Wirtschaft | Telekommunikation

Auf Brautschau

Die Athesia will die Brennercom verkaufen. Es gibt mehrere nationale Kolosse die Interesse am Südtiroler Telekommunikationsanbieter zeigen. In der Pole Position: TIM.
Die Order war von Anfang an klar: Die Sache soll so diskret wie möglich über die Bühne gehen. Dabei war und ist es aber kaum zu vermeiden, dass die Vertreter der großen Telekommunikationsunternehmen, die in den vergangenen Wochen nach Bozen gepilgert sind, nicht auffallen.
Die Anlaufadresse liegt indirekt in der Bozner Pacinottistraße. Dort hat die „Brennercom AG“ ihren Sitz. Südtirols lokaler Telekommunikationsanbieter steht zum Verkauf. Die Athesia AG will das Tochterunternehmen veräußern. Nach Informationen von Salto.bz haben eine Handvoll nationaler Großunternehmen ernsthaftes Interesse an einer Übernahme angemeldet. Auch die Deadline scheint zu stehen. „Der Deal dürfte noch vor dem Sommer über die Bühne gehen“, sagt ein Brancheninsider.

Die Brennercom

 
Der Verkauf ist der letzte Akt in einer wechselvollen Unternehmensgeschichte.
1998 gründet das Land – damals noch unter Landesrat Alois Kofler – das Telekommunikationsunternehmen Brennercom AG. Neben dem Mehrheitseigner Land, beteiligen sich eine Reihe von öffentlichen und privaten Minderheitsaktionären. Jahrelang schreibt man rote Zahlen, und das Land zahlt die Zeche. Gleichzeitig schaut der Mehrheitseigner Land aber auch zu, wie der ehemalige Kofler-Referent und amtierende Brennercom-Generaldirektor Karl Manfredi zum zweitgrößten Aktionär in der eigenen Gesellschaft aufsteigt. Manfredis „KM Invest“ hält jahrelang über neun Prozent der Brennercom-Aktien.
 


Zwischen 2007 und 2009 ändern sich die Besitzverhältnisse im Unternehmen nachhaltig. Karl Manfredi verlegt seine KM Invest nach Innsbruck, und wenig später kauft Michl Ebner die Gesellschaft. 2008 steigen nicht nur die Sparkasse und der Raiffeisenverband aus der Brennercom aus, sondern auch Land und Gemeinde Bozen entscheiden, einen Teil der Beteiligungen abzugeben.
Das Land gibt schließlich von seinen 64,64 Prozent – etwas mehr als 22 Prozent – an die Athesia-Tochter KM Invest ab. Der Kaufpreis: 10,7 Millionen Euro. Zudem kauft die Athesia um rund 1,3 Millionen Euro auch die Anteile der Gemeinde Bozen. Weil sich das Ebner-Unternehmen aber auch noch die Anteile anderer ehemaliger Aktionäre sichert, wird die Athesia-Gruppe schon bald zum größten Brennercom-Aktionär.

Land steigt aus


Zweimal im Mai 2010 und dann im Mai 2013 beschließt die Landesregierung ihre Anteile an der Brennercom verkaufen. Beide Ausschreibungen gehen am Ende aber leer aus. Der Grund dafür ist einfach. Das Aktienpaket des Landes kostet um die 21 Millionen Euro. Michl Ebner und die Athesia wollen diesen Preis aber nicht zahlen.
 
