Umwelt | Energiewende

„Eine große Transformation“

In der EU hat der Anteil des Stroms aus erneuerbaren Quellen zugenommen. Was tut sich in Südtirol? Wie sieht es mit dem Ziel der Klimaneutralität bis 2040 aus? Ein Blick in die Zukunft.
Strommasten
Foto: Pixabay
  • Im Jahr 2021 deckte die Europäische Union etwa 38 Prozent ihres Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien. Ein Jahr später lag der Anteil bereits bei 41 Prozent (Quelle Eurostat). Laut einer Analyse von Ember Climate aus dem Jahr 2023 übertrifft die Windenergie in der EU erstmals die Stromproduktion aus Gas. Parallel dazu erlebt die Solarenergie einen großen Aufschwung.

  • Die Stromdaten der EU bis 2023: Foto: Annual electricity data, Ember

    In Südtirol ist der Anteil erneuerbarer Energien mit 69,2 Prozent bereits weit über dem italienweiten Durchschnitt. Das ambitionierte Ziel des "Klimaplans Südtirol 2040" sieht vor, diesen Anteil bis 2030 auf 75 Prozent und bis 2037 auf 85 Prozent zu steigern. Die Solarenergie spielt dabei eine Schlüsselrolle. „Der große Vorteil der Solarenergie liegt darin, dass Photovoltaikanlagen nahezu überall installiert werden können. Die Bandbreite reicht von kleinen Anlagen auf Einfamilienhausdächern bis hin zu groß angelegten Gigawattprojekten", erklärt Wolfram Sparber, Leiter des Instituts für erneuerbare Energie an der Eurac. „Zudem hat sich die Technologie weiterentwickelt, sodass selbst kleinere Flächen jetzt mehr Energie produzieren können. Wir haben zurzeit sicher kein Potenzialproblem.“ Auch die Nutzung öffentlicher Flächen für die Solarenergiegewinnung wird in Südtirol vorangetrieben. Die Inhouse-Gesellschaft Euregio Plus hat dazu einen Fonds eingerichtet.

  • Umstrittene Windkraft

    Während die EU verstärkt auf den Ausbau der Windenergie setzt, um ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern, wird die Thematik bei uns kontrovers diskutiert. Standorte wie die Seiser Alm oder der Schlern sind aufgrund ihrer touristischen Bedeutung nicht für Windkraftanlagen geeignet, so Sparber, aber es gäbe passende Standorte: „Der Brenner wäre eigentlich eine potenzielle Location, die in der Vergangenheit stark in Betracht gezogen wurde“, erklärt der Wissenschaftler. „Das Gebiet ist frei von großen Skigebieten oder Hotels, was es zu einem attraktiven Standort für Windkraftanlagen machen könnte.“ Das Projekt wurde jedoch bereits vor Jahren aus Umweltschutzgründen verworfen.

  • Leiter des Instituts für erneuerbare Energie an der Eurac: Foto: Wolfram Sparber
  • Grüne Mobilität

    Die Energiewende umfasst mehr als nur die Art und Weise, wie wir Strom erzeugen, sie betrifft auch, wie wir diesen Strom verwenden. Dabei spielt die Elektromobilität eine entscheidende Rolle. Nirgendwo zeigt sich dies deutlicher als in Norwegen, wo über 80 Prozent der neu verkauften Autos Elektroautos sind. Diese Entwicklung wird durch umfangreiche staatliche Anreize ermöglicht, die unter anderem durch Norwegens beträchtliche Einnahmen aus der Öl-und Gasindustrie finanziert werden. Zu diesen Anreizen zählen unter anderem eine Mehrwertsteuerbefreiung für Elektroautos und reduzierte Maut- und Parkgebühren.

  • Bis 2035 sollen in der EU keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden: Foto: Felix Müller auf Pixabay

    Ein ganz anderes Bild zeichnet sich in Italien ab – der Stiefelstaat hat eine der ältesten Autoflotten in ganz Europa. Während im EU-Durchschnitt 12,1 Prozent der Neufahrzeuge elektrisch betrieben werden, liegt der Anteil in Italien laut einer Studie der European Automobile Manufacturers’ Association bei 3,7 Prozent. „In Südtirol befindet sich die Elektromobilität im mittleren Bereich, besser als im restlichen Italien, aber immer noch weit hinter den skandinavischen Ländern“, erklärt Sparber. „Wir stehen hier erst am Anfang der Reise.“

