Politik | Wahlen

Gerupftes Edelweiß

Die Gewinner, die Verlierer und die Überraschungen. Eine Analyse der Gemeinderatswahlen 2015.

Es gehört dazu. Am Morgen nach der Wahl gibt es (fast) nur Sieger. Die Einen freuen sich weil sie wirklich gewonnen haben. Die Anderen reden sich ihre Niederlage klein und streichen vor allem die Lichtblicke heraus. Genauso wird es auch bei den Gemeinderatswahlen 2015 sein.
Vor allem die Südtiroler Volkspartei wird in diesen Tagen durch ein Wechselbad der Gefühle gehen. So unterschiedlich kann man den Wahlausgang bewerten. In manchen Gemeinden hat man dazugewonnen, doch unterm Strich hat es südtirolweit für die Regierungspartei mehr als nur eine Watsche gegeben.
Die Gemeinderatswahlen 2015 haben für die SVP zwei Entwicklungen aufgezeigt, die für die Südtiroler Regierungspartei besonders gefährlich sind.

  • Vor fünf Jahren waren Bürgerlisten in Mode und sie haben bei den Gemeinderatswahlen etwa in Eppan, Toblach oder Auer die ersten Bürgermeistersessel erobert. In der SVP-Zentrale ging man davon aus, dass es eine Zwischenspiel wird und der Zauber schnell verloren geht. Gekommen ist es aber völlig anders. Bei den Gemeinderatswahlen 2015 haben die Bürgerlisten in den meisten Gemeinden nicht nur ihre Wahlerfolge konsolidiert, sondern noch ausgebaut (etwa in Eppan oder Toblach). Vor allem aber haben neue Bürgerlisten neue Gemeinden erobert (Innichen, Freienfeld, Natz-Schabs. Wolkenstein oder Prad) oder – wie etwa in Meran – der SVP eine historische Wahlniederlage beschert.
    Die Botschaft ist für die Volkspartei eindeutig: Man merkt in den Südtiroler Gemeinden, dass es auch ohne die SVP geht.

  • Der Parteiausschluss aus der SVP war in Südtirol jahrzehntelang das politische Todesurteil. Bei diesem Gemeinderatswahlen hat sich aber gezeigt, dass dieser Trumpf nicht nur nicht mehr sticht, sondern zum Erfolgsgaranten für die Konkurrenz werden kann. Fritz Karl Messner in Sterzing, Kurt Ploner in Niederdorf oder der von der SVP verschmähte Guido Boccher in Toblach haben trotzdem das Bürgermeisteramt erobert.

Sieben Niederlagen

Die SVP hat bei diesen Gemeinderatswahlen insgesamt sieben Bürgermeister verloren. In Sterzing hat sich Fritz Karl Messner mit 54,5 Prozent der Stimmen deutlich durchgesetzt. Hier dürfte der Kampf um die Krankenhaus-Schließung ausschlaggebend gewesen sein. In Innichen hingegen hat überraschend die Bürgerlisten-Kandidatin Rosmarie Burgmann mit 57 Prozent die Bürgermeisterwahl gewonnen. Hier aber war die Krankenhaus-Schließung keineswegs so wahlentscheidend. Denn auch der unterlegene SVP-Kandidat Werner Tschurtschenthaler hat sich dem Protest von Anfang angeschlossen.
In Natz Schabs setzte sich Andreas Unterkircher äußerst knapp gegen den amtierenden Bürgermeister Peter Gasser durch. In Wolkenstein kam der SVP-Bürgermeister Peter Mussner nur mehr auf 38,2 Prozent der Stimmen und wurde vernichtend von Roland Demetz (57,3 Prozent) geschlagen.
Auch in Prad wurde mit Karl Bernhart erstmal ein Nicht-SVPler zum Bürgermeister gewählt. Der amtierende Niederdorfer Bürgermeister Kurt Ploner wurde wie Fritz Karl Messner in Sterzing vor den Wahlen aus der SVP ausgeschlossen und holte jetzt den Bürgermeistersitz für eine Bürgerliste.
Die SVP hat auch in Freienfeld erstmals den Bürgermeister verloren. Dort hat sich durchaus überraschend Peter Faistnauer von der Bürgerliste durchgesetzt.

