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„Nächstes Jahr ins Finale kommen“

Raphaela Folie aus Eppan spielt in Italiens bester Volleyball-Liga. Die Profisportlerin über ihren Alltag, ihre Erfolge und die nächsten Ziele.
Raphaela Folie
Foto: Francesco de Simone
Raphaela Folie spielt seit vielen Jahren in Italiens bester Volleyball-Liga. Im Interview spricht die Eppanerin, die seit letzter Saison bei Vero Volley Milano spielt, über ihren Alltag als Profi-Athletin, ihre Erfolge und Ziele, die sie verfolgt.
 
salto.bz: Frau Folie, wann haben Sie begonnen, Volleyball zu spielen?
 
Raphaela Folie: Als Kind habe ich viele verschiedene Sportarten ausprobiert: Badminton, Tischtennis und auch Fußball. Mit Volleyball habe ich angefangen, als ich in der 3. Grundschule war, weil zwei meiner Cousinen Volleyball-Trainerinnen waren.
 
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Raphaela Folie: „Man muss sich durchsetzen können, denn: In Italien ist die Konkurrenz sehr groß.“ (Foto: privat)
 
War es immer Ihr Traum, Profi-Volleyballspielerin zu werden?
 
Am Anfang hätte ich mir nie gedacht, dass ich es einmal bis hierher schaffe. Erst mit 14 hat mich mein damaliger Trainer darauf angesprochen und gemeint, dass ich locker auf Profiniveau spielen könnte. Er sagte, ich hätte ein großes Talent und könnte schon sehr hoch springen. Das Jahr darauf habe ich dann in der B2 gespielt, konnte mein Können weiterentwickeln und daraufhin ist es zu einem Traum geworden, in der Profiliga zu spielen.
 
Gab es in Ihrer Kindheit eine/n Volleyballspieler/in, die/der Sie besonders inspiriert und motiviert hat?
 
Nein, um ehrlich zu sein, kannte ich gar niemanden. Sogar bis ich selbst in die Serie A gekommen bin, kannte ich keine anderen Profi-Volleyballer/innen. Mit 19 durfte ich zum ersten Mal mit der italienischen Nationalmannschaft trainieren und hatte nicht einmal von den ganz Großen des italienischen Frauenvolleyballs gehört. Francesca Piccinini, Eleonora Lo Bianco und Antonella Del Core: Sie waren es, die italienische Volleyballgeschichte geschrieben haben - und ich kannte sie nicht. Am Abend habe ich dann zusammen mit meiner Zimmerkollegin die ganzen Namen auswendig gelernt (lacht).
Francesca Piccinini, Eleonora Lo Bianco und Antonella Del Core: Sie haben italienische Volleyballgeschichte geschrieben - und ich kannte sie nicht.
Wie sieht ein typischer Tag in Ihrem Trainingsalltag aus?
 
Einmal in der Woche, also nach dem Spiel, haben wir frei. Ansonsten wird immer trainiert, dreimal in der Woche wird auch zweimal am Tag trainiert. Das Training variiert zwischen Krafttraining und Training von einzelnen Kompetenzen, wie beispielsweise blocken, aufschlagen oder annehmen. Am Nachmittag wird noch einmal für drei Stunden trainiert. Da wird meist ein echtes Sechs-gegen-Sechs Spiel simuliert. Die freie Zeit dazwischen nutze ich gerade hauptsächlich fürs Lernen. Das kann aber jede selbst gestalten, wie sie möchte. Manchmal spielen wir zwei Spiele in der Woche, nämlich wenn auch Champions-League-Spiele anstehen.
 
Was ist der Grund für Ihren Erfolg?
 
Natürlich muss man die körperlichen Voraussetzungen mitbringen, also groß sein und eine gute Sprungkraft haben. Ich bin mit meinen 1,84 m im Vergleich zu meinen Mitspielerinnen nicht wirklich groß, die meisten von ihnen sind um die 1,90 m groß. Das war also eher nicht mein Vorteil (lacht), aber ich hatte eine gute Sprungkraft. Man muss sich durchsetzen können, denn: In Italien ist die Konkurrenz sehr groß. Wenn man es schaffen will, darf man nie aufgeben und muss sich ständig weiterentwickeln. Wenn man nicht genug Biss zeigt, gibt es viele andere Spielerinnen, die dich sofort ersetzen können.
Ich glaube, dass wir im nächsten Jahr alles haben, um zu gewinnen.
Den Scudetto, wenn auch nur sehr knapp, haben Sie dieses Jahr leider nicht gewonnen. Wie es war, so knapp am Sieg vorbeizuziehen?
 
