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Reelle Chance

Pia Tomedi ist KPÖ-Spitzenkandidatin für die Gemeinderatswahlen in Innsbruck. Ein Gespräch über leistbares Wohnen, Benko, Marxismus und was sie mit Südtirol verbindet.
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  • SALTO: Die Stadt Graz hat es vorgemacht, Salzburg hat vor kurzem nachgezogen... Im Windschatten der beiden Landeshauptstädte gibt es durchaus gute Chancen für die Innsbrucker Kommunist*innen auf Wahlerfolg?

    Pia Tomedi: Genau, so ist es. Klar spüren wir den Aufwind von Graz und natürlich vor allem jenen von Salzburg. Salzburg hat gezeigt, dass die Menschen sich eine soziale Politik wünschen, eine Politik, die nicht nur redet, sondern auch tut. Und das machen wir auch in Innsbruck, indem wir unsere Gehälter abgeben, indem wir Sprechstunden anbieten und mit der Bevölkerung gemeinsam Kampagnen machen, um so Druck von unten in die Gremien zu bringen. Wir haben in den letzten paar Jahren kontinuierlich gute Politik im Dienste der Menschen gemacht, Sprechstunden angeboten, wir haben die Menschen über den Tirol-Zuschuss und andere Fördermittel informiert. Wir haben Informationen an über 40.000 Haushalte verteilt mit dem Angebot, dass die Menschen sich bei Fragen oder bzgl. Unterstützung an uns wenden können. 

  • Freudige Wahleinreichung: Spitzenkandidatin Pia Tomedi im Wahlkampfmodus Foto: Privat

    Und geschieht das?

    Durchaus. Wir haben auch im Zuge der Sprechstunde heuer zum dritten Mal die Holzaktion gestartet, wo wir Holz an Menschen spenden, weil sie sich das Heizen mit Holz nicht mehr leisten können. Wir haben eine Zufriedenheitsumfrage im Olympischen Dorf zu den Innsbrucker Stadtwohnungen gemacht, um herauszufinden, wo der Schuh drückt und um Verbesserungsvorschläge dann direkt an die Innsbrucker Immobiliengesellschaft (IIG) weiterzugeben: für eine Verbesserung und eine Entlastung der Mieter und Mieterinnen. Wir haben in den letzten Jahren immer kontinuierlich und gut mit der Innsbrucker Bevölkerung zusammengearbeitet. Das zeigt sich jetzt auch in den Umfragewerten. Die KPÖ steht gerade bei ca. 6%. Klar, das sind Stimmungsbilder, aber es zeigt schon, dass wir eine reelle Chance haben, den Sprung in den Gemeinderat zu schaffen.
     

    Wir wollen eine soziale und gerechte Gesellschaft.


    Ihr setzt – ähnlich wie die Genoss*innen in Salzburg und Graz – auf Bürgernähe und Sprechstunden, was viele Politiker*innen anderer Parteien durch mitunter abgehobene Ansichten nicht machen, da ihnen die Menschen und eine gerechte Entwicklung leider vielfach egal sind. Die KPÖ will diese Lücke füllen?

    Die Politik soll im Dienst der Menschen stehen und nicht für irgendeine Karriere, zur eigenen Bereicherung oder um sich irgendwelche Posten gegenseitig zuzuschieben. Ich glaube, dass das die Menschen eigentlich immer schon wollten, also dass die Politik im Dienst der Bevölkerung ist und nicht umgekehrt. Das haben viele Parteien vergessen. Wir wollen eine Partei des "täglichen Gebrauchs" sein und der Politikverdrossenheit entgegenarbeiten. Viele Politiker und Politikerinnen hören den Menschen nicht mehr zu und es haben verlernt auf die Menschen zuzugehen und sich den wirklichen Alltagssorgen und Alltagsprobleme anzunehmen. Wir tun das. 

  • Wahlkampfwochenende-Selfie: Noch schnell ein paar Stimmen einfangen Foto: Privat

    Seit wann sind Sie Kommunistin?

    Marxistin bin ich schon länger. Und Kommunistin, bei der Partei, bin ich erst seit drei Jahren…

    Marxistin sein, was bedeutet das?

    Der Marxismus ist ja ein Analysewerk und also quasi ein Handwerk für Kommunist*innen, wie wir die Welt analysieren und was die Schlussfolgerung daraus ist, dass man nur durch gemeinsamen Druck von unten, also mit der Bevölkerung, eine Veränderung erwirken kann. Dass das System, in dem wir jetzt leben, wo der Profit vor den Menschen steht, nicht mehr so weitergehen kann wird von vielen Menschen auf vielen Ebenen zu Recht kritisiert. Da braucht es Veränderung, hin zum Menschen und zu deren Bedürfnissen. Bei uns steht ganz klar, die Grundversorgung aller Grundbedürfnisse im Mittelpunkt – dass die Grundbedürfnisse Wohnen, Essen, Gesundheit, Bildung, Kultur, Verkehr ausreichend und gut gedeckt sind. Und leistbar. Wir wollen eine soziale und gerechte Gesellschaft.

