Wirtschaft | Obstbau

Gute Ernte – schlechter Preis

Mit Ende Juli lagert die Eisacktaler Obstgenossenschaften Melix die Verpackung und Sortierung aus. Johann Gasser, Obmann der Melix, über die Gründe für diese Entscheidung
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Foto: Privat/Google Street View
Salto.bz: Herr Gasser, die Obstbauern stecken in Schwierigkeiten. Ein Phänomen nur im Eisacktal oder südtirolweit?
 
Johann Gasser: Bereits infolge des Krim-Krieges hat die Südtiroler Obstwirtschaft einen gewaltigen Dämpfer erhalten. Das Problem ist sehr komplex: 45 Prozent der in Europa produzierten Äpfel werden in Polen angebaut, in Südtirol sind es rund zehn Prozent. 80 Prozent der in Polen geernteten Äpfel wurden vor dem Embargo wiederum nach Russland exportiert.
 
Welchen Einfluss hatte das auf die Südtiroler Bauern?
 
Nachdem die Europäische Union 2014 ein weitreichendes Embargo gegen Russland verhängt hat, unter welches auch der Export von Äpfeln fiel, wurden die einheimischen Bauern unter großen Druck gesetzt. Unsere Bauern haben nämlich die gleichen Apfelsorten, Golden Delicious oder andere freie Sorten, wie in Polen angebaut. Die polnischen Bauern drängten in der Folge nun mit ihren Äpfeln auf unsere angestammten Märkte und hatten dabei einen wesentlichen Vorteil: geringere Produktionskosten.
 
Die polnischen Bauern drängten in der Folge nun mit ihren Äpfeln auf unsere angestammten Märkte.
 
Zu diesem Problem gesellten sich noch sehr schlechte Erntejahre, in denen nicht nur Frost-, sondern auch Hagelschäden aufgetreten sind. Probleme, mit denen alle Genossenschaften zu kämpfen haben, betreffen die massiven Preissteigerungen sowohl bei Pflanzenschutzmitteln, Treibstoff als auch in der genossenschaftlichen Produktion sprich Preissteigerungen bei den Kartonagen und bei der Zulieferung. Hinzu kommt, dass die Melix eine relativ kleine Genossenschaft ist und wir relativ abgelegen sind von unserer Vermarktungs- und Erzeugerorganisation VOG.
 
 
 
 
Welche negativen Auswirkungen haben die geringe Größe und die Abgeschiedenheit?
 
Das Problem sind die Fixkosten, die einen sehr großen Posten ausmachen, wenn man unter ein bestimmtes Produktionslevel sinkt. Wir haben uns sehr intensiv mit diesen Fixkosten beschäftigt und alle Möglichkeiten durchgerechnet, auch die Idee, die Verarbeitung bzw. die Sortierung und Verpackung auszulagern. Dieses Argument wurde schlagend, als die Anschaffung einer neuen Sortieranlage anstand. Bei einer Investition dieser Größenordnung sprechen wir von rund sechs bis sieben Millionen Euro. Bei der vergleichsweise geringen Produktion wiegen solche Investitionen natürlich schwer. Wir haben zwei Genossenschaften gefunden, Kurmark-Unifrut in Margreid und Roen in Kaltern, die in der Lage sind, unsere Mengen ohne größere Investitionen zu übernehmen, zu sortieren und abzupacken. Die Äpfel, die in drei Genossenschaften produziert werden, werden nun in zwei Genossenschaften verarbeitet.
 
60 Mitarbeiter werden voraussichtlich durch die Umstrukturierungsmaßnahmen ihren Arbeitsplatz in der Melix verlieren.
 
Die Sortier- und Verpackungstätigkeit wird noch bis Ende Juli weitergeführt. Wir haben umgehend einen Sozialplan erstellt und kümmern uns darum, dass unsere Angestellen einen der mehr als hundert zurzeit im Eisacktal angebotenen Arbeitsplätze erhalten. 60 Personen, die plötzlich ihre Arbeit verlieren, hört sich zwar im ersten Moment dramatisch und schwierig an, inzwischen haben aber viele Arbeiter einen neuen Platz gefunden und ich bin guter Dinge, dass beim derzeitigen Personalmangel auch alle übrigen Angestellten einen neuen Platz finden werden.
 
