Politik | Wahlen/Elezioni 23

„Die Welt geht morgen nicht unter!“

Der Landtag ist der falsche Ort für Scherzpolitik, sagt Robert Alexander Steger. Der SVP-Landtagskandidat scheut dabei weder die Auseinandersetzung mit Polemikern noch mit „Öko-Lobbys“.
Steger, Robert Alexander
Foto: Privat
  • SALTO: Herr Steger, Sie werben mit dem Slogan „Ich stehe für einen Neustart mit einem frischen Edelweiß“. Was heißt das konkret?

    Robert Alexander Steger: In den vergangenen Jahren hat die SVP sicher nicht das beste Bild abgegeben. Auch aufgrund der verschiedenen Richtungsstreitigkeiten – die hat es zwar immer gegeben –, aber wir müssen wieder zu unseren Wurzeln zurückfinden und uns auf unsere Grundwerte besinnen. Die Südtiroler Volkspartei hat seit jeher den Vertretungsanspruch für die deutsche und ladinische Minderheit im Land, und das müssen wir den Leuten wieder klar machen. In der SVP müssen alle Meinungen Platz haben und vor allem muss die Konsens-Kultur wieder aufleben. Ich spreche damit nicht irgendwelche in den Medien aufgebauschten Einzelthemen an, sondern grundsätzliche Richtungsstreitigkeiten zwischen den verschiedeneren Flügeln innerhalb der SVP. Wir müssen über solchen Auseinandersetzungen stehen, und ich bin der Meinung, dass neue und frische Kandidaten eingefahrene Muster aufbrechen und die Partei wieder zusammenführen könnten. 

    In den vergangenen Jahren hat es also keinen Konsens zwischen den verschiedenen Interessensvertretern innerhalb der Partei gegeben?

    Zu wenig. Meiner Erfahrung nach, sollte über manche Themen länger diskutiert werden, als Entscheidungen schnell durchzudrücken. In dieser Hinsicht haben wir sicher Verbesserungsbedarf.

     

  • SVP-Kandidat Robert Alexander Steger: „Die weltbeste Autonomie – das war einmal.“ Foto: Privat

    Können Sie dazu ein konkretes Beispiel nennen?

    Die Urbanistik – und hier wird mir die Mehrheit der Südtiroler Bürgermeister zustimmen. Allerdings muss man hier ein wenig weiter ausholen, und zwar hängen die Probleme, die im Zusammenhang mit dem Gesetz für Raum und Landschaft stehen, unmittelbar mit den verlorenen Autonomie-Kompetenzen zusammen. Die weltbeste Autonomie – das war einmal. Heute ist das nicht mehr so, und wir müssen darum kämpfen, die Zuständigkeiten, die wir aufgrund der Verfassungsreform verloren haben, wieder zurück zu bekommen. Die staatlichen Bestimmungen greifen stark in das Urbanistik-Gesetz ein und als es im Juli 2020 in Kraft getreten ist, haben die entsprechenden Durchführungsbestimmungen gefehlt. Mittlerweile sind viele erlassen worden, nur müssen viele Bürger und Bürgerinnen sowie Gemeindeverwaltungen erleben, dass die Abläufe übertrieben bürokratisch sind, weil wir eben unsere Zuständigkeiten verloren haben. Beispiel hierfür sind die vereinheitlichten Datenbanken, was gewiss auch seinen Sinn haben mag, wenn man bedenkt, dass man nicht mehr in die Gemeinde gehen muss, um sich eine Wohnsitzbescheinigung ausdrucken zu lassen, sondern dies von zuhause aus erledigen kann. Das Problem dabei ist, dass diese Portale nur einsprachig auf Italienisch sind. Insofern ist die Wiederherstellung der Autonomie das Thema Nummer eins für mich, denn es gibt gleich mehrerer solcher Baustellen.


