Wirtschaft | Sanität

Wirtschaftsförderung durch die Nase

Der Sanitätsbetrieb kauft um 6 Millionen Euro selbstdurchführbare Nasenflügeltests an. Schaut man sich die Auftragsvergabe genauer an, tauchen unbequeme Fragen auf.
Nasentest
Foto: upi
Arno Lanziner ist ein rühriger Vertreter. Der Sohn eines Bozner Zahnarztes hat 2003 die „DP Group & CO KG“ gegründet. Es ist ein Einmannbetrieb mit 1.000 Euro Gesellschaftskapital, der laut Handelskammerauszug vor allem als Verkäufer und Vertreter verschiedenster Produkte für Hotels und die Gastronomie tätig ist. So etwa verkauft der Unternehmer Edelstahlküchen von „Xera“.  Die Abkürzung DP steht aber für „Dental Partner“, denn Lanziner arbeitet auch als Vertreter und Verkäufer von Dentalprodukten, sowie verschiedener Medizinprodukte.
Der Bozner Unternehmer ist auch politisch interessiert. Zwischen 2003 und 2005 sitzt Arno Lanziner für die SVP im Stadtviertelrat Gries-Quirein und bei den Parlamentswahlen 2013 kandidiert er für den Forza-Italia-Ableger „Moderati Italiani in Rivoluzione“ (MIR).
Jetzt aber dürfte der Unternehmer den Auftrag seines Lebens an Land gezogen haben. Denn seine DP Group hat zusammen mit der Trentiner „Unifarm SPA“, den Zuschlag erhalten 625.000 „immunchromatographischen Schnelltests der I. Generation für die qualitative Bestimmung des Antigens des Virus SARS-CoV-2 auf Nasenabstrichen mit selbstdurchführbarem Test (AUTOTEST)“ an den Südtiroler Sanitätsbetrieb zu liefern. Das Auftragsvolumen: 1.950.000 Euro.
Dieser Zuschlag ist nur ein Teil einer weitaus größeren Bestellung des Sanitätsbetriebes, die einige Fragen aufwirft.
 

2 Millionen Test Kits

 
Florian Zerzer hat Anfang dieser Woche durchaus überraschend eine völlig neue Strategie angekündigt. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb will Nasenflügeltests für Daheim gratis zur Verfügung stellen. Die Abgabe soll über die Apotheken erfolgen. Wahrscheinlich zwei Test-Kits pro Woche sollen die Bürger dort kostenlos erhalten. „Die dafür notwendigen Test Kits wurden bereits bestellt“, erklärte der Generaldirektor des Sanitätsbetriebes gegenüber Rai Südtirol am Montag.
 
 
Gemeint dürfte damit der Beschluss Nr. 445 des Südtiroler Sanitätsbetriebes vom 31. Mai 2021 sein. Es ist die offizielle Zuschlagserteilung für ein Rahmenabkommen zu Lieferung von insgesamt 2 Millionen Selbsttests an den Sanitätsbetreib für die nächsten sechs Monate. Der Beschluss sieht auch eine Option vor, wenn nötig, die Bestellung auf 4 Millionen zu erhöhen. 6.057.500 Euro hat der Sanitätsbetrieb für diese erste Lieferung bislang verbucht.
Dabei ist man auch bei dieser Vergabe nach jener Methode vorgegangen, die man seit Monaten im Sanitätsbetrieb beim Kauf der Tests praktiziert. Nach der Bekanntmachung einer öffentlichen Markterhebung im Ausschreibungsportal des Landes an der sich 16 Unternehmen schriftlich interessiert zeigten, hat man fünf Unternehmen zur Angebotsabgabe eingeladen. Laut Vorgabe sollten 35% der Lieferung vom Erstplatzierten, 25% vom Zweitplatzierten, 20% vom Drittplatzierten, 15% vom Viertplatzierten und 5% der Lieferung vom Fünftplatzierten angekauft werden.
Der Sanitätsbetrieb hat dann aber den Zuschlag nur an drei Wettbewerbsteilnehmer erteilt. Deshalb haben sich die Liefermengen und die Entschädigungen für diese Unternehmen am Ende deutlich erhöht.
 

