Wirtschaft | Öffentliche Bauten

Wackelige Firma

Das Bauunternehmen Condotte soll das neue Gefängnis und das Bibliothekenzentrum bauen. Jetzt steckt das Großunternehmen aber in großen finanziellen Schwierigkeiten.
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Foto: condotte spa
Die Nachricht aus Rom dürfte in Südtirol einschlagen wie eine Bombe.
Am 5. Jänner 2018 hat die „Società Italiana per Condotte d’Acqua SPA“ beim Landesgericht in Rom einen Antrag auf gerichtlichen Ausgleich unter Fortführung der Tätigkeit (Prodedura di concordato in continuità aziendale) gestellt. Es ist nach dem geltenden Konkursrecht eine Art Konkordat, das erlaubt die Schulden umzuschichten, um den ordentlichen Fortbestand eines Unternehmens zu sichern.
Dass der römische Antrag direkt mit Südtirol zutun hat, liegt daran, dass die „Condotte SPA“, wie sie heute genannt wird, in Bozen gleich zwei öffentliche Großprojekte in der Hand hat, auf deren Umsetzung man seit Jahren wartet. Das neue Bozner Gefängnis und das Bozner Bibliothekenzentrum.
 

Das Gefängnis

 
Die Condotte SPA hat zusammen mit der Konzerntochter Inso Spa im Juli 2013 die Ausschreibung für den Bau und die Führung des neuen Gefängnisses in Bozen Süd gewonnen.
Es handelt sich um ein PPP-Modell mit einem Gesamtvolumen von rund 54 Millionen Euro. Die Baukosten betragen knapp 32 Millionen Euro. Zwei Jahre und drei Monate soll die Bauzeit betragen. 67 Prozent der Gesamtkosten (36,18 Millionen Euro) übernehmen die beiden privaten Unternehmen, 33 Prozent (17,82 Millionen Euro) das Land Südtirol. Im Gegenzug bekommt die Condotte für 18 Jahre eine Konzession zur Führung des Gefängnisses. Darin ist nicht die direkte Bewachung der Gefangenen enthalten, die per Gesetz dem Justizministerium vorbehalten ist, sehr wohl aber die ordentliche und außerordentliche Instandhaltung der Vollzugsanstalt, die Führung aller Dienste wie Mensa, Wäscherei und Reinigung, sowie die Verwaltung der Bereiche für sportliche Betätigung, Weiterbildung und die Freizeitaktivitäten der Gefangenen.
 

Der Bibliothekenpool

 
Auch die zweite Baustelle ist ein Großprojekt. Auf dem Schulareal "Pascoli – Longon" soll in der Landeshauptstadt ein neues Bibliothekenzentrum entstehen. In dem neuen Bibliothekenpool werden die drei Bibliotheken der Stadt zusammengeführt, die Landesbibliothek "Dr. F. Teßmann", die Stadtbibliothek Bozen "C. Battisti" sowie die Italienische Landesbibliothek "Claudia Augusta". Das Siegerprojekt des Architekten Christoph Mayr Fingerle ermöglicht dabei den Erhalt des Eingangsbereichs, der Hauptfassade und der Haupttreppe der Pascoli-Schule.
 
Auch diesen Auftrag hat sich um rund 40 Millionen Euro die Condotte SPA gesichert. Das römische Unternehmen hat Ende Juni 2017 mit der höchsten Punktezahl die öffentliche Ausschreibung gewonnen. Auch hier beträgt die Bauzeit drei Jahre.
 

Die Schulden

 
Ob es aber wirklich zur Verwirklichung dieser beiden Projekte durch die Condotte SPA kommt, steht plötzlich in den Sternen.
Der Grund dafür: Das 1880 gegründete Traditionsunternehmen, das inzwischen auf der ganzen Welt Großbaustellen betreibt, ist in eine gefährliche finanzielle Schieflage geraten. Aktuell hat Condotte 461 Millionen Euro an Bankschulden und 767 Millionen Euro an Gesamtausständen angehäuft. Vor allem die öffentliche Hand ist bei der Zahlung von Großprojekten in Verzug. Die Situation ist weit ernster als nur ein Liquiditätsengpass.
Mit dem Beratungsunternehmen Rothschild hat das Unternehmen deshalb am Landesgericht Rom einen Sanierungsplan vorgelegt. Der Kern des Rettungsschirms: Die Gründung einer neuen Inhouse-Gesellschaft, die die gesamtem Aktivitäten der Gruppe übernimmt und die Schaffung einer Art Bad Company, in der die Forderungen, die Streitfälle und die Schulden der Unternehmensgruppe zusammengelegt werden. Das Gericht muss diesem Ausgleich aber zustimmen.
Welche Auswirkungen diese Entwicklung auf die Südtiroler Projekte haben wird, ist noch nicht absehbar. „Die Bauten werden sich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal verzögern“, wagt man in der Landesverwaltung eine Prognose. Was passiert, wenn das Gericht das Konkordat nicht annimmt, daran wagt man derzeit noch nicht zu denken.
Zu Problemen könnte es dann auch bei anderen Südtiroler Großprojekt kommen. Denn die Condotte SPA baut auch auf österreichischer Seite des Brennerbasistunnels mit.