     

  • Sie sind Bürgermeister von Prettau, der nördlichsten Gemeinde Südtirols. Insbesondere die peripheren Gebiete haben mit einigen Nachteilen wie Abwanderung zu kämpfen

    Ab und zu hat es seine Vorteile, etwas abseits zu liegen, insbesondere wenn man an die Verkehrsüberlastung denkt. Andererseits kenne ich dadurch auch die Probleme der Peripherie und ich weiß, was es heißt, wenn in einer Gemeinde kein Geschäft mehr betrieben wird und kein Gasthaus mehr offen hat. Die große Leistung Südtirols bestand seit jeher darin, dass man versucht hat, den ländlichen Raum lebendig zu halten. Natürlich wäre es effizienter, wenn der Großteil der Bevölkerung in den Ballungsräumen leben würde, andererseits wäre das aber auch höchst kontraproduktiv. Um den ländlichen Raum auch weiterhin zu erhalten, braucht es meiner Ansicht nach nicht so sehr eine finanzielle Unterstützung als vielmehr eine moralische. Obwohl natürlich die entsprechenden Infrastrukturen, wie eben Nahversorgung, Kindergärten, Schulen oder Sporteinrichtungen grundlegend für die Lebensqualität sind. 

  •  „Ziel sollte schließlich sein, dass man mit dem Auto voran kommt und nicht ständig im Stau steht.“

  • Die Kehrseite der Erschließung ist allerdings das hohe Verkehrsaufkommen –  gerade im Pustertal ein viel diskutiertes Problem angesichts der großen Infrastrukturprojekte.

    Ich möchte an dieser Stelle Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder zitieren, der ebenfalls aus dem Pustertal stammt, und der sinngemäß gesagt hat, dass es ein großer Fehler war, die Schnellstraße durch das Pustertal nach dem Mebo-Modell nicht zu bauen. Bereits in den 80er Jahren wurde eine Studie in Auftrag gegeben, aus der hervorging, dass die bestehende Verbindung –  inklusive der Umfahrungen –  nicht ausreichen würde, um das Verkehrsaufkommen zu bewältigen. Natürlich sind wir als Vertreter des Pustertales für einen möglichst verträglichen und nachhaltigen Ausbau der Straßeninfrastruktur, gleichzeitig bin ich aber der Meinung, dass Generationen von Gemeindeverwaltungen, die Projekte wie die Umfahrung von Kiens oder Percha vorangebracht haben, diese auch umsetzen können. Ziel sollte schließlich sein, dass man mit dem Auto voran kommt und nicht ständig im Stau steht. Wir sind für verträgliche Lösungen – aber es müssen halt Lösungen sein. Nicht nachvollziehen kann ich deshalb Aussendungen wie beispielsweise jene des Heimatpflegevereins, der mit selbst erstellten Renderings kommuniziert, dass hier Landschaftsverschandelung betrieben wird. Wir als Bezirksgemeinschaft stehen hinter den derzeitigen Bauprojekten und werden diese auch weiterhin vertreten. 

  • Robert Alexander Steger: „Ob wir wollen oder nicht, der Klimawandel wird sich einstellen. Natürlich müssen wir unseren Beitrag leisten und die Emissionen verringern. Unser Hauptaugenmerk sollte allerdings auf die Anpassung gerichtet sein. Daher lege ich mich auch gerne mit den Öko-Lobbys an, anstatt irgendwelchen Populismus zu betreiben.“ Foto: Privat

    Apropos Heimatpflegeverband. Sie haben wenig Scheu, sich mit den, wie Sie sie nennen, Öko-Lobbys anzulegen siehe Beispiel Lahner-Alm, obwohl laut eines Berichts der Tageszeitung Dolomiten zur Wahlkampf-Veranstaltung in Brixen die Hauptsorge der Südtiroler derzeit der Klimawandel ist. Ist es als Landtagskandidat opportun, sich wider den Zeitgeist zu stellen?

    Das hat nun nichts mit meiner politischen Einstellung zu tun, sondern ich denke hier mit meinem Hausverstand. Wenn wir die Lebensqualität in unseren Dörfern erhalten wollen, zu der auch die Landwirtschaft gehört und wir einen mustergültigen Bauern haben, der die Lahner-Alm weiterhin bewirtschaften möchte, dann werde ich mich dafür einsetzen, dass er die dafür notwendige Erschließungs-Straße bekommt. Ich habe keine Angst vor irgendwelchen Öko-Lobbyisten und grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Angst in der Politik ein schlechter Ratgeber ist. Natürlich haben auch wir ein Interesse daran, auf den Klimawandel zu reagieren und die Pustertaler Gemeinden arbeiten bereits an der Umsetzung der Klimapläne. Allerdings kann ich mit den Ansichten der Klimakleber und Gruppierungen wie Fridays for Future nicht viel anfangen, die glauben, dass morgen die Welt untergeht. Ich kann zu hundert Prozent garantieren, dass die Welt morgen nicht untergeht. Es stimmt absolut, dass wir in bestimmten Bereichen Probleme bekommen werden und deshalb müssen wir Maßnahmen ergreifen, um uns an den Klimawandel anzupassen. Es wird immer so getan, als könnte Südtirol die Welt retten, dabei hat China einen größeren CO2-Austoß als die gesamte Europäische Union und darf laut Pariser Klimaabkommen als Entwicklungsland sogar noch weitere Kohlekraftwerke bauen. Ob wir wollen oder nicht, der Klimawandel wird sich einstellen. Natürlich müssen wir unseren Beitrag leisten und die Emissionen verringern. Unser Hauptaugenmerk sollte allerdings auf die Anpassung gerichtet sein. Daher lege ich mich auch gerne mit den Öko-Lobbys an, anstatt irgendwelchen Populismus zu betreiben. 