Verdoppelter Umsatz

 
Das günstigste Angebot kam von der „Velovendo Gmbh“. Das Bozner Unternehmen wurde Ende 2016 gegründet und gehört Manfred Zingerle und Arthur Köllensperger. Zingerle ist vor allem durch den Familienbetrieb „ZS Timing“ bekannt, der seit Jahrzehnten für alle großen Sportveranstaltungen in Südtirol, die professionelle Zeitnehmung betreibt. Beide Unternehmen haben denselben Sitz am Bozner Boden.
Die Velovendo GmbH, deren Gesellschaftszweck laut Handelskammerauszug „commercio al dettaglio di qualsiasi tipo di prodotto effettuato via internet, im commercio online di prodotti per la igiene personale, elettronica di consumo e alimentari confezionati“ ist, hat am 19. November 2020 ihre Geschäftstätigkeit auch auf den Handel von Medizinprodukten ausgeweitet. Velovendo bietet Unternehmen als Dienstleistung den Onlineverkauf an. Darunter auch den Verkauf von Schutzmasken und „Selftestcovid“.
 

Das Bozner Unternehmen hat dem Sanitätsbetrieb die Selbsttests für 2,90 Euro angeboten und damit fast die Hälfte der Gesamtlieferung gewonnen. Der Sanitätsbetrieb hat beschlossen 875.000 Test um 2.537.500 Euro bei der Firma anzukaufen.
Welchen Coup die beiden Bozner Jungunternehmer damit gelandet haben, zeigt sich an den Bilanzen ihres Unternehmens, das offiziell zwei Mitarbeiter beschäftigt. 2018 hatte die „Velovendo GmbH“ einen Umsatz von 2 Millionen Euro und im Jahr danach von 2,3 Millionen Euro gemacht.
Allein mit dem Auftrag des Sanitätsbetriebes verdoppelt sich der Umsatz des Bozner Unternehmens mit einem Schlag.
 

Die Ungereimtheiten

 
31,25 Prozent der Gesamtlieferung wurden Arno Lanziners „DP Group“ zugeschlagen. Der Bozner Unternehmer bietet die Nasenflügeltest um 3,12 Euro an. Für die Lieferung von 625.000 Tests bekommt das Unternehmen damit vom Sanitätsbetrieb 1.950.000 Euro.
Doch auch hier hat sich Merkwürdiges getan. Sowohl die „DP Group“ wir auch die „Unifarm SPA“ hatten ursprünglich eine Interessensbekundung abgegeben.
 
 
Ein ehemaliger Bozner SVP-Stadtviertelrat erhält einen Auftrag für fast zwei Millionen Euro.
 
Dann aber hat der Sanitätsbetrieb den Bozner Vertreter und das renommierte Logistikunternehmen, das den Trentiner und Südtiroler Apotheken gehört, anscheinend zu einer gemeinsamen Angebotsstellung eingeladen. Nur so ist erklärbar, dass der Zuschlag am Ende formal an die fiktive Bietergemeinschaft „DP Group & Co KG – Unifarm S.p.A.“ erfolgte. Fachleute zweifeln, dass diese Konstruktion dem Vertragsrecht entspricht.
Aber auch beim Drittplatzierten kommen einige Fragen auf. Laut Beschluss wird die „Pikdare SPA“ 500.000 Test um 1.570.000 Euro liefern. Der Stückpreis: 3,14 Euro.
Das Großhandelsunternehmen für Medizin- und Pharmaprodukte und Zubehör aus Casnate con Bernate bei Como hat bereits vor zwei Monate eine ähnliche Ausschreibung des Südtiroler Sanitätsbetriebes gewonnen. Damals erhielt die „Pikedare“ den Zuschlag für eine Lieferung von 840.000 Nasenflügeltest. Zum Stückpreis von 2,18 Euro.
Dieselbe Firma erhält jetzt aber für dieselben Nasenflügeltests plötzlich fast einen Euro mehr. Wie geht das?
Vor allem wenn man weiß, dass die Preise international für solche Coronatests im Fallen sind. So kann man inzwischen Nasenflügeltests, die vom deutschen Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfohlen werden, ab 1000 Stück um 1,59 Euro pro Stück einkaufen.
 

Stellungnahme des Südtiroler Sanitätsbetriebes

 
Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat uns zum Artikel folgende Stellungnahme zukommen lassen, die wir gerne abdrucken.
 