    Sie haben es eben angeführt, das "leistbare" Wohnen. Das krasse Gegenüber in diesem Zusammenhang ist der Ex-Immobilien-Tyccon und gebürtige Innsbrucker René Benko, der u.a. auch in Südtirol aktiv wurde. Wie muss die Politik mit der Person Benko, seinen obskuren Netzwerken und undurchsichtigen Machenschaften umgehen?

    Das Beispiel René Benko oder der Signa Holding zeigt ganz klar die Verwicklungen zwischen Politik und Wirtschaft. Das muss beendet werden. Und Benko muss zur Rechenschaft gezogen werden. Und er kann gar nicht so ausführlich zur Rechenschaft gezogen werden, wie er Schaden an der Republik Österreich und auch in anderen Ländern – auch an Menschen – angerichtet hat. Das muss strafrechtlich verfolgt werden. Das andere ist, was wir daraus lernen können, dass die Politik aufhören muss, mit Spekulanten oder irgendwelchen Immobilienfirmen den roten Teppich auszurollen.

    Wie bei Benko gibt es auch bei Ihnen eine Verbindung nach Südtirol…

    Genau. Meine Mama kommt aus Südtirol, aus Lana. Ich habe eine sehr enge emotionale Verbindung nach Südtirol, weil Südtirol immer auch ein Stück Heimat für mich ist. Als Kinder waren wir wirklich sehr viel in Südtirol „drinnen“. Auch heute fahre ich regelmäßig rein. Ich habe selber Kinder und mir ist wichtig, dass der Kontakt zu Südtirol weiterhin bestehen bleibt.

    War es in Ihrer Familie bereits vorgezeichnet, dass es bei Ihnen politisch in die linke Ecke geht? 

    Ich würde sagen, dass meine Mama ein sehr großes Gerechtigkeitsgefühl hat und eine große Humanistin ist. Wir sind von ihr sehr humanistisch erzogen worden. Von dem her, war das jetzt nicht unbedingt in die Wiege gelegt, aber ich glaube es wurde ein guter Wertekompass vermittelt. 
     

    Grundsätzlich bin ich immer für die Aufweichung von Grenzen.

  • Wir sind schon auf dem Brenner...: Anarchist*innenprotest (2016) am Brenner gegen die Grenzschließung. Foto: Il manifesto/Lapresse

    Am vergangenen Wochenende protestierten tausende Bauern am Brenner, in Sebastian Kurz-Zeiten Anarchist*innen gegen die Grenzschließung. Der Ort selbst steht mit seinen unpassend in die Landschaft gesetzten Kauftempeln für einen unattraktiven kapitalistischen Unort. Wie blicken Sie – von Innsbruck aus – auf den Brennerpass?

    Also ich kann mich noch gut erinnern, wie wir früher – als es noch die Kontrollen gegeben hat – relativ lange gebraucht haben, um nach Südtirol zu reinzukommen. Mit dem Eintritt Österreichs in die EU und mit der Erweiterung des Schengen-Raums ist das zum Glück weggefallen. Das war schon auf jeden Fall eine Verbesserung für jene, die regelmäßig von Südtirol nach Nordtirol wechseln, und umgekehrt. Es gibt halt die kulturellen Verbindungen zwischen den beiden Regionen: die gemeinsame Geschichte. Grundsätzlich bin ich immer für die Aufweichung von Grenzen.

    Wie handhaben Sie die Kritik am Kommunismus, zu seiner Geschichte und Gegenwart? 

    Die meisten Menschen finden die KPÖ gut und wählen uns, weil wir ehrliche und soziale Politik wollen, wo es Helfen im Vordergrund steht und nicht das Kassieren. Und was die Kritik angeht: im Grunde ist es so, dass die KPÖ sich bereits in den 1990er-Jahren mit ihrer Geschichte sehr intensiv auseinandergesetzt hat. Mir war das damals wichtig, als ich zur Partei gekommen bin, die glorreichen Zeiten aufzuarbeiten, aber auch die dunklen Zeiten und die enge Beziehung, bzw. Abhängigkeit zu Moskau. Es braucht eine gute Fehlerkultur, in dem Sinne, dass man sagt, ja, wir haben Fehler gemacht, wir stehen dazu und wollen es nicht mehr wiederholen.

    Eine gesunde Fehlerkultur. Wird die irgendwann auch beim Kapitalismus ankommen? 

    Ich glaube nicht, der Grund liegt darin, dass sich kapitalistische Wirtschaftssysteme sehr gut anpassen können. Stichwort Greenwashing, wo Unternehmen quasi sich ein Nachhaltigkeitszertifikat selber basteln. Oder Pinkwashing, wo sich Unternehmen zu einem feministischen Touch geben, um sich dann nochmal besser vermarkten zu können. Also Fehlerkultur sehe ich da nicht, weil bei der "richtigen" Fehlerkultur sich auch Sachen ändern müssen, da genügt nicht einfaches Anpassen.