Gesellschaft | Interview mit Kris Krois

Diese Welt neu gestalten

Kann man mit Design wirklich die Welt verändern? Man kann. Das zeigte jedenfalls die Konferenz „By Design or by Disaster“.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Vom 2. Mai bis 7. Mai fand an der Uni Bozen die Konferenz „By Design or by Disaster 2016“ (DoD16) statt. Es geht darum, mit Design und Kommunikation öko-soziale Ziele zu verwirklichen. DoD16 gab sich die Hand mit dem „sustainability festival“, das parallel von Studierenden aller Fakultäten veranstaltet wurde. Was zunächst abstrakt klingt – „öko-soziale Ziele“ –, wird hier ganz konkret behandelt. Design ist nicht nur Ästhetik, ist nicht nur Luxus. Ganz im Gegenteil, sagt Kris Krois, Organisator der Konferenz und Professor für Design an der Uni Bozen, im Interview mit salto.

 

„By Design or by Disaster“ – wie kommt man zu diesem Titel?
Das ist erst mal ausgezeichnet, dass dies so gerne gefragt wird und sich die Leute Gedanken dazu machen – das ist nämlich schon die erste Absicht dieses Titels. Der eigentliche Gedanke dahinter lautet hingegen: In Richtung Nachhaltigkeit geht es so oder so. Entweder auf dem Wege des Desasters, dadurch, dass der Überkonsum und die Überproduktion aufgrund von Krisen und Konflikten zurückgehen werden – in einer brutalen Weise, die keiner von uns erleben möchte –, oder durch Design, noch bevor unsere Ressourcen aufgebraucht sind und die Welt vollkommen aus den Fugen gerät: Schritt für Schritt durch Gestaltungsarbeit in Richtung Nachhaltigkeit. Das ist dann Design im weitesten Sinne.

Kann man mit Design zu einer nachhaltigeren Welt beitragen?
Design ist erst durch die Industrialisierung entstanden und hat seitdem wesentlich zu Steigerung von Konsum und Produktion beigetragen, indem Produkte und Dienstleistungen nützlich und attraktiv gestaltet wurden. Dies hat zunächst grundlegende Bedürfnisse gestillt und in unserer Gesellschaft zu Wohlstand und hohen zivilisatorischen Standards geführt. Design und Marketingkommunikation haben aber auch neue Sehnsüchte und Lebensstile geschaffen, um Produktion und Konsum immer weiter wachsen zu lassen, über jeden rationalen Bedarf hinaus. Wenn Design zu diesem quantitativen Wachstum beigetragen hat, dann kann es auch zu einer Kultur der Nachhaltigkeit beitragen, die nicht nur Besitzwohlstand erzeugt, sondern ein gutes Leben für alle, mit mehr Zeit und Raum für Genuss, Gemeinschaft und anderen Qualitäten, die das Leben lebenswert machen – und das nicht auf Kosten der Umwelt, zukünftiger Generationen und Menschen, die weniger privilegiert sind als wir.

Wie ist dieses neugesetzte Ziel zu erreichen?
Um zu lernen, wie Design in diese Richtung arbeiten kann, haben wir einen ganzen Studiengang, den Master in Ökosozialem Design. Auf eine knappe Formel kann ich hier nicht kommen, aber zumindest schlaglichtartig zeigen, um was es geht. Nachhaltigkeit sehe ich nicht als Zustand, sondern als Weg. Wir Designer wollen hierzu einen Beitrag leisten, und das können wir nur mit Partnern, weshalb wir im projektorientierten Studium mit vielfältigen Partnern arbeiten, und verschiedene Designrichtungen mit Sozial- und Wirtschaftswissenschaften in ein Zusammenspiel bringen. Ein bescheidenes Beispiel ist der Gemeinschaftsgarten, der an der Uni Bozen entsteht und der im Zentrum des Workshops von DoD16 stand. So ein Garten braucht eine langfristige Pflege und eine Gemeinschaft, die diese gewährleistet. Um das zu erreichen, fragen wir uns: Wie können wir eine funktionierende Gemeinschaft wachsen lassen, die eine Vision teilt, Entscheidungen fällt und produktiv zusammenarbeitet? Welche Rituale und Routinen gestalten wir, um eine kontinuierliche Zusammenarbeit sehr unterschiedlicher Menschen zu ermöglichen, im Rahmen einer Universität, die ja keine Gärtnerei ist? Zum Beispiel definieren wir, dass Beete kleine Module sind, die beweglich sind, die erweitert und kombiniert werden können, und dass es für  jedes davon eine Beet-Familie gibt, die sich dafür verantwortlich fühlt. Außerdem wurden essentielle Rollen festgelegt, damit Prozesse wie diese und das damit verknüpfte Wissen von einer Generation von Studierenden zur nächsten Generation übertragen werden. Gestaltet wurden also nicht nur Dinge, sondern auch Instrumente der Organisation und der Kommunikation, z.B. auch eine Marke, ein “Black Board”, ein System zur Dokumentation, und vieles mehr – vor allem aber wurde im Workshop, der von open state geleitet wurde, eine gemeinsame Vision entwickelt und eine Gemeinschaft geschaffen.