Das im genannten Artikel angesprochene Verfahren wurde gemäß und in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Vereinfachungsdekrets (Art. 2, Abs. 3 und 4 G.D. 76/2020) abgewickelt.
Um fünf Wirtschaftsteilnehmer ausfindig zu machen, deren Produkte die geforderte technische Voraussetzung erfüllten, wurde eine Marktrecherche durchgeführt - öffentlich und transparent auf dem Vergabeportal des Landes Südtirol. Dies ist übrigens die von der italienischen Antikorruptionsbehörde (ANAC) empfohlene Vorgehensweise.
In der öffentlichen Bekanntmachung wurden zwingend erforderliche technische Eigenschaften des zu liefernden Materials beschrieben - unter Androhung des Ausschlusses vom Verfahren, falls diese nicht erfüllt werden sollten.
Im Anschluss an die Marktuntersuchung erhielt der Südtiroler Sanitätsbetrieb innerhalb der vorgesehenen Frist insgesamt 16 Interessensbekundungen, die anschließend auf ihre Übereinstimmung mit den ausdrücklich geforderten technischen Spezifikationen überprüft wurden. Nach dieser Überprüfung lud der Südtiroler Sanitätsbetrieb von den Wirtschaftsteilnehmern, die im Besitz der technischen Mindestanforderungen waren, die fünf Unternehmen zum Verhandlungsverfahren ein, welche den günstigsten Preis angeboten hatten, wie es in der Marktuntersuchung angegeben war.
Bei der Öffnung der Angebote des Verhandlungsverfahren wurde klar, dass nur drei Anbieter alle geforderten Unterlagen korrekt vorlegt hatten, wodurch sich die Anzahl der möglichen Auftragnehmer reduzierte.Sie schreiben: „Doch auch hier hat sich Merkwürdiges getan. Sowohl die „DP Group“ wie auch die „Unifarm SPA“ hatten ursprünglich eine Interessensbekundung abgegeben. Dann aber hat der Sanitätsbetrieb den Bozner Vertreter und das renommierte Logistikunternehmen, das den Trentiner und Südtiroler Apotheken gehört, anscheinend zu einer gemeinsamen Angebotsstellung eingeladen. Nur so ist erklärbar, dass der Zuschlag am Ende formal an die fiktive Bietergemeinschaft „DP Group & Co KG – Unifarm S.p.A.“ erfolgte. Fachleute zweifeln, dass diese Konstruktion dem Vertragsrecht entspricht.“
Dazu stellt der Südtiroler Sanitätsbetrieb klar, dass Art. 48, Ziff. 11, GvD 50/2016 vorsieht, dass die zu einem Verhandlungsverfahren eingeladene Partei an einer zeitweiligen Bietergemeinschaft teilnehmen kann, mit der einzigen Einschränkung, dass diese Partei nicht die Rolle des Bevollmächtigten übernimmt: „In caso di procedure ristrette o negoziate, ovvero di dialogo competitivo, l'operatore economico invitato individualmente, o il candidato ammesso individualmente nella procedura di dialogo competitivo, ha la facoltà di presentare offerta o di trattare per sé o quale mandatario di operatori riuniti.“Bei einem nichtoffenen Verfahren, einem Verhandlungsverfahren oder einem wettbewerblichen Dialog ist der einzeln aufgeforderte Wirtschaftsteilnehmer oder der einzeln zum wettbewerblichen Dialog zugelassene Bewerber berechtigt, im eigenen Namen oder im Namen von Bietergemeinschaften ein Angebot abzugeben oder zu verhandeln.
In diesem Sinne hat der Südtiroler Sanitätsbetrieb die Anfrage des Unternehmens Unifarm beantwortet, das zwar technisch gesehen geeignet war, aber nicht zu den fünf Unternehmen gehörte, die auf der Grundlage des niedrigsten Preises eingeladen wurden, mit dem Hinweis, dass die eingeladene Partei als Bevollmächtigter und damit mit Mehrheitsanteil hätte teilnehmen müssen.
Bezüglich der Preise, die Sie in Zusammenhang mit dem Unternehmen Pikdare nennen, muss festgehalten werden, dass es sich dabei um zwei unterschiedliche Produkte handelt. Während es sich bei der ersten Ausschreibung um Nasenflügeltests handelt, die unter fachlicher Aufsicht durchgeführt werden müssen, betrifft die zweite Ausschreibung Nasenflügeltests, die in Eigenregie durchgeführt werden können. Die technischen Merkmale der beiden Tests sind also unterschiedlich und folglich auch der Preis.
Die Durchführung vorheriger Marktuntersuchungen durch eine öffentliche Bekanntmachung ermöglicht es allen interessierten Marktteilnehmern, ihr Interesse zu bekunden und zu den Verhandlungsverfahren eingeladen zu werden, wobei die Anbieter auf der Grundlage des besten Preisangebots bei gleichen technischen Merkmalen miteinander konkurrieren. Warum sollte also ein Unternehmen, das technisch geeignete Produkte zu einem sehr wettbewerbsfähigen Preis anbietet, nicht zwei öffentliche Aufträge erhalten?
Ein reiner Preisvergleich kann oft leicht in die Irre führen und hat nur begrenzte Aussagekraft, denn der Markt bietet eine breite Palette an diagnostischen Tests, die oft sehr unterschiedliche Qualitätsstandards aufweisen.
Alle zur Rede stehenden Ankaufsverfahren sind demnach mit einer klaren rechtlichen Grundlage durchgeführt worden, unter Einhaltung aller Auflagen und Regeln, mit dem Ziel eine möglichst große Zahl an Markteilnehmern zu ermögliche.
 
