Wirtschaft | Nahverkehr

Tatbestand: Bus-Stalking

Die Konflikte rund um die SAD sind um eine Episode reicher: Am Ritten und am Tschöggelberg ist von Stalkingvorgängen gegen Linienbusbetreiber die Rede. Die Hintergründe.
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Foto: upi

Wer wie der alte und der aktuelle Landeshauptmann, einige Beamte und Verbandsvertreter oder die Medien auf der Mail-Verteilerliste von SAD-CEO Ingemar Gatterer steht, ist einiges gewohnt. Von Beschimpfungen und Herabwürdigungen bis hin zu Klage- und Rekursdrohungen, fristlosen Kündigungen von Linienkonzessionen bis zur der langen Nase, die der SAD-Chef der Landesverwaltung am Dienstag in einem weiteren seiner legendären Schreiben zeigte. Gatterers Kommentar zum von der Landesregierung genehmigten Landesmobilitätsplan, der die Basis für die bevorstehende Neuausschreibung der Buskonzessionen darstellt?

Erstens verstoße die Landesverwaltung mit der Einteilung des Landes in Einzugsgebiete gegen staatliche Vorgaben. Und außerdem habe sie bei der Vorbereitung der Ausschreibung so gravierende Fehler gemacht, dass die SAD AG nun mit zwei entscheidenden Vorteilen in das Rennen um Konzessionen gehe: Ihr würden mittlerweile nicht der nur der gesamte mit öffentlichen Geldern geförderten Buspark gehören, für den ein möglicher neuer Betreiber geschätzte 30 Millionen Euro Ablöse an sein Unternehmen zahlen müsse, schreibt Gatter. Darüber hinaus verfüge die SAD über strategisch wichtige Immobilien zu äußerst niedrigen Marktkonditionen. Denn in der Landesverwaltung habe man laut ihm offenbar übersehen, den 1988 abgeschlossenen Mietvertrag der SAD für die gesamten Landesimmobilien der STA im Hinblick auf den Wettbewerb abzuändern. Womit sich der Vertrag am 3. Jänner automatisch für weitere sechs Jahre verlängert habe.  

Der Vorwurf

Leichtere Lektüre bot dagegen das Schreiben, das Gatterer am Abend zuvor an zwei seiner ehemaligen Auftragnehmer für Liniendienste richtete:  

Sehr geehrter Herr Ramoser,
Sehr geehrter Herr Domanegg,

mit Bezug auf die unten angeführte Schilderung, teile ich Ihnen mit, dass SAD – welche für die ordnungsgemäße Durchführung der in Untervergabe erteilten Liniendienste verantwortlich ist – gegen die beschriebenen „Stalkingvorgänge“ Anzeige erstattet wird, sollten sich diese nochmals wiederholen. Unsere Rechtsanwälte sind über den Vorfall informiert – Folgehandlungen werden demnach ohne weitere Anmerkung sofortige Rechtsfolgen haben.

Hochachtungsvoll
Dr. Ingemar Gatterer, MBA
(CEO SAD AG)

Was genau er unter Stalkingvorgängen versteht, ist dann in einem beigelegten, auf Italienisch verfassten Mail des Rittner Busunternehmers Josef Rauch zu lesen. Der beklagt sich darüber, dass seine Busfahrer sowohl am Ritten als auch in Afing täglich belästigt würden – indem sie von den Sub-Konzessionären, die dort bis Dezember die Liniendienste durchführten,  gefilmt und fotografiert werden. Rauch liefert dabei auch konkrete Namen: Evi Ramoser von Rittner Reisen, die die Busfahrer seit dem 10. Dezember täglich auf dem Parkplatz in der Kaiserau mit ihrem Handy aufnehme, sowie Erwin Domanegg, der dasselbe Spiel beim Passieren der Busse vor seiner Wohnung in Afing betreibe.  Evi Ramoser habe die Belästigung in einer Situation, in der ein Fahrer Schneeketten anlegen musste, so weit getrieben, dass dieser sogar die Carabinieri gerufen habe. Erwin Domanegg wiederum würde als Gemeinderat in Afing die anderen Gemeinderäte, aber auch verschiedene Verbände und Hotels dazu aufrühren, ebenfalls mit Video und Foto, jedes Detail in der täglichen Arbeit der Busfahrer zu melden. So werde jeder kleinste Fehler an den Pranger gestellt, was für die beauftragten Busfahrer einen enormen Druck bringe und wenig motivierend sei, klagt Josef Rauch.

Vendetta oder berechtigte Reklamationen? 

