Gesellschaft | #Multilingual

I understand only trainstation

Englischsprachige Filme werden immer noch ins Deutsche synchronisiert. Das wird oft peinlich. Und verdirbt unsere Sprachkenntnisse. Ein Kommentar.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Film
Foto: (c) pixabay

Werbeleute der Filmindustrie stehen bei jeder neuen Filmveröffentlichung vor demselben Dilemma: Wie zum Teufel sollen wir den englischen Originaltitel knackig ins Deutsche übersetzen? Nicht immer glückt dieses Experiment, wie folgende Beispiele zeigen:

Der knappe Originalname des Films „About a Boy“ wurde zum verwirrenden Titel „About a Boy oder: der Tag der toten Ente.“

Auch warum ein neutraler Filmtitel („We were Soldiers“) im Deutschen zur glorifizierenden Aussage wird („Wir waren Helden“) verwundert.

Manche Übersetzungen verkommen zu Peinlichkeiten, wenn sie 1:1 übernommen werden – so wie bei dem Film „Mo‘ Money.“ Der umgangssprachliche Ausdruck, abgeleitet von „More Money“, funktioniert im Englischen. Den Ausdruck „Meh‘ Geld“ – so heißt der Film tatsächlich im Deutschen – gibt es aber nicht.

Werden Filme vom Englischen ins Deutsche synchronisiert, wird auch in den Dialogen häufig auf diese erzwungene und überdehnte Sprache zurückgegriffen. Allein, um uns diese Wortakrobatik zu ersparen, sollten Filme immer auch im Original zugänglich sein. Vor allem aber sollten wir Filme in Fremdsprachen schauen, um unsere Sprachkenntnisse zu erweitern.

 

Eine kurze Geschichte der Filmdoppelung

 

Als Ende der 1920er Jahre die ersten Tonfilme begannen, den Stummfilm zu verdrängten, standen US-amerikanische Produktionen (die den Großteil der internationalen Filmbranche ausmachten) vor einem Problem: Im Ausland verlor man das Interesse an den Filmen, weil man die Dialoge darin nicht verstand. Gesichtsausdrücke und Körperhaltung waren als universelle Sprache nicht mehr genug, der Beruf des Synchronsprechers und der Synchronsprecherin war geboren. Der Film „Erpressung“ von Alfred Hitchcock wurde zum ersten Tonfilm mit synchronisierten Stimmen.

Bis sich die Synchronisierung als Lösung durchsetze, dauerte es aber noch über ein Jahrzehnt. Denn Publikum und Schauspielteam mussten sich erst daran gewöhnen, dass nun eine andere Stimme ertönte, wenn die Figuren hinter dem Bildschirm ihre Lippen bewegten.

Außerdem war eine Nachbearbeitung des Films technisch in den ersten Jahren noch nicht möglich, sodass Szenen mehrfach gedreht werden mussten und die Synchronsprecherinnen und –sprecher in dem Moment die Dialoge nachsprachen. Manche Filme wurden gleich mit verschiedenen Darstellern und Darstellerinnen verschiedener Muttersprachen gedreht. All das kostete viel Aufwand und Geld.

 

Szenen wurden früher mehrfach gedreht, die Synchronsprecherinnen und –sprecher mussten in dem Moment die Dialoge nachsprechen.

 

Nach dem 2. Weltkrieg etablierte sich mit ausgereifter Technik und kultureller Gewöhnung das Synchronisieren in Deutschland immer mehr und die ersten Synchronisationsstudios wurden gegründet.

Jedoch wurde der Inhalt für ausländische Fans häufig so verändert, dass er mehr Zuschauerinnen und Zuschauer in die Kinos lockte. In Deutschland wurden vor allem Referenzen zum Nationalsozialismus zensiert. Im Kultfilm „Casablanca“ aus dem Jahr 1942 etwa wird die gesamte Nazi-Handlung durch eine Agentengeschichte ersetzt. Erst 15 Jahre später wurde diese falsche Überspielung rückgängig gemacht.

Heute ist die Synchronisation zu einer echten Kunst geworden. Denn sie erfordert nicht nur eine simple Übersetzung der Sprache, sondern die Akustik muss auch der Bewegung der Lippen entsprechen. Zudem müssen jede Anspielung, Redewendung und Witz für die Zielkultur so übersetzt werden, dass sie verstanden werden. Wird nicht professionell genug synchronisiert, kann ein grundsätzlich erfolgreicher Film in einem anderen Land floppen.

Gleichzeitig führt die Professionalisierung der Filmübersetzungen aber auch zu den oben genannten peinlichen Sprachkonstrukten und sinnlosen Übersetzungen. Und sie macht uns sprachfaul.

