im vergangenen Monat März wurde mit 900 Anfragen ein Vielfaches der Anträge im Vorjahreszeitraum eingereicht, teilt die Direktorin des Amtes für Energie und Klimaschutz Petra Seppi mit. Das Hauptaugenmerk liege dabei weiterhin auf der Gebäudesanierung, da noch rund 70 Prozent des Gebäudebestandes in Südtirol energetisch zu sanieren sind.
 

Die Förderungen des Landes

 
„Eine energetische Sanierung bringt, wie bereits bekannt, Vorteile mit sich. Es steigt der Wert der Immobilie, die Energiekosten können bis zu zwei Drittel gesenkt werden und auch das Raumklima und der Wohnkomfort verbessern sich“, sagt Seppi. Für die energetische Sanierung werden bereits beheizte Gebäude, die mit einer Baukonzession vor 12. Jänner 2005 errichtet wurden, bezuschusst. Nach Abschluss der Maßnahme muss mindestens die Zertifizierung KlimaHaus B, C oder R erreicht werden. „Die Höhe der Beiträge ist an die Energieklasse gekoppelt. Je effizienter ein Gebäude saniert wird, umso höher ist dann der Beitrag“, erklärt Seppi.
 
 
Insbesondere Kondominien (ab fünf beheizten Baueinheiten und fünf Eigentümern) werden mit 80 Prozent der zulässigen Kosten verstärkt gefördert. Bei den baulichen Maßnahmen zählen die Wärmedämmung des Dachs (inklusive Begrünung) und der Außenmauern, die kontrollierte Lüftung und der hydraulische Abgleich als förderwürdig. Bei Kondominien werden auch Photovoltaik-Gemeinschaftsanlagen bezuschusst.
Außerdem unterstützt das Land bei der Optimierung bestehender Straßenbeleuchtung, bei Windkraft- und Photovoltaikanlagen sowie deren Speicherbatterien, elektrischen Wärmepumpen, thermischen Solaranlagen sowie auch bei der Kompostwärme. Auch für Unternehmen gibt es Beiträge für dieselben Baumaßnahmen mit Fördersätzen, die der EU-Verordnung Nr. 651 / 2014 entsprechen. Außerdem dürfen geförderte Gebäude oder Baueinheiten für fünf Jahre nicht verkauft bzw. darf die wirtschaftliche Tätigkeit nicht eingestellt werden.
In den vergangenen fünf Jahren wurden in Südtirol 3.600 Anträge bearbeitet und mehr als 56 Millionen Euro an Energieförderung ausbezahlt. Für das heurige Jahr können noch bis zum 31. Mai und vor Beginn der Arbeiten Anträge zur Energieförderung eingereicht werden, für die Fernwärme gilt die Frist bis zum 30. Juni. Im vergangenen Monat März war der Großteil der 900 Förderanträge zu Photovoltaik (56 %). Es folgen Speicherbatterien (20 %), Solaranlagen (9 %), Wärmepumpen mit Photovoltaik (6 %), die Gebäudesanierung (5 %) und andere (4 %).
 

Geteilte Eigenproduktion von Strom

 
Auch die Energiegemeinschaften sorgen gerade für viel Gesprächsstoff: Ins Rollen gebracht hat das Thema die EU mit der 2018 verabschiedeten Erneuerbare-Energie-Richtlinie. Darin wurden alle Mitgliedsländer aufgefordert, Gesetze dafür zu erlassen. In Italien gibt es derzeit noch rechtliche Unklarheiten diesbezüglich.
 
 
Die technischen Regeln zu den Energiegemeinschaften müssen von der GSE (Gestore dei Servizi Energetici) noch veröffentlicht werden. Das betrifft etwa die Berechnungskriterien und die Modalität zur Datenübertragung. Außerdem wird ein neues Ministerialdekret zur Festlegung der Förderkriterien für Anlagen mit einer Leistung von bis zu einem Megawatt erwartet. Das betrifft dann nicht nur Energiegemeinschaften, sondern auch Gruppen von gemeinsam handelnden Eigenverbrauchern und individuelle Eigenverbraucher, wenn sie erneuerbare Energien produzieren bzw. nutzen.
Aber gerade jetzt bei der Energiefrage können wir uns nicht nur hinter der Schönheit verstecken und in Schönheit untergehen, wie man auch sagt.
Zudem sollen weitere Ministerialdekrete die Förderung von individuellen Eigenverbrauchern von erneuerbarer Energie festlegen. Das betrifft dann sowohl die Nutzung aus der Ferne mit virtueller Messung als auch mit direkter Stromleitung von bis zu zehn Kilometern zwischen Produktionsanlage und Verbrauchspunkt. „Bestes Beispiel für einen Eigenverbraucher ist ein Unternehmen mit mehreren Filialen“, erklärt Stephanie Maffei vom Energieverband Südtirol (SEV).
Auch der nationale Wiederaufbaufonds PNRR hält Gelder für erneuerbare Energien bereit: Für Gemeinden mit unter 5.000 Einwohner*innen sind 2,2 Milliarden Euro zur Realisierung von Energiegemeinschaften vorgesehen, mit Kapitalzuschüssen von bis zu 40 Prozent der Investitionskosten.
 
