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Vielversprechende Führungsfigur

Der Sozial- und Kulturantropologe Emanuel Valentin wird ab 1. November seine Arbeit als Direktor der Festung Franzensfeste aufnehmen.
Franzensfeste
Foto: LPA/Georg Hofer

„Herr Valentin wird seine Stelle erst am 1. November antreten – rund um dieses Datum haben wir eine Pressevorstellung geplant“, schreibt die Direktorin der Landesmuseen Angelika Fleckinger auf Nachfrage von salto.bz und lässt offen, inwieweit Emanuel Valentin vorab „für Interviews zur Verfügung stehen möchte.“ Der Gewinner – derzeit im Urlaub und erst nach seiner Rückkehr für neugierige Fragen zu seinem neuen Job gerüstet –, ist im Südtiroler (Multi-)Kulturbetrieb alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. 2007 schloss Valentin sein Studium in Sozial- und Kulturanthropologie, Ethnologie und Religionswissenschaft an der Eberhard Karls Universität in Tübingen mit einer Arbeit „über rituelle und soziale Veränderungen unter sizilianischen Migranten in Deutschland“ ab. Als Doktorand an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Freien Universität Bozen beschäftigte er sich darauffolgend mit „dem demografischen Wandel in den Alpen, zu Anpassungsstrategien, Raumplanung und Regionalentwicklung“. Dazu erforschte er die ladinische Gemeinschaft, indem er kritisch untersuchte, wie partizipative und gemeinschaftsbasierte Ansätze zur Identifizierung und Bewahrung des Erbes aussehen können.  
 

Ethnologie in einer multikulturellen Provinz wie Südtirol unterstreichen.


Ende November 2014 wurde Valentin der Euregio-Kooperationspreis für länderübergreifende Projekte und Ideen vergeben. Sein Siegerkonzept trug den Titel KulturerbePortal und drehte sich um digitalisierte Bibliotheks-, Archiv- und Museumsbestände, die online für alle Bürgerinnen und Bürger zur Verfügung gestellt werden sollten. Im gleichen Jahr scheint Valentin auch als Präsident der EVAA – Südtiroler Anthropologische Gesellschaft – auf, deren Anliegen „Ethnologie vor allem in einer multikulturellen Provinz wie Südtirol zu unterstreichen“ er mit Engagement vorantreibt. Mit dem Verein produzierte er Filme („Insiders-Outsiders“ von Sarah Trevisiol und Matteo Vegetti), Ethnocafés oder Tagungen, wie etwa jene der Associazione Nazionale Universitaria degli Antropologi Culturali (ANUAC) im November 2015, bei der rund 100 Ethnologinnen und Ethnologen teilnahmen.
 


Zudem hat sich Valentin auch als begnadeter Musiker einen Namen gemacht, ob gemeinsam mit Jack Alemanno, Max Castlunger und Marco Stagni bei der seit 2005 gegründeten Percussion-Formation JEMM, mit Karin Nakagawa bei KONG, mit Vector Decay (gemeinsam mit Hannes Pasqualini, Michele Cagol und akirasrebirth) oder als Solo-Musiker. Stets auf seinem melodisch-perkussiven Musikinstrument Hang spielend.
Nun ist er neuer Direktor für den nicht immer einfach zu bespielenden Kulturort verantwortlich. Die von über 6000 Menschen zwischen 1833 und 1838 nach Plänen des Heeresingenieurs Franz von Scholl errichtete Festung Franzensfeste ist Südtirols mächtigste Konstruktion auf einer Gesamtfläche eines Quadratkilometers und galt einst als modernste habsburgische Fortifikation. Ab 1882 verlor die Festung zunehmend ihre Funktion und diente als Pulverlager, zunächst dem österreichisch-ungarischen, nach dem 1. Weltkrieg dem italienischen Heer. In den Jahren 1943 bis 1945 wurde die Festung von den Nazionalsozialisten als Depot für Raubgüter genutzt. Dann schlummerte sie einige Jahrzehnte im Dornröschenschlaf, bis 2005 das Militär endgültig auszog und die Kultur ein. Die Festung war daraufhin Teil der Manifesta, Austragungsort der Landesausstellung Freiheit und Veranstaltungsort zahlreicher kultureller Bemühungen diesem Zeugnis der Erinnerung eine zukunftsweisende Identität zu verleihen.
 

 

Mit dem Weltmusiker und neuen Direktor wird sich das schwierige Unterfangen Festung Franzensfeste womöglich auch zu neuen Ufern aufmachen, die weit entfernt von den Landes- oder Euregiogrenzen liegen und viel Welt in die kleine multikulturelle Region einschleusen. Emanuel Valentin ist diesbezüglich vor allem sprachlich bestens gerüstet. So kann er sich neben Deutsch, Italienisch und Ladinisch, auch auf Spanisch, Portugiesisch und Englisch verständigen. Und er spricht die wichtigste Sprache fließend: Musik.