60 Personen, die plötzlich ihre Arbeit verlieren, hört sich im ersten Moment dramatisch und schwierig an.
 
Die Genossenschaftsmitglieder haben diesem Plan im April zugestimmt. Gab es auch kritische Stimmen?
 
Für die Mitglieder bleibt alles wie gehabt. Sie können weiterhin ihre Ernte in der Melix anliefern und sowohl die Warenvermittlung als auch das Detailgeschäft bleiben weiterhin bestehen. Das einzige, was sich ändert, ist, dass die Äpfel nach der Lagerung nicht mehr bei uns auf das Sortierband kommen, sondern auf einen Lkw verladen und 50 Kilometer weiter entfernt sortiert werden. Das einzelne Mitglied merkt von diesem Vorgang nichts.
 
Keine Streitpunkte?
 
Wir haben im Vorfeld eine Informationsveranstaltung abgehalten und eine Genossenschaft wäre keine Genossenschaft, wenn es nicht auch kritische Stimmen geben würde. Die Auslagerung der Sortierung und Verpackung bedeutet natürlich eine große Veränderung. In der Mitgliederversammlung haben wird versucht, die Gründe dafür zu erklären. Wie es in der Landwirtschaft nun einmal so ist, wird oft ein wenig hitziger diskutiert. Schlussendlich zählt aber nur, dass die Mitglieder uns die Zustimmung gegeben haben, um diesen Weg gehen zu können. Denn nur auf diesem Wege können wir höhere Auszahlungspreise garantieren.
 
Wie es in der Landwirtschaft nun einmal so ist, wird oft ein wenig hitziger diskutiert.
 
Worin bestanden die Befürchtungen der Mitglieder?
 
In erster Linie war es eine emotionale Geschichte. Die Melix hat eine lange und traditionsreiche Geschichte. Einige Mitglieder befürchteten, dass etwas von dem, was vor vielen Jahren aufgebaut wurde, verloren gehen könnte. Für mich bedeuten diese kritischen Stimmen aber nichts Negatives. Sie sind Anlass, darüber nachzudenken, aus welchem Grund man kritisiert wird, und – Kritiker machen einen kreativ.
 
In den Sennereien bzw. Milchgenossenschaften mussten die Auszahlungspreise heuer gesenkt werden. Sind auch die Obstbauern mit niedrigeren Auszahlungspreisen konfrontiert?
 
Im Vergleich zur Obstwirtschaft ist der Preis in der Milchwirtschaft stabiler. In der Obstwirtschaft gibt es gewaltige Preis-Spitzen, aber auch -Tiefen. Gibt es auf dem Markt zuviele Äpfel, dann sinkt der Preis natürlich. In der Folge kommt es zu Umsatzeinbußen und wenn man dann auch noch mit steigenden Betriebskosten zu kämpfen hat, kommt es gleich doppelt dick. Wir waren daher gezwungen, uns zu überlegen, wo wir einsparen könnten und haben uns dazu entschieden, die Sortierung und Verpackung auszulagern.
 
Wenn auf dem Markt zehn bis elf Millionen Tonnen Äpfel gehandelt werden, dann ist der Preis entsprechend niedrig.
 
Wenn auf dem Markt zehn bis elf Millionen Tonnen Äpfel gehandelt werden, dann ist der Preis entsprechend niedrig. Nach der schlechten Ernte 2020 gab es weniger Äpfel auf dem europäischen Markt und wir konnten gute Preise erzielen. Im Erntejahr 2021 wird mit einer relativ großen Apfelmenge gerechnet, weshalb wir vor einem sehr schwierigen Jahr stehen. Wir gehen deshalb heuer von schlechteren Auszahlungspreisen aus. Wie es mit der Ernte im Jahr 2022 wird, wird sich erst noch zeigen. Derzeit sieht es so aus, als würde es eine gute Ernte geben – was allerdings wiederum bedeutet, dass wir mit niedrigeren Preisen rechnen müssen.
 
