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Jojo Rabbit

Hitler als der imaginäre Freund eines zehnjährigen Nazis, eine Jüdin im Haus und sehr viel schwarz triefender Humor – Taika Waititis „Hass-Satire‟ ist ein frecher Film.
Jojo Rabbit
Foto: Fox Searchlight

Johannes Betzler, genannt „Jojo‟ ist zehn Jahre alt und überzeugter Nationalsozialist. Die Ideologie hat er brav übernommen, noch dazu ist er blond und blauäugig, letzteres in vielerlei Hinsicht, und nennt niemand geringeren als Adolf Hitler persönlich seinen Freund. Nun wohlgemerkt seinen imaginären Freund, da niemand anderes den Führer sehen oder hören kann. Der wahre Hitler sitzt natürlich gemütlich in Berlin, oder München, oder in irgendeinem Bunker, da der Krieg sich dem Ende zuneigt. Trotzdem wird die Jugend weiterhin fleißig bearbeitet, Ideologien wachsen schließlich nicht von alleine. Jojo nimmt gemeinsam mit seinem Freund Yorki an einem paramilitärischen Jugendlager teil. Dort soll unter anderem festgestellt werden, ob die Kinder bereit sind, etwa einen Hasen zu töten. Da mutet sich Jojo schon mal mehr zu als er verträgt und stellt langsam aber sicher fest, dass die Gedanken in seinem Kopf, von denen er so sehr überzeugt ist, in der tatsächlichen Umsetzung mehr als nur Begeisterung erfordern. Zurück in seiner Heimatstadt, die, das gilt es hervorzuheben, fiktiv ist, nimmt der Alltag wieder seinen Lauf. Bis, und dies stellt einen entscheidenden Punkt in der Geschichte des Films dar, Jojo eine Jüdin versteckt im eigenen Haus findet. Das Mädchen namens Elsa ist nur wenige Jahre älter, alleine und verfolgt von den Nazis, die Jojo so sehr verehrt. Wie also mit einer solchen Situation umgehen, und noch viel wichtiger: Wer hat die Jüdin ins Haus gelassen? Jojo steht vor einer wichtigen Entscheidung. Verraten oder schützen? Seiner Mutter davon erzählen? Die hat doch bereits genug Sorgen, als alleinerziehende Mutter, noch dazu arbeitet sie, doch was eigentlich, wohin verschwindet sie am Morgen, nun, das weiß Jojo nicht so wirklich, vielleicht sollte er mal nachfragen.

Regisseur Taika Waititi adaptiert mit seinem Drehbuch den Roman „Caging Skies‟ von Christine Leunens, fügt dem jedoch die humoristische Note hinzu, die den Film letztendlich zu dem macht was er ist. In der Tradition von Chaplin und Lubitsch inszeniert Waititi den Nationalsozialismus als überzeichnetes, sich selbst in seiner Fragwürdigkeit entlarvendes Schmierentheater. Das beginnt bereits zu Anfang, wenn Jojo seinem Führer die Treue schwört und „Heil Hitler‟-rufend durch die Stadt läuft, dazu die Beatles „I want to hold your hand‟ auf Deutsch singen und historische Aufnahmen euphorischer Hitler-Grüße in tausendfacher Ausführung dazwischengeschnitten werden. Das Ausbildungslager stellt uns die Nebenfiguren der Geschichte vor, allen voran Sam Rockwell in der Rolle des Hauptmanns Klenzendorf, einem versoffenen Selbstdarsteller, oder aber Rebel Wilson als Fräulein Rahm, die die gute deutsche Frau mit all ihren Geburten verkörpert. Thomasin McKenzie als zwingend zurückhaltende Jüdin wird am Ende des ersten Akts eingeführt und mit ihr erhält die Geschichte einen Bruch, oder vielmehr die Satire in ihr, da der Ton ab dann deutlich ernster und der beißende Humor deutlich zurückgefahren wird. Das ist schade, nichts desto trotz ist der zweite Teil der Erzählung, vom Kennenlernen der beiden Kinder, ihrem Verhältnis zueinander und der Rolle von Jojos Mutter (Scarlett Johansson) ebenso in sich stimmig wie der erste. Bloß im Zusammenspiel wollen sie nicht so recht funktionieren, auch da der Film gegen Ende regelrecht düster wird. Die ernsten Themen bewegen sich zwar immer auf ironischer Ebene, doch macht Waititis Drehbuch deutlich, dass der Humor gegen Tod und Ungerechtigkeit nicht bestehen kann. Letztendlich siegt jedoch die Leichtigkeit, klar in einem Film wie „Jojo Rabbit‟, umso trauriger, dass es in der Realität nicht so war. Der Umgang mit der Figur des Adolf Hitler ist spannend. Als imaginärer Freund des Protagonisten spricht er immer wieder mit ihm und versucht ihn, sozusagen als zweite innere Stimme, zu Dingen zu überreden, die dem Jungen manchmal seltsam erscheinen. Man könnte argumentieren, Jojo wäre schizophren und dass in ihm zwei völlig gegensätzliche Menschen wohnen. Zudem ist Hitler eine Art Vaterfigur, da Jojos wirklicher Vater in Italien an der Front kämpft. Dazu passend muss eine Mutter, gespielt von Scarlett Johansson, diese Lücke füllen, und sie gibt sich dabei größte Mühe, weiß ja nichts von der Existenz (oder Nichtexistenz?) des imaginären Hitlers. Johansson spielt ihre Figur mit der Hingabe, die auch die Rolle innerhalb der Geschichte einnimmt. Charismatisch nach außen, nachdenklich und doppelbödig im Inneren, dabei tragisch und beispielhaft zugleich. Das Porträt der alleinerziehenden Mutter in Zeiten des Krieges ist bemerkenswert geschrieben und gespielt.

 

JOJO RABBIT | Official Trailer [HD] | FOX Searchlight

 

Insgesamt macht der Film keinen Hehl daraus, dass er Satire und damit Fiktion ist. Bunte Farben, gar pastellartig getünchte Szenerien dominieren, den üblichen grau-braunen Weltkriegsmatsch gibt es hier nicht. Das unterstreicht die kindliche Wahrnehmung, aus der der Film erzählt ist, andererseits hebt er die Geschichte auf eine Ebene, die das Spiel mit der Satire erst ermöglicht. Nichts in diesem Film lässt vermuten, dass er im realen, uns bekannten Deutschland, innerhalb des uns bekannten Krieges stattfindet. Vielmehr spielt er in einer Parallelwelt, in der die Nazis mit all ihren schrecklichen Dingen zwar existieren, doch über die man lachen und Witze reißen darf. Denn natürlich wurde im Zuge der Veröffentlichung dieses Films abermals diskutiert, ob ein solches Thema nicht mehr Respekt und Würde erfordert, und inwiefern die Darstellung, ja Persiflage von Hitler angemessen ist. Dahingehend gibt es lediglich zu sagen: Wer Angst vor der Parodie hat, zollt dem Bösen erst recht den Respekt, den es erwartet.