Politik | Landtag

Warten auf Rom

Die Ernennung des italienischen Verwaltungsrichters wird immer mehr zur Farce. Weil Fabrizio Cavallar einen Eilantrag an den TAR Lazio gestellt hat, will man zuwarten.
Consiglio provinciale
Foto: Consiglio/Werth
Der Terminkalender sagt mehr als tausend Worte. Genau 15 Minuten hat die Landtagspräsidentin für die Entscheidung festgelegt.
Am Dienstagnachmittag treffen sich die acht italienischen Abgeordneten, um über die Nominierung des neuen italienischen Richters am Verwaltungsgericht Bozen zu beraten. Rita Mattei hat das Treffen für 14.15 Uhr angesetzt. Um 14.30 beginnt der Landtag.
Diese zeitliche Beschränkung macht deutlich, dass es zu keiner Entscheidung kommen wird. Denn die Zeichen stehen allgemein auf Zuwarten. „Wenn wir Glück haben, dann können wir das Kapitel spätestens in Juni abhaken“, heißt es im Landtag.
Dazu wird es aber viel Glück brauchen. Denn die Situation ist durchaus verfahren.
 

Peinliche Wahl

 
Die Vorgeschichte ist bekannt. Seit Herbst 2021 ist die Stelle eines italienischen Richters am Bozner Verwaltungsgericht frei. Anfang Jänner 2022 wird die Bewerbungsfrist mit der Entscheidung einer Fachkommission abgeschlossen. Von den 17 Interessierten werden acht Bewerberinnern und Bewerber zu einer Anhörung geladen und zwei davon von der Auswahlkomission für geeignet befunden: Fabrizio Cavallar, Direktor des Rechtsdienstes für das Territorium in der Landesverwaltung und Carlo Busato, langjähriger Richter am Landesgericht Bozen.
 
 
 
Doch dann taucht ein rechtliches Problem auf. In den gesetzlichen Bestimmungen steht wörtlich: „Eine weitere Voraussetzung für die Ernennung ist ein Alter von mindestens 40 und höchstens 60 Jahren“. Fabrizio Cavallar aber hat mit 24. Jänner 2022 das 60. Lebensjahr erreicht. Damit müsste der Landesbeamte eigentlich aus dem Rennen sein.
Doch Landtagspräsidentin Rita Mattei gibt bei den eigenen Rechtsämtern ein Rechtsgutachten in Auftrag. Das Ergebnis: Fabrizio Cavallar kann ernannt werden, weil er beim letzten Termin zur Einreichung der Gesuche noch nicht 60 Jahre alt war.
Trotz dieser formalen Bedenken wird Cavallar am 7. April vom Landtag zum neuen Verwaltungsrichter gewählt. Vorausgegangen waren drei Wahlgänge der italienischen Abgeordneten, die letztlich mit 5 zu 2 Stimmen für Cavallar gestimmt haben. Dass man einen Landesbeamten einem Berufsrichter mit 40 Jahren Erfahrung vorzieht, dürfte eine Besonderheit des Südtiroler Rechtssystems sein.
 
 
 
Vergangene Woche folgt dann der Paukenschlag aus Rom. Südtirols Verwaltungsrichter werden zwar vom Landtag gewählt, sie müssen aber - wie alle Richter - vom Staatspräsidenten per Dekret ernannt werden. Dazu bedarf es vorab eines Beschlusses des Ministerratspräsidiums, das die Ernennung durch den Landtag nochmals prüft.
Bei dieser Prüfung hat man die Entscheidung des Landtages annulliert. Der Grund: Die rechtlichen Bedenken gegen die Ernennung Cavallars seien stichhaltig. Weil der Jurist am 7. April 2022 bereits das 60. Lebensjahr überschritten habe, könne er nicht zum Verwaltungsrichter ernannt werden.
 