 
2015 kommt es schließlich zum Showdown. Weil Landeshauptmann Arno Kompatscher dem Übernahmeplan aus dem Hause Ebner im Wege steht, greift man zu einer brachialen Methode. Am 19. Juni 2015 erklärt der Brennercom-Verwaltungsrat um Präsident Ferdinand Willeit die Brennercom-Aktien der öffentlichen Anteilseigner als erloschen. Landeshauptmann Kompatscher spricht von einer „Nacht- und Nebelaktion“. Das Land klagt gegen den Rausschmiss und bekommt auch Recht. Mitte Juli 2015 werden die öffentlichen Teilhaber wieder als Aktionäre eingesetzt.
Spätestens nach dieser Aktion ist aber klar, dass es keine friedliche Koexistenz mehr geben kann. Nach zähen Verhandlungen wird im November 2015 ein Rahmenvertrag abgeschlossen, in dem sich private und öffentliche Teilhaber darauf einigen, die Spaltung der Brennercom vorzunehmen. Das Land soll dabei das Breitbandnetz, die entsprechenden Verträge, Hardware, Technologie, Mitarbeiter sowie eine Ausgleichszahlung bekommen. Athesia soll hingegen die Brennercom als privates Telekommunikationsunternehmen weiterführen. 
Knapp ein Jahr später, Ende September 2016, wird der Spaltungsplan für die Brennercom genehmigt. Das Land erhält ein buchhalterisches Reinvermögen von insgesamt 19,76 Millionen Euro. Darin ist nicht nur der Großteil des Breitbandnetzes enthalten, sondern auch vier Stockwerke im Brennercom Gebäude.
Gleichzeitig gründen Land, Gemeindenverband und Region mit der „Infranet“ ein öffentliches Breitbandunternehmen in dem diese Infrastrukturen eingegliedert werden.

Die Athesia-Tochter

 
Ab 2017 bewegt sich die Brennercom AG damit als Privatunternehmen auf dem Markt. Ohne die öffentlichen Geldgeber und Partner ist es eine Art Neuanfang. Die Athesia führt das Telekommunikationsunternehmen über ihre Innsbrucker Tochter der „Athesia-Tyrolia GmbH“. 2018 kommt es auch zu einem personellen Wechsel in der Geschäftsführung. Mit Karl Manfredi verlässt der Mann die Brennercom, der das Unternehmen groß gemacht hat. Manfredi sitzt zwar noch eine Weile im Verwaltungsrat, doch man sieht diesen Abgang allgemein als klare Zäsur.

Die Brennercom AG hat ein halbes Dutzend Tochterunternehmen und 127 Angestellte. Das Telekommunikationsunternehmen beliefert mehr als 12.000 Kunden in Südtirol, dem Trentino, in der Provinz Verona  und in Tirol. Der Umsatz betrug 2017 31,7 Millionen und ging 2018 auf 30,3 Millionen zurück. Auch der Gewinn ist eher bescheiden. 2017 waren es 488.346 Euro, 2018  584.809 Euro. 


In diesen Zahlen spiegelt sich die Entwicklung der IT-Branche wieder. Weil die technologische Entwicklung immer rasanter verläuft, schnellen auch die Kosten in die Höhe. Zudem wird der Druck der internationalen und nationalen Großunternehmen in diesem Sektor immer stärker. Wer sich am Markt behaupten will, muss in den nächsten Jahren viel Geld investieren.
Dazu kommt, dass man in Italien seit längerem über gesetzliche Regulierungen nachdenkt, die für die Athesia-Tochter nachhaltige wirtschaftliche Folgen haben könnten.

Der Verkauf

 
Die Brennercom ist zu klein um zu überleben und zu groß um zu sterben“, beschreibt ein Konkurrent die gegenwärtige Situation der Athesia-Tochter. Weil das Zeitfenster für einen möglichen Verkauf nicht allzu groß ist, (danach ist der Zug abgefahren), bieten Michl Ebner & Co jetzt die Brennercom auf dem nationalen Mark an.
Das Interesse an den Unternehmen ist relativ groß. So prüft nicht nur die börsennotierte Mailänder "Retelit SPA" den Kauf ernsthaft. Mehrere nationale Unternehmen haben bereits Abgesandte nach Bozen geschickt. Während einige nur am Kundenstamm interessiert sind, wollen andere vor allem die Infrastrukturen übernehmen.
Ganz in klar in der Pole Position findet sich derzeit „Telecom Italia Mobile" (TIM). Der Konzern will die gesamte Brennercom übernehmen. Die Verhandlungen werden für die Athesia von Michl Ebners Sohn Georg begleite. Georg Ebner hat nach einem Wirtschaftsstudium an der Cattolica, als „Equity Analyst“ in den USA und in England gearbeitet. Inzwischen ist er nebenher für den Athesia-Konzern tätig.
In der Branche geht man von einem Verkaufspreis um die 50 Millionen Euro aus.