 
 
 
Angeblich ist im Eisacktaler Obstanbaugebiet auch der Ertrag gesunken. Was sind die Gründe dafür?
 
Wir befinden uns mitten in einer Umstellung. Wir sind zusammengeschlossen im Verband der Südtiroler Obstgenossenschaften (VOG) und der Erzeugergenossenschaften (VIP). Dies ist von der EU-Marktordnung zwingend vorgesehen. Das hat Nachteile, aber auch sehr viele Vorteile. Im Einzugsgebiet der Melix wurden früher zum Großteil freie Sorten wie Golden Delicious angebaut. Diese Apfelbäume kennzeichnen sich durch einen relativ hohen Ertrag aus. Weil diese Sorten aber auch in vielen anderen Teilen Europas angepflanzt werden, wie in Polen oder Kroatien, haben sich Südtirols Erzeugerorganisationen nach und nach auf Vertragssorten spezialisiert, wie beispielsweise Pink Lady®, Kanzi®, envy™, Ambrosia™, Jazz™ und yello®. Die VOG hat die Lizenzen für diese Vertragssorten erworben, was bedeutet, dass nur eine bestimmte Menge angepflanzt werden kann. Der Punkt ist, dass die neuen Sorten ungefähr um ein Drittel weniger Ertrag bringen, weshalb auch der Preis für diese Äpfel entsprechend höher ist. Bei diesen Sorten gibt es schlichtweg keine Überproduktion. Wir haben den Anteil der Golden Delicious von rund 70 auf 30 Prozent gesenkt und entsprechend sind auch der Ertrag und die Anliefermenge in die Genossenschaft gesunken.
 
Bei diesen Sorten gibt es schlichtweg keine Überproduktion.
 
Der Fischereiverband kritisierte kürzlich den hohen Wasserverbrauch der Obstbauern im Vinschgau. Das Wasser wird unter anderem für die Frostberegnung gebraucht. Sind der hohe Wasserbedarf und ein etwaiger Mangel auch im Eisacktal ein Thema?
 
Am meisten fürchtet sich der Obstbauer vor Frost. Frostschäden verursachen nämlich erhebliche Ernteausfälle. 2017 beispielsweise konnten im Melix-Gebiet nur 25 Prozent der üblichen Mengen geerntet werden, weil der Frost die Apfelblüten vernichtete. Um das zu verhindern, brauchen wir die Frostberegnung. Ich muss allerdings dazu sagen, dass es nicht überall möglich ist, eine Frostberegnung durchzuführen. Aber, was der Fischereiverband behauptet, nämlich, dass die Obstbauern oder generell die Landwirtschaft das Wasser verbrauchen, kann ich so nicht stehen lassen. Die Landwirte nutzen das Wasser, indem sie die Obstwiesen beregnen. Von den Obstwiesen gelangt das Wasser wieder in den Boden. Das Wasser verbraucht wird von der Industrie und dem Haushalt. Natürlich kann ich die Kritik bis zu einem gewissen Grad verstehen – jeder ist schließlich auf seine Konzession bedacht –, aber ich glaube, dass die Restwassermengen relativ gut eingehalten werden.
 
Wassernot ist im Eisacktal also kein Thema?
 
Nur in längeren Trockenphasen. Wir sind allerdings relativ gut ausgestattet mit Beregnungsanlagen, zudem konnten wir durch die Tropfberegnung 40 Prozent des früheren Wasserbedarfs einsparen. Um für Trockenperioden vorzusorgen, baut man Speicherbecken und nutzt ein Kreislaufsystem, in welchem das Wasser nicht verschmutzt wird. Apropos ökologischer Aspekt: Das Abkommen mit unseren neuen Partnern Kurmark-Unifrut und Roen kommt auch der Umwelt zugute. Aufgrund der Sortenumstellung sind auch die Bestellmengen kleiner geworden. Haben wir früher einen Lkw voll verladen, wird heute nur mehr in Paletten bestellt. Allerdings liefern wir nach wie vor 80 Prozent unserer Ernte in den Süden. Anstatt also das gesamte Verpackungsmaterial nach Brixen transportieren zu lassen, um anschließend die verpackten Äpfel wieder weiter zu transportieren, werden diese Transportwege nun eingespart. Die zentrale Verarbeitung der Äpfel bringt auch ökologische Vorteile.
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Ein Leser Fr., 10.06.2022 - 14:20

