Gesellschaft | Praktika

Die zweite Runde

Zum Thema Berufspraktikum ab 14 hat Salto.bz auch Matthias Sommadossi, Mitglied des Ausschusses der Young SGBCISL, interviewt. Wo Sommadossi Chancen und Risiken sieht.
Gastronomie Symbolbild
Foto: Gary Barnes
Salto.bz: Im gestern (05.09)  veröffentlichten Artikel hat sich Tony Tschenett, vom ASGB, zum Thema Orientierungs- und Berufspraktikum geäußert. Zu diesem Thema hat Salto.bz auch Matthias Sommadossi, Vertreter der Young CISL, befragt. Wie sehen Sie, Herr Sommadossi, eine mögliche Entwicklung eines Berufspraktika ab 14 Jahren?
Matthias Sommadossi: Es lässt sich nicht eindeutig beantworten, ob diese Entscheidung ausschließlich gut oder ausschließlich schlecht zu betrachten ist. Unter theoretisch guten Rahmenbedingungen könnte diese Maßnahme natürlich umgesetzt werden. Das bleibt jedoch theoretisch. Man sieht aktuell bei den Lehrstellen und Ferialpraktika, dass immer noch ältere Arbeitnehmer (16+) als günstige Arbeitskräfte ausgenutzt werden. Ich befürchte, dass eine solche Initiative zur Ausbeutung junger Arbeitnehmer führen könnte oder in einigen Fällen bereits der Fall ist.
Ich befürchte, dass eine solche Initiative zur Ausbeutung junger Arbeitnehmer führen könnte. 
Als Beispiel hierfür könnte man diverse Südtiroler Hotelfachschulen nennen, an denen Schüler und Schülerinnen ein Pflichtpraktikum absolvieren müssen. Dieses Praktikum umfasst eine normale 40-Stunden-Woche für zwei Monate. Während ihrer Arbeitszeit, arbeiten die Schüler und Schülerinnen wie normale Hilfsköche oder Kellner. Am Ende des Praktikums wird der Aufwand oft nur mit einem Geschenkkorb vergütet. Natürlich ist das nicht überall der Fall, man darf nicht alle in einen Topf werfen, aber primär dürfte so etwas überhaupt nicht vorkommen.
 
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Der young-SGBCISL-Ausschuss: von links Matthias Sommadossi, Ivan Munerati, Landeskoordinator Gianluca Da Col sowie Omar Covi. (Foto: SBGCISL)
 
Sehen Sie auch irgendwelche Chancen darin, dass Jugendliche ab 14 Jahren arbeiten könnten?
 
Es könnte durchaus für einige eine Chance sein, wenn sich 14-Jährige sich gern etwas dazuverdienen und ihr eigenes Geld haben möchten. In der Theorie wäre das also nicht schlecht. Aber, wie gesagt, nur theoretisch. Eine Ausbeutung kann ich absolut nicht gutheißen und ich befürchte, dass letztendlich dies der Fall sein wird. Ein weiteres Problem sehe ich bei den „Empfehlungen“.
 
Um was handelt es sich bei diesen Empfehlungen?
 
Die Empfehlungen sind im Vertrag vorgeschlagene Summen. Beispielsweise werden für die Hotelfachschulen Empfehlungen von 500-600€ im Monat vorgeschlagen. Diese Empfehlungen sind aber, wie das Wort schon sagt, nur Empfehlungen und somit nicht verpflichtend.
 
Der LVH äußert sich positiv zu diesem Thema. Was sagen Sie als Gewerkschaft für Arbeitnehmer unter 35 dazu?
 
Natürlich sieht der LVH das positiv. Das wundert mich nicht. Als Arbeitgeberorganisation spielt sowas natürlich in die Hände. Ich persönlich finde jedoch, dass dies keine positive Entscheidung ist und die auch nicht gutheißen sollte. Aus Sicht der Arbeitgeber macht es natürlich Sinn, 14-Jährige den ganzen Sommer über für ein Taschengeld von 500-600 € zu beschäftigen. Ich halte das allerdings für absolut keine positive Sache. Junge Arbeitnehmer müssen gefördert werden, dies erreicht man aber nicht damit, dass man sie früher arbeiten schickt.
 
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Schuften für einen Hungerslohn: 40 Stunden und mehr sind für manche jungen Menschen in der Gastronomie keine Seltenheit (Foto: Elle Hughes)
 
Welche Initiativen bietet die Young SGBCISL zu diesem Thema an?
 
Bis dato haben wir noch kein Programm oder eine Initiative entwickelt, die sich damit beschäftigt, da diese ganze Thematik ziemlich neu und vermutlich sowieso nicht EU-konform ist.
 
Die Wahrscheinlichkeit, dass dies umgesetzt wird ist also ziemlich gering. Was würden Sie machen, um ein solches Modell umzusetzen?
 
Grundsätzlich würde ich vorschlagen, dass niemand unter 15 Jahren arbeiten darf. Ich persönlich bin der Meinung, dass Jugendliche die Sommerferien für sich nutzen und Interessen nachgehen sollten. Mit 14 Jahren haben die meisten Jugendlichen sicher andere Interessen als zu arbeiten. Sicherlich gibt es Eltern, welche möchten, dass ihre Kinder im Sommer „beschäftigt“ sind, aber der Jugendschutz darf nicht vergessen werden. Deswegen finde ich, sollte es zu einer Umsetzung kommen, müssen die Bedingungen klar und deutlich sein und dem Entsprechend auch streng kontrolliert werden.
Niemand unter 15 Jahre sollte arbeiten. Mit 15 Jahren in die Arbeitswelt einzusteigen ist früh genug! 
Wie bereits erwähnt, sind mir die Empfehlungen ein Dorn im Auge. Dieser Begriff lässt den Arbeitgebern quasi freie Wahl bei der Bezahlung. Hier braucht es konkrete Maßnahmen und Regelungen. Ich finde Jugendliche, welche sich entscheiden mit 14 Jahren zu arbeiten, sollten maximal 4 Stunden pro Tag und nur Montag bis Freitag arbeiten dürfen. Zudem sollten sie mindesten zwei freie Tage haben, wobei der Sonntag frei sein muss, usw.
Bei dem aktuellen System der Empfehlungen kann man nicht einmal mehr von einem Hungerslohn sprechen! Eine 40-Stunden-Woche für einen 14-Jährigen ist einfach nicht akzeptabel. Ich bin generell kein Fan davon, 14-Jährige arbeiten zu schicken, unabhängig von den Voraussetzungen. 15 Jahre ist meiner Meinung nach früh genug. Sollte diese Regelung dennoch umgesetzt werden, was ich bezweifle, muss genauestens auf die Einhaltung der Regelungen geachtet werden. Betriebe, welche diese missachten sollten, streng bestraft werden. Bei diesem Punkt spreche ich allerdings nur für mich persönlich und nicht für die gesamte Young SGBCISL. Ich gehe jedoch davon aus, dass auch meine Kollegen dieser Ansicht sind.