  • Als Bürgermeister einer 550-Seelen-Gemeinde und Bezirkspräsident des Pustertales – wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, in den Landtag einzuziehen?

    Gering. Ich sehe das auch sehr sportlich, und mir geht es um die Sache bzw. um die angesprochenen Themen und nicht um einen Landtagssitz. Natürlich hoffe ich darauf, dass ich gewählt werde. 

    Das Pustertal zählt zu den bevölkerungsreichsten Bezirken. Sie sollten doch eigentlich auf einen starken Rückhalt zählen können?

    Ich kann tatsächlich auf sehr viel Rückhalt im Pustertal zählen und viele Einwohner des Bezirkes kennen mich als jemanden, der mit Hausverstand, aber auch mit viel Detailkenntnis zur Sache geht. Allerdings benötigte man bei der letzten Wahl als SVP-Kandidat an die 7.000 Vorzugsstimmen, um in den Landtag einzuziehen. Nachdem der Bezirk Pustertal nicht weniger als neun SVP-Kandidaten stellt, ist die Konkurrenz im Vergleich zum Burggrafenamt, wo sich fünf Kandidaten der Wahl stellen, oder Bozen natürlich groß. Dementsprechend verteilen sich im Pustertal die Vorzugsstimmen auf die einzelnen Kandidaten und jene, die landesweit bekannt sind, haben natürlich auch die größeren Chancen. 

     

  • „Wenn die SVP bei der nächsten Regierungsbildung mit zwei oder sogar drei Parteien eine Koalition eingehen muss, dann haben wir bundesdeutsche Verhältnisse, wo Regierungsprogramme nur mehr den kleinsten gemeinsamen Nenner widerspiegeln.“

  • Grundsätzlich geht es aber nicht um die Partei und die Streitereien der vergangenen Jahre, sondern um Südtirol. Wenn die SVP bei der nächsten Regierungsbildung mit zwei oder sogar drei Parteien eine Koalition eingehen muss, dann haben wir bundesdeutsche Verhältnisse, wo Regierungsprogramme nur mehr den kleinsten gemeinsamen Nenner widerspiegeln. In Südtirol ist die Sachlage dann noch um einiges komplizierter, weil die SVP den Vertretungsanspruch für die deutsche und ladinische Minderheit hat, und wenn diese nicht mehr zusammenhalten, besteht die Gefahr, von den gesamtstaatlichen Regelungen überrollt zu werden.

    Selten gab es bei einer Landtagswahl so viele polarisierenden und polemischen Stimmen. Eine Gefahr für die Demokratie?