 

Warum Niederländer und Estinnen besser Englisch sprechen als Deutsche

 

Im deutschsprachigen Raum, aber auch dem italienischen, spanischen und französischen wird mittlerweile jeder Film sprachlich gedoppelt. Außer es handelt sich um Arthouse-Filme, jene Kunstprodukte abseits des Mainstreams mit höherem literarischem Anspruch.

Es gibt aber Länder in der EU, die englischsprachige Filme nicht synchronisieren, sondern lediglich Untertitel benutzen. Dazu gehören beispielsweise die Niederlande, Estland und die skandinavischen Länder. Ein Grund: wegen der geringen Bevölkerungsanzahl ist eine Übersetzung nicht rentabel. Zudem lehnt die lokale Bevölkerung Übersetzungen ab. Eine Ausnahme bilden Kinder- und Jugendfilme, die in fast jedem europäischen Land synchronisiert werden.

 

Studien haben gezeigt: Jene Länder, in denen hauptsächlich Untertitel statt Synchronisierungen verwendet werden, trauen sich die Menschen eher zu, einfache Gespräche auf englisch zu führen.

 

Diese Entscheidung, Filme und Serien nur im Originalton auszustrahlen, tut nicht nur den Filmkassen gut, sondern vor allem den Sprachkenntnissen. Denn auch wenn Untertitel vorhanden sind, die Zuschauerinnen und Zuschauer mitlesen – das Ohr wird trotzdem trainiert.

Studien haben gezeigt: Jene Länder, in denen hauptsächlich Untertitel statt Synchronisierungen verwendet werden, trauen sich die Menschen eher zu, einfache Gespräche auf englisch zu führen. In den Ranglisten der Bevölkerungen mit den besten Englischkenntnissen liegen Länder wie Estland, die Niederlande, Schweden und Dänemark immer wieder vorne – jene Staaten also, die auf englisch fernschauen.

 

Wie Netflix unsere Film-Gewohnheiten ändert

 

Moderne Film- und Serien-Plattformen wie Netflix oder Amazon Prime brechen die verkrusteten Übersetzungsstrukturen auf, indem sie die Videos in mehreren Sprachen anbieten. Somit geben sie den Zuschauerinnen und Zuschauern die Macht zurück, selbst zu entscheiden: Will ich den Film im Original schauen und dabei mein Englisch verbessern, oder lehne ich mich heute lieber entspannt in die Couch und lasse mich in meiner Muttersprache berieseln?

Dieses Modell ist am demokratischsten, da es vor allem auch jene Zuschauerinnen und Zuschauer mitnimmt, die vielleicht über geringe Lesekompetenzen verfügen oder über ein eingeschränktes Sehvermögen. Für sie reichen Untertitel allein nicht immer aus.

Ein weiteres Plus von online Streaming-Plattformen: Sie erweitern stetig ihr kulturelles Repertoire. Mittlerweile tummeln sich auf Netflix ausländisch produzierte Filme und Serien. So kann jeder von zuhause aus nicht nur auf unterhaltsame Weise sein Englisch trainieren, sondern auch – ohne trockenen Unterricht – Französisch oder Spanisch lernen, Russisch oder Arabisch, Koreanisch oder Hindi.

Bild
Profil für Benutzer Oswald Kofler
Oswald Kofler So., 16.10.2022 - 10:39

Sie haben vollkommen recht. Und stellen Sie sich vor, man würde dazu übergehen, in den Übersetzungen zu gendern, wo es das im Englischen z.B. gar nicht gibt ...Wenn in einem Film z.B. jemand über mangelnden Zuspruch einer Veranstaltung klagt "... where are the visitors ..." und heißt es in der deutschen Fassung "...wo bleiben die Besucherinnen und die Besucher ..."

So., 16.10.2022 - 10:39 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Konrad Hofer
Konrad Hofer So., 16.10.2022 - 11:48

Frage: Warum ist es im Kino nicht möglich einen Film im Original und einer weiteren Sprache gleichzeitig zu zeigen? Ist dies rechtlich oder technisch nicht möglich? Dass es an der Technik liegt, kann wohl nicht sein. Die Originalsprache oder 2. Sprache kommt über die Lautsprecher, die andere über Kopfhörer, bzw. Smartphone mit einer entsprechenden App.

So., 16.10.2022 - 11:48 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler So., 16.10.2022 - 12:24

Dass die Synchronisierung "unsere Sprachkenntnisse verdirbt", ist eine vollkommen haltlose Behauptung. Wenn die Synchronisierung gut gemacht ist, verdirbt sie überhaupt nichts, wenn sie schlecht gemacht ist, verdirbt sie vor allem den Filmgenuss, aber noch lange nicht unsere Sprachkenntnisse.

So., 16.10.2022 - 12:24 Permalink