Im Auftrag:
Abteilung Kommunikation Südtiroler Sanitätsbetrieb
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Manfred Klotz Mi., 09.06.2021 - 07:14

Die Aussage "Ein ehemaliger Bozner SVP-Stadtviertelrat erhält einen Auftrag für fast zwei Millionen Euro" halte ich für einen journalistischen Fehltritt.

Mi., 09.06.2021 - 07:14 Permalink
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Robert Hölzl Mi., 09.06.2021 - 14:40

Wenn nach einer Marktanalyse 5 Firmen eingeladen werden, können im Normalfall diese Firmen auch ein gemeinsames Angebot als noch zu gründende Bietergemeinschaft abgeben. Diese Möglichkeit kann in den Ausschreibungsbedingungen zwar ausgeschlossen werden, aber um dies feststellen zu können, muss man Einsicht nehmen. Wie der Autor auf eine "fiktive" Bietergemeinschaft schließt, ist aus dem Artikel nicht ersichtlich. Auch warum Experten ein solches Angebot als nicht rechtskonform erachten, wird nicht erläutert. Und warum nur an drei Anbieter ein Auftrag ergangen ist, erklärt sich möglicherweise damit, dass nur 3 Angebote abgegeben wurden. Der Autor scheint diese Möglichkeit gar nicht in Betracht zu ziehen. Die Strategie des Sanitätsbetriebes Tests für den Hausgebrauch anzukaufen und gratis abzugeben kann sicher kritisiert werden, aber die Auftragsvergabe in Frage zu stellen, ist bei den Argumenten des Autors nicht korrekt.

Mi., 09.06.2021 - 14:40 Permalink
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Manfred Klotz Do., 10.06.2021 - 07:45

Antwort auf von Robert Hölzl

Journalistisch nicht ganz sauber ist auch der Passus wo suggeriert wird, dass der Unternehmer rund 2 Millionen Euro einsackt. Ich gehe davon aus, dass es nicht mehr als 10% sind (auf zwei Bieter aufgeteilt). Dass Umsatz nicht gleich Ertrag ist, sollte nicht verschwiegen werden. Von dem Satz "Fachleute zweifeln, dass diese Konstruktion dem Vertragsrecht entspricht" ganz zu schweigen.
Gänzlich unsauber wird es wo man eine Verbindung zwischen dem Zuschlag und der beinahe 20 Jahre zurückliegenden politischen Tätigkeit herzustellen versucht. Bei genauerer Recherche hätte man festgestellt, dass besagter Unternehmer schon lange im politische entgegengesetzten Fahrwasser schwimmt, was dem "Skandal" dann allerdings den Boden unter den Füßen wegziehen würde. Eher enttäuschend das Ganze.

Do., 10.06.2021 - 07:45 Permalink