Wie viel Interdisziplinarität war auf der Konferenz enthalten?
Wir haben hier wie auch in unserem Master verschiedene Disziplinen aus Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, die dazu beitragen, dass wir Designer unsere Arbeit besser machen. Auch PolitikwissenschaftlerInnen und -aktivistInnen waren dabei, die sich ja ebenfalls fragen, wie Gesellschaft und Politik funktionieren, und welche Gestaltungsmöglichkeiten da grundsätzlich existieren.

In der Ausstellung der im Master entstandenen Arbeiten stand das Thema Essen im Fokus. Was kann Design auf diesem Gebiet beitragen?
Als Erstes gilt es, sich den Kontext anzuschauen – zwischen Landwirtschaft und Esskultur: Was gibt es da und was ist möglicherweise nachhaltig? Das sind zum Beispiel Nahversorgungssysteme, wo kleine Bauern Verbraucher in der Region versorgen. Eine solche Wirtschaftsweise braucht auch eine Kultur des Austauschs zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen, nicht nur von Geld und Waren, sondern auch von Informationen und gegenseitigem Verständnis, so dass VerbraucherInnen verstehen, wieso zum Beispiel aufgrund der Trockenheit der Sellerie kleiner ist als sonst, was sie mit seltenen Sorten machen können und vieles mehr, während die Bauern verstehen müssen, was die VerbraucherInnen brauchen und mögen. Und dementsprechend müssen sie sich untereinander koordinieren. Das hat erst mal mehr mit Organisation und Kommunikation zu tun, doch diese benötigt Gestaltung, um attraktiv, funktional und erfolgreich zu sein.

In München gibt es zum Beispiel einen Laden, in dem man alles unverpackt kauft.
Das gibt es demnächst auch in Bozen. An dem Projekt sind unter anderem mehrere StudentInnen der Fakultät für Design und Künste an der Gestaltungsarbeit beteiligt: Wie ist das Ladenlokal gestaltet, wie funktionieren die Behälter, von denen die KundInnen Nahrungsmittel entnehmen, und  wie stellt sich das Ganze nach außen so dar, dass die BoznerInnen den Mehrwert erkennen und eine neue Einkaufsgewohnheit lernen? Und vieles mehr, was gut gestaltet werden will.

Sind die letzten Konferenztage gut und produktiv verlaufen, in andren Worten: ist es gelungen, etwaige Desaster erfolgreich abzuwenden?
Die Desaster haben sich in Grenzen gehalten und wir konnten sie gut handhaben. Kleine Unglücke und Konflikte sind auch Teil des Spiels. Gemeinsam etwas zu gestalten muss man ja erst mal lernen. Wir sind nämlich sehr individualistisch und nehmen uns selbst zu wichtig, aber wir erlernen "Instrumente" und Vorgehensweisen, die eine kreative Zusammenarbeit erleichtern, auch in einer nicht-hierarchischen und heterogenen Gruppe. Am Ende waren alle sehr glücklich, und haben viel gelernt. Es gab sehr positives Feedback von verschiedenster Seite: von Studierenden, Lehrenden und Forschern diverser Universitäten, von den internationalen SprecherInnen und Workshopleitern, von Angestellten aus Technik und Verwaltung der unibz, ebenso wie vom Rektor.

 

Die „By Design or by Disaster“-Tage hängen eng mit dem jungen Masterstudiengang in Öko-Sozialem Design zusammen. Bewerben kann sich jeder, der bereits einen Bachelor und Lust an  projekt-orientiertem Lernen hat. Ein Abschluss in Design ist nützlich, aber nicht zwingend erforderlich. Willkommen sind auch kreative Projektmanager, verrückte Ingenieure, praxis-orientierte Sozialwissenschaftler, mutige Wirtschaftler, neugierige Immigranten und alle anderen, die gemeinsam mit sehr verschiedenen Leuten nachhaltige Gestaltung lernen wollen.

Bewerbungsschluss: 21. Juli 2016. Mehr Informationen: designdisaster.unibz.it/MA/

Credits für alle Bilder: unibz / Stefania Zanetti