    Es hat immer einen bestimmten Prozentsatz an Wählern gegeben, die sich den polarisierenderen Parteien zugewandt haben. Nach meinem Dafürhalten sind es zwischen drei und fünf Prozent, bei dieser Wahl vielleicht sogar etwas mehr. Ein Problem besteht darin, dass man diesen Leuten eine Bühne gibt, wenn man sich zu sehr mit den teilweise irrationalen Aussagen beschäftigt. Deshalb wäre es meiner Ansicht nach das Beste, sie einfach zu ignorieren. Wenn Argumente da sind, mit denen man sich auseinandersetzen kann, dann ist es legitim, dass diese auf politischer Ebene diskutiert werden. Wenn Jürgen Wirth Anderlan allerdings meint, dass die Hälfte der Landesgesetze abgeschafft gehört und er mir auf meine Frage, welche Gesetze man denn abschaffen sollte, erklärt, dass er sich in der Gesetzgebung nicht auskennt, dann ist für mich die Diskussion beendet. Solche populistischen Strömungen gehören für mich in die Abteilung Scherzpolitik. Ich hoffe zwar, dass der Anteil der Südtiroler Bevölkerung, der empfänglich für diese Parolen ist, relativ klein ist, allerdings ist wohl davon auszugehen, dass Wirth Anderlan in den Landtag einziehen wird – was meiner Meinung nach eine Katastrophe wäre. Bereits die etablierten Oppositions-Parteien verfügen über eine Sachkenntnis, die  erschreckend gering ist – verfolgt man die Debatten im Landtag. Ich erwarte mir von den Abgeordneten, dass sie sich eingehend mit den zu behandelnden Themen auseinandersetzen und ich muss – leider – erleben, dass die Detail-Kenntnis gleich Null ist. Und nun wollen auch noch Spaß-Politiker in den Landtag einziehen, die gleich von vorneweg erklären, dass sie das alles nicht im geringsten interessiert. Das ist bedenklich – vor allem für das Land Südtirol.

     

Bild
Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler Sa., 07.10.2023 - 22:16

Kompliment an Astrid Tötsch für die gezielt guten Frage und Fragestellungen.
Komplettes Gegenteil leider für Herrn Robert Alexander Steger. Widersprüchlicher kann nicht geantwortet werden. Jede Antwort lässt sich zerlegen wie feinstes Fischfilet.
Kleines Beispiel? "Bereits die etablierten Oppositions-Parteien verfügen über eine Sachkenntnis, die erschreckend gering ist" ... das gilt auch für die Regierung-Parteien, die ja für vorher Kritisiertes (Urbanistik) verantwortlich ist.
Und als Zusatz, Herr Steger; Das Urbanistikgesetz (ist echt nicht der Hammer Frau Kuenzer) wurde nicht für 116 Bürgermeister geschrieben, sondern wie alle Gesetze für die Allgemeinheit.

Sa., 07.10.2023 - 22:16 Permalink
Bild
Profil für Benutzer △rtim post
△rtim post So., 08.10.2023 - 14:32

Wenn die SVP verschwindet, geht die Welt auch nicht unter. Demokratie lebt von Machtwechsel.
Bedenklicher wäre es wohl, wenn es nach zehn Jahren Kompatscher-Achhammer-Modus anders wäre. Dass die Wählerschaft nun nach Alternativen sucht, hat wohl Gründe und zeichnet sie vielmehr als vernunftbegabt aus.
Was es 2023 bräuchte, ist eigentlich die den SVP-Wählern und Wählerinnen 2013 von LH Kompatscher und OM Achammer versprochene neue SVP und Politik bzw. sonst eine Liste, die für die Mitte der dt./lad. Bevölkerung ein wählbares Angebot darstellt.
Es fehlt an politischen Entscheidungen, die sich an einem Gesamtkonzept orientieren und ein schlüssiges Ganzes ergeben. Entschieden wird kurzfristig nach Taktik, Interessensgruppen.
Die Konsequenzen bestimmen heute unsere politische Kultur: Wer kein Konzept und keine Kompetenz mehr besitzt, verliert seine Legitimation. Daran vermag auch nicht Ankündigungs- und Schaufensterpolitik eines Arno Kompatschers etwas zu ändern.
Die Krise in der Politik hat auch mit Glaubwürdigkeit und mit Zutrauen zu tun. Denn was kann man nach zehn Jahren Politik der Neuen Beliebigkeit, der Ankündigungen, des Politikrückzugs des LH Kompatschers für 2023, (noch) glauben?
Die national-rechtsextremen Brüder Italiens, die der LH Kompatscher noch 2022 als Gefahr für ganz Italien und Südtirol bezeichnete, sind trotz bisheriger rechten Brandmauer heute nicht nur normalisiert, sondern sogar anschluss- und koalitionsfähig. Nur, weil kurzfristige Macht- und Lobbyinteressen offenbar wichtiger als Gefahren- und Schadensabwehr sind.
Das alles ist doch längst nicht mehr vermittelbar. Wohl nicht mal mehr der eigenen, treuen Anhängerschaft, die an einer offenen Gesellschaft und Wertegemeinschaft einer aus dem Widerstand entstandenen Partei festhalten.

So., 08.10.2023 - 14:32 Permalink