Gesellschaft | Work-Life-Balance

Fünftagewoche war gestern

Immer mehr junge Menschen wollen keinen typischen Acht-Stunden-Job mehr, sondern wünschen sich mehr Freiheiten in- und außerhalb des Arbeitslebens.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: AFI IPL

Im Arbeitsleben begegnet man immer wieder dem englischen Begriff Work-Life-Balance, sprich die ideale Abstimmung zwischen Arbeitsalltag und Freizeit bzw. Familienzeit. Doch auch wenn die Definition des Begriffs Beständigkeit hat, durchlief der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren einen grundlegenden Wandel, in dem sich im Arbeitsalltag neue Prioritäten herauskristallisierten. 

Bürozeiten von acht Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags, mit einer kurzen Mittagspause zwischendrin, und das fünf Mal pro Woche: So oder so ähnlich sah das traditionelle Arbeitszeitmodell vor einigen Jahren noch aus. Während die Höhe des Monatsgehalts früher das wesentliche Selektionskriterium für einen neuen Job darstellte, fallen heute bei der Arbeitssuche Faktoren wie Arbeitszeitflexibilität, Homeoffice und Work-Life-Balance deutlich mehr ins Gewicht. Erstere liegt laut Umfragen des AFI-Frühlingsbarometers sogar in Führung: rund zwei Drittel der befragten ArbeitnehmerInnen (67%) sehen flexible Arbeitszeiten als essenzielle Zutat für das Erfolgsrezept „Work-Life-Balance“. Der traditionelle „Nine-to-five-Job“ gehört mittlerweile für viele, vor allem junge ArbeitnehmerInnen der Geschichte an. Frei einteilbare Arbeitszeiten geben einem Großteil der Beschäftigten ein Gefühl von Autonomie und reduzieren außerdem das Stresslevel in- und außerhalb des Arbeitsalltags. Das Kredo besteht heutzutage darin, dass eine flexibel wählbare Arbeitszeit nicht nur die Motivation, sondern auch die Zufriedenheit von ArbeitnehmerInnen signifikant steigern kann. 

An zweiter Stelle und als gleichermaßen wichtig werden die Reduzierung der Wochenarbeitszeit sowie die Möglichkeit zur beruflichen Weiterbildung angesehen. Diese Aspekte gehen zum Teil Hand in Hand, da man mit Hilfe von Weiterbildungsangeboten die persönliche Arbeitseffizienz signifikant steigern kann und somit weniger Wochenarbeitsstunden in Anspruch nehmen muss. Die Ausbildungsmöglichkeiten im Rahmen der Arbeit sollten dabei nicht nur junge Generationen ansprechen, sondern auch den alteingesessenen Angestellten einen neuen Anreiz zur persönlichen Weiterentwicklung bieten. Denn wie es so schön heißt: Man lernt nie aus.

 

Die aktuell viel diskutierte Viertagewoche stellt eine ebenfalls innovative und flexible Herangehensweise an neue Arbeitszeitmodelle dar. Im Rahmen eines Experiments in Island beschloss man die Arbeitszeit bei gleichbleibendem Gehalt von rund 3.000 Beschäftigten von 40 Wochenstunden auf 35 Stunden zu reduzieren und ihnen somit eine Viertagewoche anzubieten. In einem ersten Zwischenergebnis kamen die Forscher zum Ergebnis, dass sich das generelle Wohlbefinden der Studienteilnehmer aufgrund weniger Stresssituationen, mehr Zeit für die Familie und mehr Freiheiten bei der Freizeitgestaltung erheblich verbessert hatte. Vor allem Alleinerziehende hatten laut Angaben der Experten vom neuen Modell profitiert, da ihnen somit mehr Zeit für die Kinderbetreuung zur Verfügung stand. Während die Viertagewoche in Südtirol noch eine Ausnahme darstellt, beginnt das Wochenende für viele Angestellte bereits am Freitagnachmittag, 4,5-Tage-Woche sei Dank!  

Weitaus weniger vom eigenen Arbeitgeber gewünscht bzw. erwartet werden laut Angaben der AFI-Studie wirtschaftliche Vergünstigungen, beispielsweise in Form von Essensgutscheinen oder familienfreundliche Angebote wie eine innerbetriebliche Kinderbetreuung (was auch angesichts der kleinbetrieblichen Struktur Südtirols und den vielfach vorhandenen öffentlichen Kinderbetreuungsangeboten verständlich ist). Sogenannte Benefits werden zwar begrüßt, spielen bei der Jobsuche jedoch keine zentrale Rolle mehr, schließlich hat man angesichts einer verkürzten Arbeitszeit auch mehr Zeit mit der Familie sowie für sich selbst. Was zu beobachten ist, ist also eine generelle Priorisierung der eigenen Freizeit, während die Gehaltsfrage für bereits arbeitende Menschen vielfach nicht die erste Forderung an den Arbeitgeber zu sein scheint. Vor allem junge Angestellte haben für sich erkannt, dass ein prall gefülltes Portemonnaie nicht der universelle Aspekt für ein erfülltes Leben ist. 

In Sachen Homeoffice beobachten viele ArbeitnehmerInnen sowohl positive also auch negative Aspekte, sodass die Arbeit von zu Hause aus als zweischneidiges Schwert angesehen werden kann. Das Wegfallen von Pendlerzeiten stellt für beinahe 40 Prozent der Befragten den weitaus größten Vorteil für Berufspendler dar. Auch für die Familie und sonstige Freizeitaktivitäten bleibt hierbei mehr Zeit. Als großes Hindernis sehen jedoch viele Arbeitstätige die fehlenden sozialen Kontakte zu den eigenen Arbeitskollegen. Was in den Hochzeiten der Pandemie als kurzfristige Lösung eingesetzt worden ist, scheint mittlerweile vielen ArbeitnehmerInnen auf das Gemüt zu schlagen, wenn nicht Zwischenformen gefunden werden.

 

Auch eine flexible Arbeitszeit bietet sowohl Vor- als auch Nachteile, jedoch ist genau die Hoheit über die Einteilung der eigenen Zeit der größte Vorteil: jede und jeder kann die eigenen Arbeitszeiten so einteilen, wie er oder sie es für richtig hält und erlangt somit nicht nur zu mehr Freiheit außerhalb des Büroalltags, sondern primär im Büroalltag. Was manche nicht bedenken ist, dass der Flexibilitätsbegriff auch gegen die Interessen der Lohnabhängigen wirken kann. Das ist dann der Fall, wenn der Chef verlangt, dass die Sekretärin Überstunden macht, weil ein Auftrag noch grad hereingeflattert ist oder der Verkaufsleiter auf Abruf da sein muss. Unter Umständen auch am Wochenende. 

Ein Artikel der freien AFI-Mitarbeiterin Karin Inama