Tja, heuer ist es wirklich sehr knapp gewesen gegen Conegliano. Ich habe in den sechs Jahren vorher mit Conegliano gespielt und wir haben immer alles gewonnen. Ich glaube, als es dieses Jahr so knapp wurde, hatten sie noch größere Angst, zu verlieren, als wir. Im Großen und Ganzen war ihr Spiel eher schwach, jedoch hatten sie einen Joker auf der Bank sitzen: Alexa Gray, die in der ganzen Saison eigentlich nie wirklich gespielt hatte, hat ihr bestes Spiel abgelegt und wir wussten nicht, wie wir sie stoppen sollen. Ich denke, für uns war es trotzdem ein recht guter Erfolg, bis ins Finale zu kommen und Conegliano zum ersten Mal seit sechs Jahren bis ins 5. Finalspiel zu bringen. Wir waren sogar auch mal vorne und hätten zu Hause gewinnen können. Wenn man sich beide Mannschaften ansieht, kann man wirklich sagen, dass wir beide sehr gut gespielt haben. Natürlich ist es schade und sehr frustrierend, wenn nur ein Satz bis zum Sieg fehlt. Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir im nächsten Jahr alles haben, um zu gewinnen. Hoffe ich (lacht).
 
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Raphaela Folie: „Der Champions League Sieg war wirklich einer der schönsten Momente.“ (Foto: privat)
 
Was sind Ihre Ziele für die nächste Saison?
 
Das ist einfach: in allen Meisterschaften bis ins Finalspiel zu kommen, von der Serie A und Coppa Italia bis hin zur Champions League. Der Club hat wirklich gute Arbeit geleistet. Wir haben ein sehr talentiertes Team, das alle Voraussetzungen mitbringt, ein paar Siege nach Hause holen zu können.
 
Was war Ihr bisher größter und schönster Erfolg?
 
Es ist schwierig, sich für einen zu entscheiden. Der erste Scudetto war auf jeden Fall etwas sehr Besonderes für mich. Aber die Weltmeisterschaft der Clubs mit Conegliano und die Champions League zu gewinnen, war ein unglaubliches Gefühl. Der Champions League Sieg war wirklich einer der schönsten Momente. Wir haben so lange dafür gekämpft und haben dreimal im Finale verloren. Dann endlich 3:2 zu gewinnen und das auch noch zu Hause in Italien war wunderschön. Dass wir die Weltmeisterschaft gewonnen haben, war eher eine Überraschung. Wir hatten es überhaupt nicht erwartet und machte es natürlich auch zu einem unvergesslichen Erlebnis.
 
Wie denken Sie an Ihre Zeit bei der Nationalmannschaft zurück?
 
Einmal bei der Nationalmannschaft mitspielen zu dürfen und womöglich auch noch etwas zu gewinnen, ist natürlich der Traum von jedem Sportler. Ich bin sozusagen in eine Übergangszeit zwischen alter und junger Generation hineingefallen. Als ich die ersten Male beim Nationalteam mittrainiert habe, war ich noch lange nicht auf ihrem Level. Es gab viel Wechsel in diesen Jahren sei es bei den Spielerinnen als auch von Trainerseite. Vor ungefähr fünf Jahren wurde es besser, es gab mehr Konstanz und das Team wurde immer besser. Leider hatte ich in dieser Zeit häufig mit Verletzungen zu kämpfen und konnte so beispielsweise bei der Weltmeisterschaft nicht dabei sein, wo das Team den zweiten Platz belegte. Mein größtes Ziel war es, einmal bei den Olympischen Spielen dabei zu sein und das habe ich geschafft, wenn auch während Covid und somit ohne Publikum. Leider konnten wir keine Medaille mit nach Hause nehmen. Seit zwei Jahren pausiere ich beim Nationalteam, da ich meine Knie schonen muss.
 
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Raphaela Folie: „Vor Kurzem habe ich mein Studium in Bildungswissenschaften an einer Online-Universität abgeschlossen.“ (Foto: privat)
 
Welchen Hobbys gehen Sie nach, wenn Sie kein Training haben?
 
Ich lese sehr gerne, gehe gerne in die Berge oder fahre übers Wochenende gerne mal weg, wenn es sich zeitlich ausgeht. Aber auch Sprachen interessieren mich sehr, neben Deutsch, Italienisch und Englisch habe ich auch Portugiesisch gelernt. Generell lerne ich gerne Neues und versuche mich immer weiterzubilden. Viel freie Zeit gibt es momentan aber nicht, da ich nebenbei studiere.
 
Was kommt nach der Volleyball-Karriere?
 
Vor Kurzem habe ich mein Studium in Bildungswissenschaften an einer Online-Universität abgeschlossen. Da ich noch nicht genau weiß, wie es nach meiner Volleyball-Karriere weitergehen soll, studiere ich jetzt auch noch Tourismuswissenschaften. Als ich die Oberschule abgeschlossen hatte, gab es die Möglichkeit, ein Studium online zu absolvieren, noch nicht. Deshalb war es unmöglich für mich, bei einer Universität ein Studium anzufangen. Jetzt bin ich sehr froh, dass es diese Option gibt und möchte mich so gut es geht weiterbilden, bis ich ans Ende meiner Karriere komme.
 
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Dietmar Holzner So., 09.07.2023 - 09:38

Raphaela spielt nicht nur in Italiens bester Liga, sondern in weltbesten Liga (das ist Konsens in der Fachwelt). Und sie ist dort ins Finale gekommen. Dies nur um zu betonen, was diese Frau leistet. Meine höchste Anerkennung.

So., 09.07.2023 - 09:38 Permalink