Antwort auf von Manfred Gasser

Landesgericht Bozen - Zwangsvollstreckungen:
Sie können sich aktuell aussuchen, ob sie lieber einen Weinberg in Kurtatsch hätten, einen ganzen Bergbauernhof in Aldein oder doch lieber im Sarntal. Aber vielleicht interessiert sie ja das große Geld bei den Äpfeln…ein schöner Hof im Vinschgau wartet.
Die Anfangsinvestition holen Sie sich durch die ganzen Beiträge und das viele Geld, das Sie von den Genossenschaften bekommen, gleich wieder herein.
Und danach können Sie aus dem Vollen schöpfen: Bauernvilla bauen, fetten BMW fahren, „ummerplärren“ um noch ein paar Beiträge zu bekommen usw.
Das Beste daran: Ich nehme keine Provision für die Vermittlung, wie Sie zu Ihrem Traumberuf kommen und stinkreich werden! Gern geschehen!

Fr., 10.06.2022 - 14:20 Permalink
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Stefan S Fr., 10.06.2022 - 10:54

Ein Armutszeugnis der Managementebene. Anstatt auf Qualität und der Ausarbeitung von Alleinstellungsmerkmalen zusetzen beugt man sich dem Preisdruck im Massenmarkt. Insbesondere wenn die Konkurrenz einen Wettbewerbsvorteil bei den Produktions- und Lohnkosten hat ist es mittelfristig gesehen ein totaler Irrweg.

Fr., 10.06.2022 - 10:54 Permalink
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Heinrich Zanon Fr., 10.06.2022 - 11:43

Die Preise für (wohl meist hiesige) Äpfel in den unterschiedlichen Supermärkten des Landes sind durchgehend erstaunlich hoch und häufig höher als für überseeisches Obst verschiedener Sorten.
Es müsste den Vermarktern der Südtiroler Apfelproduzenten mit etwas Phantasie doch gelingen, Vertriebsschienen zu entwickeln, die es den Verbrauchern ermöglichen würden, im Normalangebot ordentliche hiesige Äpfel zu Preisen um etwa 1,50 Euro einzukaufen. Dies würde sicherlich die Nachfrage steigern, die Lust zum Griff nach umweltschädlich herbeigeschaffter exotischer Ware dämpfen und unseren Bauern vermutlich bessere Erlöse garantieren.

Fr., 10.06.2022 - 11:43 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Fr., 10.06.2022 - 12:35

Wenn der Handel den Apfel um ca. 1 Euro den Kilo einkauft (davon bekommt der Landwirt ca. 0,30 bis 0,50 Euro, bei gängigen Sorten, da ja Lagerung, Sortierung und Personal als Kosten dazukommen, ist die Preisdifferenz beim Handel zu suchen.

Fr., 10.06.2022 - 12:35 Permalink
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Klemens Riegler Fr., 17.06.2022 - 19:40

Die Frage, die sich mir hier stellt ist eigentlich eine ganz andere: Wozu braucht es dann überhaupt noch eine Fixkosten-intensive Melix-Genossenschaft? Vielleicht wäre es dann sogar sinnvoll auch den Obmann, den Verwaltungsrat & Co. "auszulagern". Also der Transport der Äpfel nach Kaltern und Margreid dürfte für diese Genossenschaften kein größeres Problem darstellen. Und Lagerkapazitäten gibt es in Südtirols Obstgenossenschaften sowieso jede Menge. Einige werden sogar zu Nicht-Landwirtschaftlichen Produktionsstätten umfunktioniert und andere seit Jahrzehnten als "Lager" für alles andere als landwirtschaftliche Produkte verwendet. Aber vielleicht ist der "Ertrag" durch diese Flächenvermietungen im landwirtschaftlichen Grün eh höher als durch Apfel-Einlagerung. Hoffentlich haben zumindest die Apfelbauern etwas davon.

Fr., 17.06.2022 - 19:40 Permalink