 
Wie Barbara Passarella vom Raiffeisenverband Südtirol betont, können auch bereits existierende Genossenschaften eine Energiegemeinschaft gründen: „Dafür ist nur eine Statutenänderung notwendig. Außerdem darf die Energiegemeinschaft nicht zur Haupttätigkeit der Genossenschaft werden und es muss auch Nicht-Genossenschaftsmitgliedern freistehen, der Energiegemeinschaft beizutreten.“
 

Potentialanalyse Photovoltaik

 
Derzeit hat Südtirol eine installierte Photovoltaik-Leistung von 260 Megawatt, laut dem Klimaplan des Landes soll diese bis 2030 um 400 Megawatt und bis 2037 um weitere 400 Megawatt ausgebaut werden. Zum Vergleich hat das Kraftwerkssystem Ulten eine installierte Leistung von 250 Megawatt, erklärt der Direktor des Amtes für Landschaftsplanung Peter Kasal. Das ist fast so viel wie die installierte Leistung der gesamten Solaranlagen Südtirols.
Ideale Bedingungen für Photovoltaik würde hierzulande ein nach Süden ausgerichtetes und geneigtes Gelände mit flächendeckenden Solarpaneelen bieten, dann kann eine installierte Leistung von zwei Megawatt pro Hektar erreicht werden. Ist das nach Süden ausgerichtete Gelände flach, verringert sich die Leistung um die Hälfte. Mit Agri-Photovoltaik sei laut Kasal nur mehr mit einer installierten Leistung von 0,5 Megawatt pro Hektar zu rechnen.
Außerdem sei die jährliche Energieausbeute bei der Solarenergie weniger groß wie bei der Wasserkraft: Ein Megawatt installierte Leistung einer Solaranlage entsprechen 1.000 Megawattstunden im Jahr, hingegen sind es bei einem Megawatt installierte Leistung einer Wasserkraftanlage ganze 3.500 Megawattstunden pro Jahr. Schließlich kann mit Photovoltaik nur Strom produziert werden, wenn auch die Sonne scheint. Wasserkraft ist wetterunabhängiger, wobei Trockenzeiten zu Engpässen führen können.
 
 
Laut einer Studie des Amtes für Landschaftsplanung stellen vor allem Autoabstellplätze, die meist im Eigentum der öffentlichen Hand sind, ein großes Potential für Photovoltaik dar. Auf einer nicht zusammenhängenden Fläche von über 575 Hektar – das sind über 2.950 Standorte im Land – könnten Solarpaneele installiert werden.
Laut dem im Jänner 2023 abgeänderten Dekrets des Landeshauptmannes (8. April 2020 / Nr. 13) zur Regelung von Photovoltaik kann in Gebieten für öffentliche Einrichtungen die Anbringung von Solarpaneelen und Sonnenkollektoren auch auf Freiflächen erfolgen. Zudem können diese ohne Genehmigung oder Meldung an Gebäuden auf Dächern, Fassaden und Balkonen angebracht werden, wenn sich die Gebäude in Bauzonen, ausgenommen historischen Ortskerne, befinden. Bei Gebäuden auf Flächen mit landschaftlicher Bindung (etwa Weide-, Landwirtschaftsgebiet oder Wald) oder unter Ensembleschutz kann Photovoltaik nur auf dem Dach eines Gebäudes ohne Genehmigung installiert werden.
In historischen Ortskernen braucht es ein positives Gutachten der Gemeindekommission für Landschaft. Auch für denkmalgeschützte Gebäude sowie Gebäude mit besonderer landschaftlicher Bindung und entlang der Flächen für Verkehr ist eine Genehmigung notwendig. Die genauen Richtlinien des Landes sind in dieser Broschüre zusammengefasst.
Peter Kasal vom Amt für Landschaftsplanung sieht in den Photovoltaik-Anlagen für Südtirol ein großes Potential, auch wenn sie optisch zu Veränderungen führen: „Die Landschaft wird sich verändern. Das hat sie immer getan und das wird sie auch weiterhin tun. Aber gerade jetzt bei der Energiefrage können wir uns nicht nur hinter der Schönheit verstecken und in Schönheit untergehen, wie man auch sagt. Deshalb sollten wir uns diesen Anforderungen stellen und neue Sehgewohnheiten akzeptieren.“
 
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Salto User
Manfred Gasser Do., 06.04.2023 - 18:59

Das wäre für unser 50 Jahre altes Haus eine Investition von ungefähr 100 bis 120.000€. Wie soll das gehen mit einem Familieneinkommen von unter 30.000€?

Do., 06.04.2023 - 18:59 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Do., 06.04.2023 - 19:56

Fragt sich, wie viel der Staat bzw. das Land dazugibt; wie viel macht das im Netto aus. Aber Sie haben Recht, Politiker scheinen immer von ihren "Diäten" auszugehen - dann sich nach den Wahlen wundern.

Do., 06.04.2023 - 19:56 Permalink