Die Uneinigkeit

 
Damit muss die Wahl im Landtag wiederholt werden. Mit nur einem Kandidaten: Carlo Busato. Doch dagegen sträuben sich jetzt gleich mehrere Landtagsabgeordnete.
Sowohl Carlo Vettori (Forza Italia) als auch Alessandro Urzì (Fratelli D‘ Italia) beanstanden, dass das keine Wahl mehr sei. Ihr Vorwurf: Die Auswahlkommission hätte durch die strenge Auslese und das Zulassen von nur zwei Kandidaten die Auswahl zu sehr eingeschränkt. Beiden plädieren deshalb dafür, dass man das gesamte Auswahlverfahren annulliert und neu startet. Ähnlich sieht es auch M5S-Vertreter Diego Nicolini.
Riccardo Dello Sbarba sieht das anders. „Wir können das auf keinen Fall tun“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete „denn es gibt klare Spielregeln, an die wir uns wohl oder übel zu halten haben“.
 
 
 
Jahrelang war es so, dass der Landtag aus den eingereichten Bewerbungen freihändig die neuen Verwaltungsrichter auswählen konnte. Dann wurde per Durchführungsbestimmung die Ernennungsprozedur geändert und eine Fachkommission eingerichtet, die ein professionelles Auswahlverfahren durchführt. Die Südtiroler Grünen befürworten diese neue Prozedur ausdrücklich.
Die Politik entscheidet damit nur mehr in dieser zweiten Phase und wir können jetzt das Rad nicht einfach zurückdrehen und die erste Phase kurzerhand annullieren“, ist sich Dello Sbarba sicher.
Zudem ist eines klar: Geht man diesen Weg, wird Carlo Busato, der einzig verbliebene Kandidat, per Rekurs die Annullierung eines neuen Auswahlverfahrens erzwingen. Er hat dabei mehr als nur gute Karten in der Hand.
 

Römische Dringlichkeit

 
Man hofft jetzt auf eine weitere römische Entscheidung, um aus diesem Schlamassel herauszukommen.
Am vergangenen Freitag wurde dem Landtag der Rekurs von Fabrizio Cavallar zugestellt. Der Landesbeamte ficht vor dem Verwaltungsgericht Latium den Beschluss des Ministerrates an. Cavallars Anwalts, der Professor für Verwaltungsrecht und ehemalige Alitalia-Präsident Aristide Police, hat neben dem Rekurs auch einen Dringlichkeitsantrag hinterlegt. Weil der Südtiroler Landtag bereits diese Woche die Wahl Busatos auf die Tagesordnung gesetzt habe, soll der Gerichtspräsident per Dringlichkeitsverfügung den Ministerratsbeschluss vorläufig aussetzen. Damit soll die Wahl Busatos gestoppt werden.
 
 
Jetzt hat man ein weiteres Problem. Was passiert, wenn man Busato wählt und das Verwaltungsgericht Latium Cavallars Dringlichkeitsantrag annimmt? Dann legt der Südtiroler Landtag die nächste Bauchlandung hin.
Um das zu vermeiden, spielt man auf Zeit. Das heißt: Man dürfte die Entscheidung auf Juni vertagen. Denn bis dahin wird in Rom über den Dringlichkeitsantrag entschieden sein. Und man kann diese Entscheidung durchaus auch als Vorentscheidung für das eigentliche Verfahren werten.
Was passiert, wenn man Busato wählt und das Verwaltungsgericht Latium Cavallars Dringlichkeitsantrag annimmt? Dann legt der Südtiroler Landtag die nächste Bauchlandung hin.
Sollte das Gericht aber bereits dieser Tage, den Dringlichkeitsantrag Cavallar ablehnen, wird der Landtag eine Entscheidung treffen müssen.
Nach neun Monaten könnte dann die Wahl auf jenen Mann fallen, der eigentlich Präsident des Südtiroler Landesgerichts werden sollte. Aber anscheinend der Mehrheit der italienischen Landtagsabgeordneten als Verwaltungsrichter nicht genehm ist.
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Tschoerner Hagen Di., 10.05.2022 - 12:02

Um eine unabhängige Gerichtsbarkeit zu gewähren, vor allem bei Verwaltungsgericht und Staatsrat sollten die Richter per Zufall ausgewählt werden. Je höher die Rechtssicherheit in einem Staat, desto mehr internationale Investitionen kann man erwarten. Die Rechtssicherheit in Italien gefährdet die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung, wann werden unsere "Vertreter auf Zeit" das endlich verstehen?

Di., 10.05.2022 - 12:02 Permalink