Wirtschaft | Nahverkehr

“Das ist ein Riesenschritt”

Friedenspfeife des Landes mit SAD-Chef Ingemar Gatterer? Was STA-Präsident Martin Ausserdorfer zur Lösung des Konflikts über die Daten des öffentlichen Nahverkehrs sagt.
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Foto: rr

Salto.bz: Herr Ausserdorfer, die Landesregierung hat in dieser Woche einen Dienstleistungsvertrag zwischen der Südtiroler Transportstrukturen AG (STA) und dem Informations- und Serviceprovider (SII) gutgeheißen, mit dem die STA die Hoheit über die Daten des öffentlichen Nahverkehrs erhält. Warum war das wichtig?
Martin Ausserdorfer: Vor allem, um allen einen gleichen und fairen Zugang zu diesen Daten zu gewähren. Immerhin geht es hier um sämtliche Statistiken und Auswertungen der Fahrten, um Informationen zur Nutzung swa Südtirol Pass oder Verspätungen und vieles mehr. Die sollen künftig bei der STA zusammenfließen und mit einem intelligenten Informationssystem kombiniert werden. So können wir dann auch Echtzeitdaten liefern und die modernen Technologien tatsächlich ausnutzen.

Bis heute gibt es dagegen keinen fairen Zugang?
Bis heute ist es so, dass die SAD diese Daten in der Hand hatte und wir als STA sie erst in einem zweiten Moment erhalten haben, geschweige denn Dritte. Indem der SII nun von der SAD abgetrennt und eigenständig bei der STA angesiedelt wird, muss die SAD morgen bei uns genauso um die Daten anfragen wie es Libus, Trenitalia, KSM oder alle anderen Konzessionäre machen müssen. Diese Daten gehören der Öffentlichkeit und somit kommen sie jetzt dorthin, wo sie hingehören.

War es also ein Fehler, dass diese Daten überhaupt in private Hände gerieten?
Ich würde nicht sagen, dass es ein Fehler war. Man muss das alles aus der Entwicklung heraus betrachten. Als man vor vielen Jahren mit den Abrechnungen begann, war die SAD teilweise noch mit der STA in einem gemeinsamen Unternehmen verbunden. Sie hatte auch noch viel eher einen öffentlichen Auftrag als nun nach der Wandlung zu einem privaten Unternehmen. Vor allem aber hatte vor über 20 Jahren niemand vorhergesehen, dass sich das Datenmanagement derart entwickelt. Damals hatte man noch Papierkarten zu entwerten und die Zeit wareinfach eine andere. Deshalb würde ich sagen, wir haben nun eine zeitgerechte und notwendige Anpassung vorgenommen, um fit für die Zukunft zu sein.

Die STA wird den Informations- und Serviceprovider SII allerdings erst nach der Neuvergabe der Linienkonzessionen tatsächlich übernehmen. Sollen die Daten erst dann öffentlich zugänglich sein?
Nein, bereits vor der Neuausschreibung sollen alle künftigen Konzessionäre dieselben Voraussetzungen für die Teilnahme am Wettbewerb haben und Zugang zu den Daten erhalten. Natürlich sind solche Datenmanagementsysteme sehr komplex, das heißt, man wird diesen Zugang jetzt Schritt für Schritt umsetzen, um im Laufe des nächsten Jahres zu 100 Prozent gerüstet zu sein.

Die SII erhält laut dem nun unterzeichneten zweijährigen Dienstvertrag satte 12,2 Mio. Euro, um den Dienst in den kommenden beiden Jahren weiterzuführen. Das ist viel Geld ...
Ja, aber das ist keineswegs ein geschenktes Geld.  Wir haben als Vertragsbasis die Kosten hergenommen, die das Land Südtirol in den vergangenen Jahren bezahlt hat, um die Daten zu verwalten und aufzubauen, und zusätzlich eine Kostenschätzung und Wertanalyse von einem renommierten Informatiker machen lassen. Und der Dienst kostet das Land nicht mehr als bisher.

Vor allem wollte SAD-Chef Ingemar Gatterer ursprünglich 15 Millionen Euro für die Abtretung der Daten. Wie hat man ihn letztlich rumgekriegt -  mit der Abtretung der STA-Beteiligung an der SAD?
Wir haben Herrn Gatterer einfach überzeugt, dass diese Lösung sinnvoller ist, als sich in rechtlichen Streitigkeiten zu verlieren. Wir brauchen nicht unter den Tisch kehren, dass die Abtretung unserer SAD-Anteile auch ein Wunsch Gatterers war. Doch wir hatten damit überhaupt kein Problem, weil wie als STA kein Interesse haben, eine Beteiligung an einem privaten Unternehmen zu haben. Ich bin generell der Überzeugung, dass wir uns mit Beteiligungen aus privaten Unternehmen zurückziehen sollen. Diesbezüglich wurde in den vergangenen Jahren schon viel aufgeräumt. Die Vinschger Bahnanlagen wurden aufgelöst und inkludiert, genauso der Safety Park, die Green Mobility wurde aus verschiedenen Teilbereichen zusammengeführt und bei uns direkt angesiedelt. Und die SAD-Beteiligung fiel unter dasselbe Kapitel, sie hat für uns keine strategische Bedeutung und demensprechend haben wir sie abgetreten und als Zahlungsmodalität eingegeben.

Das heißt, der geschätzte Wert der Beteiligung in Höhe von 800.000 Euro wird vom Serviceentgelt an den SII abzogen?
Genau. Das ist mit einem Gutachten der Staatsadvokatur möglich.

Zusätzlich fließen laut Vertrag auch die Einnahmen aus dem Ticketverkauf an die STA statt wie bisher an die SAD.
Alle Finanzflüsse gehen künftig über unsere Konten, das werden wir ebenfalls im Laufe des nächsten Jahres umstellen. Ich muss sagen, das gesamte Abkommen ist ein Riesenschritt, mit dem alles sauber aufgeräumt wird. Wir sind auch wirklich stolz, dass nun doch alles vernünftig und ohne Rechtsstreitigkeiten gelöst werden konnte. Hier muss auch dem Landeshauptmann und Mobilitätslandesrat Mussner ein Kompliment ausgesprochen werden, die uns dabei sehr unterstützt haben. Ich glaube, das Ganze ist wirklich ein großer Erfolg und eine wichtige Korrektur.

Der öffentliche Nahverkehr ist in Südtirol letzthin immer unübersichtlicher geworden – nicht zuletzt aufgrund der Frage, was tatsächlich noch öffentlich und was privat sein soll. Wie sehen Sie das?
Öffentlich muss die Infrastruktur sein, also im Bereich Bahn das Schienennetz, im Bereich Bus die Bushäuschen und so weiter. Privat sollte dagegen der Betreiber sein. Das heißt, die öffentliche Hand schlägt vor, ich brauche eine Bus, der täglich ins Tauferer Ahrntal fährt. Und dann gibt es einen Wettbewerb, mit dem festgestellt wird, wer dies am besten erfüllen kann. Im Bereich des Busankaufs, von Mitarbeitern, Wartung oder betrieblichem Management sind Private dagegen einfach schlanker und besser als die öffentliche Hand. Deshalb sollte sie die Dienste auch abwickeln, während die öffentliche Hand bestellt und bestimmt.