Geht es hier also um die vendetta von zwei der rund drei Dutzend Mietwagenunternehmer, denen Mitte Dezember in einer beispiellosen Aktion fristlos der Auftrag für die Ausführung von Liniendiensten für die SAD entzogen worden war?  Eine Art gewaltloser Kampf der bisherigen Sub-Konzessionären gegenüber den Unternehmen, die auf dem Ritten und dem Tschögglberg für Gatterers SAD seit 10. Dezember die Liniendienste übernommen haben, sprich das Rittner Unternehmen Sonnenreisen sowie das Busunternehmen Dibiasi aus Kurtatsch?  „Das stimmt doch alles nicht und ist nicht einmal der Rede wert“, kontert Evi Ramoser von Rittner Reisen. Sie würde ihre Tochter täglich zum Bus fahren und da „sieht man sie halt“. Außerdem würden auch die Busfahrer von Sonnenreisen Fotos von ihr machen, meint die Unternehmerin. „Die sollen ihre Arbeit gut machen, dann gibt es keine Reklamationen“, sagt Ramoser. Statt dessen bekomme sie aber fast täglich Anrufe, dass sie ihre Tochter irgendwo holen müsse, weil es Probleme mit dem Bus gibt.

In eine ähnliche Richtung argumentiert Erwin Domanegg in Afing. „Wir haben sicherlich größere Probleme als hier Polizei zu spielen“, sagt er. Schließlich müssten er und seine beiden Brüder ihr Unternehmen Domanegg Reisen nach dem unerwarteten Auftragsentzug neu strukturieren. Zwei Busse würden nun im Jänner verkauft, die Mitarbeiterzahl sei bereits von 20 auf 16 verkleinert worden. Fakt sei aber, dass die neuen Sub-Konzessionäre von Beginn an viel Vertrauen verloren hätten, weil es vor allem bei Dibiasi häufig zu Ausfällen oder Verspätungen komme oder die vielfach komplett ortsfremden Fahrer vom Schnee überfordert waren. „Pünktlichkeit und Sicherheit der Busdienste sind für mich nicht nur als Familienvater essentiell, dessen Kinder den Bus nutzen“, sagt Domanegg. „Ich werde auch als Fraktionsvorsteher und Gemeinderat regelmäßig kontaktiert, wenn ein Bus nicht kommt – und ich glaube, es ist in diesen Fällen auch mein Auftrag, so etwas an die Verantwortlichen zu melden.“ Es sei zwar eine Tatsache, dass er aufgrund von seiner Wohn- und Lebenssituation in Afing die Busse – „ob ich es will oder nicht“ – vor Augen habe. „Doch unsere Arbeit erlaubt es nicht einmal, tagtäglich irgendwelche Busse zu filmen“, meint Erwin Domanegg.

„Wir haben sicherlich größere Probleme als hier Polizei zu spielen."

Als Beleg für seine Position verweist er auch auf einen Beschwerdebrief, der vom Jenesier Bürgermeister Paul Romen in dieser Woche an die Landesregierung, das Amt für Personenverkehr und die SAD geschickt wurde.„Seit Inkrafttreten des neuen Winterfahrplanes 17/18 und der damit einher gehenden neuen, internen Führung und Beauftragung der SAD von Diensten im Personennahverkehr hat sich in Südtirols Gemeinden und so auch in Jenesien gar einiges leider schlecht entwickelt“, schreibt der Bürgermeister darin. So geben es in seiner Gemeinde vor allem in Afing und Flaas andauernd Beschwerden über nicht bzw. zu spät ausgeführte Dienste, die insbesondere für Pendler und Schüler am frühen Morgen auf keinen Fall vertretbar seien. „Diese  Unsicherheit,  ob der notwendige Bus kommt bzw. pünktlich kommt, ist für Pendler und Familien belastend , organisatorisch schwer zu meistern und führt Nutzer grundsätzlich dazu wieder das eigene Auto zu verwenden“, schreibt Romen in seinem Beschwerdebrief. Dies stehe im krassen Widerspruch zu den „immer wieder betonten Willen für möglichst viele BürgerInnen den öffentlichen Personennahverkehr bestmöglich attraktiv zu gestalten“. 

„Unser Ziel ist es, den öffentlichen Nahverkehr zu stärken und zu potenzieren, um ein nachhaltiges, bedarfsorientiertes Angebot mit hohem Qualitätsstandards für die Fahrgäste zu schaffen“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher am Dienstag bei der Vorstellung des Landesmobilitätsplans. Doch wie es aussieht, steht der scheidenden Landesregierung dafür unter den aktuellen Voraussetzungen noch so manche Challenge bevor.