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Ist das noch Satire?

Der Gewinner des diesjährigen Oscars für das beste adaptierte Drehbuch ist hierzulande etwas untergegangen. Doch es lohnt sich, „American Fiction“ anzusehen.
American Fiction
Foto: Amazon
  • Monk ist Schriftsteller und er hat es satt. Als Autor hat er kaum Erfolg, anders als einige seiner Kolleg*innen, die das afroamerikanische Leben in ihren Romanen voller Klischees porträtieren. Da ist der schwarze Mann bzw. die Frau rau und grob und flucht viel, lebt im Ghetto und hat Probleme mit der Polizei. Slang-Sprache muss sein, anders kann ein schwarzes Leben in den USA nicht dargestellt werden. So scheint es zumindest.

    Monk hingegen schreibt vom wahren Leben. Er verzichtet auf Übertreibungen und Klischees, zeigt auf, dass Schwarze genauso gewöhnliche Leben haben wie Weiße. Dass das Klischee aber großen Erfolg hat und beim vornehmlich weißen Publikum gut ankommt, ärgert ihn. Aus Jux beginnt er eine ähnlich klischeehafte Geschichte zu schreiben. Es ist der Start einer Reise, die in Cord Jeffersons Regie-Debüt satirisch überspitzt dargestellt wird, aber ihre Wurzeln doch fest in der Realität verankert hat.

  • Den Markt bedienen

    Als sein neues Buch, das von Monk nie zur Veröffentlichung gedacht war, plötzlich bei einem großen Verlag unter Vertrag genommen, gedruckt und veröffentlicht und von allen Seiten gefeiert wird, stürzt Monk in eine Sinnkrise. Er hatte nie vor, den Markt mit den Geschichten zu versorgen, die der Markt möchte. Er wollte eigentlich dagegen ankämpfen, vom echten Leben erzählen. Noch dazu geht es in seiner Familie drunter und drüber. Es ist das zweite Drama, das sich in American Fiction abspielt. Hier fehlen Monk die Worte, die er als Autor so kreativ einsetzt. Von der Satire ist in der Familie aber nicht viel zu spüren. Genau hier zeigt der Film das schwarze Leben, von dem in den Büchern nichts zu lesen ist. Selbst schwarze Autor*innen nähren das Klischee des Ghetto-Schwarzen. Gleich zu Anfang des Films provoziert Monk seine Student*innen an der Uni mit dem Wort N****r. Vor allem die jungen, progressiven Weißen unter ihnen sind entsetzt. Das Wort wäre ja verletzend. Gleichzeitig verlangen dieselben Weißen nach dem Klischee, nur um sich bestätigt zu wissen und sich scheinbar auf die Seite der Schwarzen zu schlagen. Weil man ihnen zuhört, ihnen eine Bühne gibt.

  • Wirklich satirisch?

    Ja, die Weißen fühlen sich wohl darin, den Schwarzen eine Stimme zu geben. Da wäre aktuell ja so nötig. Und wie man sich American Fiction ansieht, entsteht immer mehr der Eindruck, dass das Gezeigte ja gar nicht so satirisch ist. Dass sehr viel Wahres an dem dran ist, was Monk da erlebt. Wer den Film als bloße Satire abtut, leugnet den Umstand, dass schwarze Identität in einer von weißen Leben dominierten Gesellschaft, so wie es sie in den USA und auch hierzulande gibt, noch immer als exotisch gilt. Fast so, als blicke man fasziniert auf die Schicksale jener, die unter ärmlichen Umständen im Ghetto aufwachsen. Von der Normalität will man nichts wissen. Monk versucht, diese Normalität darzustellen, ehe er feststellen muss: Das Klischee verkauft sich gut und macht ihn reich. Wie sehr steht man da zu den eigenen Werten? Wie sehr wird man sie hinterfragen? Wie weit geht man, sie aufrechtzuerhalten. Und welches Ende möchte das Publikum sehen? 

    American Fiction ist ein sehr sehenswerter Film mit einem großartigen Jeffrey Wright in der Hauptrolle. Der Film ist sich zudem seiner eigenen Rolle bewusst. Immerhin spielte er bei den diesjährigen Oscars eine Rolle. Einem Filmpreis, der von Weißen dominiert wird. Die auch vorgeben, das Ziel zu verfolgen, für mehr Repräsentanz schwarzer Geschichten zu sorgen. Irgendwie schließt sich der Kreis mit dem Oscarsieg für das beste Drehbuch. Der Preis ist verdient, dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack. Die Academy wird sich auf die Schulter klopfen und sich rühmen, damit etwas Gutes bewirkt zu haben. Ob ihre Mitglieder wirklich daran interessiert sind, zuzuhören, steht auf einem anderen Blatt.

  • (c) MGM