    Die Elektromobilität steht vor einigen Herausforderungen, darunter die Unsicherheit bezüglich staatlicher Förderungen, begrenzte Reichweiten und unzureichend Ladestationen. Besonders die Batterien der Elektroautos stehen oft in der Kritik, insbesondere wegen Bedenken bezüglich ihrer Langlebigkeit und Entsorgung. Die Industrie ist jedoch aktiv dabei, Lösungen zu entwickeln, so Sparber: „Betrachtet man den Lebenszyklus von Elektrofahrzeugen, so beginnen und endet er mit der gleichen Menge an Materialien. Nachdem die Batterie ihre Dienste im Auto erfüllt hat, kann sie in stationären Systemen weiterhin genutzt werden, wie zum Beispiel das ‘Second Life’-Projekt im Fußballstadion in Amsterdam zeigt, wo Batterien zur Netzstabilisierung beitragen. Selbst nach dieser zweiten Nutzungsphase bleibt die Möglichkeit des Recyclings, bei dem die Rohstoffe zurückgewonnen und für neue Batterien oder andere Zwecke verwendet werden können. Im Vergleich dazu hat ein Verbrennungsmotor eine ähnliche Masse, verbrennt aber im Laufe seines Lebens mehrere Tonnen Erdöl.“

  • Die Uhr tickt

    In Südtirol sind die Sektoren Wärme, Industrie und Verkehr maßgeblich für den Ausstoß von Treibhausgasen aus fossilen Brennstoffen verantwortlich. Daher ist es entscheidend, in diesen Bereichen nachhaltige Lösungen zu finden und umzusetzen. Die Erreichung der Klimaneutralität bis 2040 ist ein ehrgeiziges Ziel, das jedoch möglich ist, betont Sparber. Eine große Transformation ist jedoch erforderlich, einschließlich des Wechsels zu emissionsfreien Fahrzeugen und der Anpassung der Heizsysteme. „Die Mobilitätswende erscheint mir einfacher als die Wärmewende, da die Elektromobilität bereits weiter fortgeschritten ist und viele Hersteller darauf setzen. Wir wechseln unsere Fahrzeuge relativ schnell, und es ist sehr wahrscheinlich, dass unser nächstes oder übernächstes Fahrzeug ein E-Auto sein wird. Bei LKWs ist der Wechsel zwar schwieriger, aber auch hier ist ein schneller Übergang möglich. Staat und Land können hierbei viel bewirken.“

     

    "Um unser Ziel zu erreichen, darf kein neuer Gaskessel mehr verkauft werden. Zudem muss die Politik Anreize schaffen, um den Austausch bestehender, noch funktionierender Gaskessel attraktiv zu machen.“

     

    Die Herausforderung liegt aber bei den Heizkesseln, erklärt der Experte. „Im Jahr 2022 wurden in Italien eine Million Gaskessel und 200.000 neue Wärmepumpen installiert. Da ein durchschnittlicher Gaskessel 20 bis 25 Jahre hält, besteht keine unmittelbare Notwendigkeit zum Wechsel. Um unser Ziel zu erreichen, darf kein neuer Gaskessel mehr verkauft werden. Zudem muss die Politik Anreize schaffen, um den Austausch bestehender, noch funktionierender Gaskessel attraktiv zu machen.“

    Eine erfolgreiche Energiewende erfordert auch energieeffiziente Gebäude. Die EU hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, den Energieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 durchschnittlich um 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. Laut Schätzungen der EU-Kommission entfallen rund 40 Prozent des Energieverbrauchs und etwa ein Drittel der Treibhausgasemissionen auf den Gebäudesektor.

  • Die Autorin

    Nach dem Uni-Abschluss in Wien startete Daniela Thaler ihre journalistische Reise bei Südtirol1/Radio Tirol. Von der Radiowelt wechselte sie anschließend zum Fernsehen und arbeitete für drei Jahre als Redakteurin bei SDF (Südtirol Digital Fernsehen). Seit 2023 ist Daniela als freie Journalistin, mit dem Fokus auf Reportagen und Fernsehbeiträge, für Rai Südtirol tätig. Thaler schreibt jetzt auch für SALTO. Zudem gestaltet sie einen Podcast.

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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Sa., 18.05.2024 - 22:44

In Südtirol wird zuviel fossile Energie auf den Straßen + in der Luft, sogar Steuer-frei verschwendet.
Da rächt sich der schräge Trick (Ausstattung der Flughafen-Bilanz vor dem Verkauf mit mehr Geld wie sie bei der Versteigerung erlöst hat), mit dem die Landesregierung den Gostnern, Benco & Haselsteiner das Bozner Flug-Hafele nach geworfen hat.
"Wie ist das mit der Flug-Hafele-Feuerwehr," werden die vollen Kosten endlich eingetrieben??? oder gilt das nur für Mindest-Rentner, denen das INPS etwas zuviel Rente ausgzahlt hat?

Sa., 18.05.2024 - 22:44 Permalink