Politik | Wahlgesetz

Der Handstreich

Michaela Biancofiore und Riccardo Fraccaro haben am Donnerstag gemeinsam die Südtiroler Ausnahmeregelung im Wahlgesetz zu Fall gebracht. Scheitert damit das Wahlgesetz?
Biancofiore
Foto: upi
Florian Kronbichler nimmt es mit Sarkasmus. „Das Wahlgesetz nach deutschem Muster scheint jetzt ausgerechnet an den deutschsprachigen Südtirolern zu scheitern“, sagt der Südtiroler Linksparlamentarier.
Kurz zuvor war es in der Abgeordnetenkammer zu einem politischen Eklat gekommen. Ein Sprengsatz war am Donnerstag gegen 11 Uhr hochgegangen und hat das neue italienische Wahlgesetz zertrümmert. Der Sprengsatz war von gleich zwei Gruppierungen in der Kammer hinterlegt worden.
Es sind zwei unscheinbare Abänderungsanträge, die am Ende eines der wichtigsten politischen Projekte der letzten Jahre ins Wanken und mit großer Wahrscheinlichkeit zu Fall gebracht haben.
 

Die Anträge

 
Abänderungsantrag 1.512, eingebracht vom Trentiner 5-Sterne-Abgeordneten Riccardo Fraccaro und unterzeichnet von sechs weiteren Abgeordneten seiner Bewegung, sowie Abänderungsantrag 1.535 eingebracht von der Bozner Forza-Italia-Abgeordneten Michaele Biancofiore. Beide Anträge sind gleichlautend und haben einen ebenso einfachen wie nachhaltigen Inhalt. Die Abschaffung der Südtiroler Sonderregelung im Wahlgesetz. Konkret: Auch in Südtirol soll jenes System eingeführt werden, das man mit dem neuen Wahlgesetz in ganz Italien anwenden will. Die direkte Folge: Es soll in Südtirol in der Kammer nur mehr drei Ein-Mann-Wahlkreise geben, die nach dem Mehrheitswahlrecht vergeben werden. Die restlichen Sitze sollen hingegen - wie überall - per Verhältniswahl verteilt werden.
 
Es ist eine Änderung, die jenes Wahlsystem über den Haufen wirft, das der SVP besonders am Herzen liegt. Die Volkspartei weiß nur zugut, dass sie mit der bisherigen Südtiroler Ausnahmeregelung, mehr als das Maximum herausholen kann. Das zeigte sich auch bei den letzten Parlamentswahlen. Deshalb haben die Chefunterhändler in Rom, allen voran Senator Karl Zeller, die Zustimmung für das Wahlgesetz von allen Anfang an davon abhängig gemacht, dass auch mit dem neuen Wahlgesetz in Südtirol alles so bleibt wie es ist.
 

Das Schweigen der SVP

 
Das ist nicht ein Wahlgesetz, sondern ein Wahlsieggesetz für die SVP“, erklärte Florian Kronbichler am Donnerstagvormittag in der Kammer. In der vielbeachteten Stellungnahme sprach sich der oppositionelle Abgeordnete für die Annahme der beiden Abänderungsanträge aus. Kronbichlers Argument: „Man kann nicht Regeln aufstellen, die bereits den Sieger festlegen“.
Trotz einiger Wortmeldungen verschiedenster Abgeordneter tat die SVP am Donnerstag vorerst nichts. Die SVP-Abgeordneten waren zwar alle anwesend. Keiner ergriff in der Kammer aber das Wort, um etwa die Südtiroler Regelung zu verteidigen. Der Grund dafür dürfte einfach sein: Man ging davon aus, dass die beiden Anträge abgeschmettert würden. Immerhin hat es vorab eine Einigung zum Wahlgesetz zwischen den fünf großen politischen Parteien gegeben, am Wahlgesetz nichts Wesentliches mehr zu ändern. Auch nicht die Südtiroler Ausnahmeregelung.
Als dann auch noch Forza-Italia-Fraktionssprecher Renato Brunetta seine Gruppe aufforderte gegen die Antrag seiner Parteikollegin Michaele Biancofiore zu stimmen, schien das Ganze gelaufen.
Die SVP-Abgeordneten waren zwar alle anwesend. Keiner ergriff in der Kammer aber das Wort, um etwa die Südtiroler Regelung zu verteidigen.
 

Der Eklat

 
Doch dann kam es zum Eklat.
Die beiden gleichlautenden Abänderungsanträge wurden gemeinsam behandelt. Zuerst wurde offen abgestimmt. Bereits bei dieser Abstimmung wurde klar, dass es knapp werden würde. Der Großteil der 5-Sterne-Bewegung brach das Abkommen und stimmte für die Änderungen. Aber auch innerhalb des PD gab es einige Heckenschützen.
Weil es bei der Abstimmung aber Fehler gab, wurde sie wiederholt. Diesmal auf Antrag geheim. Das Ergebnis: 270 Ja und 258 Nein.
Damit ist die Südtiroler Ausnahmeregelung gestorben. Aber nicht nur das. Der PD hat diese Abstimmung als Vertragsbruch vonseiten der 5-Sterne-Bewegung bewertet. Die Sitzung in der Kammer wurde unterbrochen. Politische Beobachter gehen davon aus, dass damit das neue italienische Wahlgesetz gescheitert sei.
SVP-Senator Karl Zeller erklärte nach der Abstimmung offen: „Für uns sind die Abmachungen damit hinfällig und wir werden gegen dieses Wahlgesetz stimmen“.
Was er nicht sagt: Es ist für die SVP wie Weihnachten.
Das Wahlgesetz bleibt wie es ist, die Frauenquote kommt nicht und die Parlamentarier können ihre Legislatur noch um einige Monate verlängern.
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alfred frei Do., 08.06.2017 - 18:07

Heiliger Antonius, daß die Südtiroler so oder so, bei uns oder in Rom, immer etwas mit Sprengsätze zu tun haben.
Die Geschichte verfolgt uns und nur die Schützen versuchen sie aufzuhalten !

Do., 08.06.2017 - 18:07 Permalink