Die Botschaft ist für die Volkspartei eindeutig: Man merkt in den Südtiroler Gemeinden, dass es auch ohne die SVP geht.

Die SVP-Verluste

Die SVP hat Südtirolweit flächendeckend Stimmen verloren. Besonders schmerzlich ist dabei aber der Wahlausgang in Meran. In der Passerstadt hat die Volkspartei das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Die SVP ist von 36,5 Prozent (2010) auf 25,2 Prozent (2015) abgestürzt. Das ist ein Minus von 11,3 Prozent. Wer dabei das Problem ist, wird an einer Zahl deutlich. SVP-Spitzenkandidat Gerhard Gruber hat mit 24,4 Prozent um 0,8 Prozent-Punkte noch einmal schlechter abgeschnitten als die SVP-Liste.
Auch im Bozen zeichnet sich mit 3,8 Prozentpunkten weniger ein klarer Verlust für die Volkspartei ab. In Leifers hat die SVP mit 0,8 Prozent hingegen kaum verloren.
Als klare SVP-Niederlage muss auch die Wahl in St. Ulrich gewertet werden. Ewald Moroder und die SVP schafften es dort nicht, die Hälfte der Wahlbeteiligten zu mobilisieren. So kommt es zu Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten.
Die größten Verlust für die Volkspartei gab es aber in:

Niederdorf - 42,8 %
Stilfs - 22,8 %
Prad - 22,2 %
Glurns - 19,5%
St. Christina - 17,2 %
Truden - 12,7 %
Terlan - 12 %
Mals - 11,3 %
Wolkenstein - 11,1 %
Innichen - 10,5 %
Kastebell-Tschars - 9,7 %
Toblach - 8,7 %
Gsies - 7,6 %
Schenna - 7,3 %
Ritten - 6,3 %
Eppan - 6,1%

Problem Meran

Das Wahlergebnis in Meran macht auch deutlich, dass es in der Passerstadt für die SVP besonders gefährlich werden wird. Bei den Gemeinderatswahlen 2010 kamen Günther Januth mit 35,7 Prozent und Christina Kury mit 16,6 Prozent in die Stichwahl. Am Ende setzte sich Januth mit 58,9 Prozent gegen Kury mit 41,1 Prozent durch. Während der SVP-Kandidat Günther Januth 2010 im zweiten Wahlgang aber nur mehr 750 Stimmen dazugewinnen konnte, schaffte Christian Kury damals fast 2.000 Stimmen mehr.
2015 hat Gerhard Gruber im ersten Wahlgang aber nur 24,4 Prozent der Stimmen erreicht. Paul Rösch schaffte hingegen 22,1 Prozent. Derzeit trennen die beiden Spitzenkandidaten nur 350 Stimmen. Wiederholt sich bei der Stichwahl in zwei Wochen aber der Trend von 2010, dann wird der neue Bürgermeister von Meran, Paul Rösch heißen.

Die Lichtblicke

Für die SVP gibt es in einigen Gemeinden auch deutliche Stimmenzuwächse. Doch in vielen Kommunen ist diese Gewinn nur darauf zurückzuführen, dass die politische Konkurrenz nicht mehr antritt.
Deutliche Lichtblicke unterm Edelweiß sind aber die Gemeinden Brixen und Salurn.
In Salurn hat die SVP um 10,1 Prozentpunkte bei diesen Wahlen zugelegt und stellt mit Roland Lazzeri durchaus überraschend auch den Bürgermeister. Auch in Brixen hat die Volkspartei mit 8,7 Prozentpunkten massiv dazu gewonnen. SVP-Kandidat Peter Brunner schaffte mit 51,2 Prozent die Wahl zum Bürgermeister gleich im ersten Wahlgang.
Echte Stimmengewinne gab es für die SVP auch in folgenden Gemeinden:

Rasen Antholz + 15,8 %
Prettau + 12,5 %
Graun + 11,1 %
Taufers im Münstertal + 9,2 %
Kiens + 9 %
Vahrn + 6,3 %
Tramin + 5,6 %
Sand in Taufers + 5,1 %
Montan + 4,7 %
Pfalzen + 4,4 %
Sarntal + 3,2 %

Der Gleichstand

Eine Besonderheit ist das Dörfchen Tiers. Dort hat sich der SVP-Kandidat Gernot Psenner bei der Bürgermeisterwahl mit 55 Prozent gegen den Kandidaten der „Liste Rosengarten“ Martin Antholzer Pfeifer mit 45 Prozent durchgesetzt.
Bei den Listenstimmen hat aber die Bürgerliste mit 51,8 Prozent gegen 48,2 Prozent für die SVP die Nase vorne. Im Gemeinderat haben beide Liste damit 6 Sitze. Eine mehr als interessante Konstellation.

Der Parteiausschluss aus der SVP war in Südtirol jahrzehntelang das politische Todesurteil. Bei diesem Gemeinderatswahlen hat sich aber gezeigt, dass dieser Trumpf nicht nur nicht mehr sticht, sondern zum Erfolgsgaranten für die Konkurrenz werden kann.

Die Opposition

Allgemein hat die Südtiroler Opposition bei diesen Gemeinderatswahlen deutlich verloren. Die großen Verlierer sind dabei die Freiheitlichen und die Grünen.
Die Freiheitlichen haben in Mühlbach mit dem Pius Leitner Bruder, Alois Leitner knapp den Bürgermeistersitz verpasst. Am Ende fehlten nur 50 Stimmen. Sie haben in der Gemeinde aber ein Drittel der Stimmen und Sitze geholt. Sonst haben die Blauen aber landesweit deutlich verloren.
Auch die Grünen können sich kaum freuen. Nur in Meran ging das Experiment mit Paul Rösch einen bürgerlich, liberalen Kandidaten ins Rennen zu schicken auf. In Brixen hat die grüne Bürgerliste 3,5 Prozent verloren und den Einzug in die Stichwahl deutlich verpasst.
In Bozen kommen die Grünen nur mehr auf 5,1 Prozent und verlieren damit im Vergleich zu 2010 1,4 Prozentpunkte. Die Grüne Bürgermeisterkandidatin Cecilia Stefanelli schafft mit 10,5 Prozent aber durchaus einen Achtungserfolg.
Der 5-Sterne-Kandidat Rudi Rieder hatte im Wahlkampf recht großspurig angekündigt, dass er auf jeden Fall in die Stichwahl kommen wurde. Am Ende landete Rieder aber mit 9,5 Prozent nur auf dem 5. Platz. Wohl recht enttäuschend.
Immerhin schaffte es seine Partei mit 9,7 Prozent aber zu vierstärksten politischen Kraft in der Landeshauptstadt aufzusteigen. Auch die Lega Nord hat den Matteo-Salvini-Effekt ausgenutzt und in Bozen 11 Prozent der Stimmen geschafft.
Ein stiller Wahlsieger ist aber die Südtiroler Freiheit. Die Männer und Frauen um Sven Knoll konnten im ersten Wahlgang der Nach-Eva-Klotz-Ära Südtirolweit ihre Präsenz in den Gemeinderäten nicht nur konsolidieren, sondern noch ausbauen.
Auch Wilfried Trettl und seine Bürgerliste muss man zu den Wahlsiegern zählen. Der Eppaner Bürgermeister hat 68,9 Prozent der Stimmen erreicht und damit gegenüber 2010 um 23,8 Prozent zugelegt. Trettl hat damit in der 15.000 Einwohner-Großgemeinde seinen SVP-Herausforderer Philipp Waldthaler mit 24,4 Prozent deutlich deklassiert.