Politik | Landtagswahl 2018

Peinlicher Unfall

Die Wahl des Anwaltes Stefan Beikircher zum Verwaltungsrichter ist ungültig und muss wiederholt werden. Die Chronik eines Missgeschicks.
Landtag
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Logische Erklärung gibt es keine.
Im August tagt das Plenum des Landtages traditionell nicht. Erst diese Woche hat der Landtag nach der Sommerpause wieder seine Arbeiten aufgenommen.
Auf der Homepage des Landtages finden sich die Wortprotokolle aller Landtagssitzungen aus dieser Legislatur. Mit einer Ausnahme.
Es fehlt bisher das Wortprotokoll der Landtagssitzung vom 27. Juli 2018.
Es ist ein Freitag und es war die letzte Sitzung vor der Sommerpause. Während die Protokolle der Sitzungstage zuvor veröffentlicht wurden, gibt es auch 45 Tage nach der Sitzung noch kein veröffentlichtes Protokoll vom Freitag.
Ob das Zufall ist?
Wird in diesem Protokoll doch einer der peinlichsten Ausrutscher in der Geschichte des Südtiroler Landtages dokumentiert. Es ist der Beweis, dass die Wahl des Anwaltes Stefan Beikircher zum Richter am Bozner Verwaltungsgericht unrechtmäßig ist und vom Landtag wiederholt werden muss.
 

Die Vorgeschichte

 
Die Geschichte klingt so absurd, dass man sie fast nicht glauben kann.
Am 27. Juli 2018 stand die Ernennung eines deutschsprachigen Verwaltungsrichters auf der Tagesordnung des Landtages. Dabei kam zum ersten Mal ein neuer Ernennungsmodus zum Tragen.
Nach dem Eiertanz um die (Nicht)Ernennung des vom Landtag gewählten Verwaltungsrichters Karl Reinstadler genehmigten die Sechserkommission und der Ministerrat im Mai 2017 eine Durchführungsbestimmung, die die Ernennung der Verwaltungsrichter durch den Südtiroler Landtag auf neue, professioneller Füße stellen soll.
Der Landtag schreibt eine Art Kundmachung für ein Auswahlverfahren aus. Alle Interessenten, die die vorgeschriebenen Kriterien erfüllen, werden von einer Fachkommission geprüft. Im Jänner 2018 setzte der Landtag per Beschluss die vierköpfige Fachkommission ein. Ihr gehören der Südtiroler Staatsrat Bernhard Lageder als Präsident an, die römische Richterin Giuseppina Adamo als Vertreterin des Verwaltungsgerichts und der Trientner Universitätsprofessor Luca Nogler als Vertreter des Landtages an.  Die Südtiroler Rechtsanwaltskammer hingegen nominierte Hartmann Reichhalter.
Die Fachkommission hörte die Kandidaten im Frühjahr in einem Hearing an und erstellte dann eine Liste der geeigneten Anwärter auf das Richteramt.


Die Wahl

 
Der Verwaltungsrichter wird aber letztendlich vom Landtag gewählt. Wobei es in diesem Fall eine Sonderbestimmung gibt. Die Auswahl und das Vorschlagsrecht sind nach Sprachgruppen getrennt. Bei einem Verwaltungsrichter, der der deutschen Sprachgruppe angehört, obliegt es allein den deutschsprachigen Abgeordneten mehrheitlich einen Vorschlag zu machen, der dann in einem zweiten Moment dem gesamten Landtag zur Wahl gestellt wird.
Genau das tat man an diesem Freitag Ende Juli. In einer Sondersitzung nur unter deutschsprachigen Abgeordneten setzte sich der Favorit der SVP deutlich durch. Der stellvertretende Direktor des Rechtsamtes des Landes, Stefan Beikircher. Auf der Sitzung ergriffen gleich mehrere Mitglieder der Landesregierung, unter anderem der Landeshauptmann für Beikircher das Wort.
 
Landtagsvizepräsident Thomas Widmann verkündet in der Aula wenig später den mehrheitlichen Vorschlag. Man schritt zur Wahl. Stefan Beikircher wurde schließlich vom Plenum in geheimer Wahl mit 18 von 29 Stimmen gewählt.
Damit müsste ihn der Staatspräsident per Dekret zum Verwaltungsrichter ernennen.
 

Die Panne

 
Doch dazu wird es nicht kommen.
Die Wahl von Stefan Beikircher ist nicht rechtens und muss wiederholt werden. Denn im Landtag passierte etwas, was (fast) niemandem aufgefallen ist.
In der Durchführungsbestimmung zur Richternennung heißt es wörtlich:
 
„Der Landtag wählt aus dem von der Kommission abgefassten Verzeichnis die zu ernennenden Bewerber aus und ernennt sie auf gleichlautenden Vorschlag der Mehrheit der Landtagsabgeordneten der entsprechenden Sprachgruppen zum Richter.“
 
Eigentlich ein klare Bestimmung.
Im Landtag sitzen fünf italienische und ein ladinischer Abgeordneter (Florian Mussner). Das heißt, es gibt 29 Landtagsabgeordnete der deutschen Sprachgruppe. Von diesen 29 muss ein Name vorgeschlagen werden, der die Mehrheit bekommt. Also mindestens 15 Stimmen.
In der Sondersitzung vom 27. Juli waren aber nur 25 deutschsprachige Abgeordnete anwesend. Wie Thomas Widmann wenig später in der Aula erklärte, entfielen auf Beikircher „13 von 25 Stimmen“.
Das heißt: es fehlen dem Verwaltungsrichter in spe zwei Stimmen auf die geforderte Mehrheit.
 
Es gibt hier keinen Spielraum, denn sonst müsste es im Gesetzestext ausdrücklich der anwesenden Landtagsabgeordneten der entsprechenden Sprachgruppen heißen“, bestätigen gleich drei renommierte Südtiroler Verfassungsrechtler gegenüber salto.bz.
Demnach ist die Wahl von Stefan Beikircher im Landtag ungültig.
 

Da capo?

 
Theoretisch könnte der Landtag diesen Fauxpas relativ schnell korrigieren. Stimmt auch nur die SVP-Fraktion für Beikircher, kommt er auf 17 Stimmen und damit auf die erforderliche Mehrheit. Praktisch aber könnte das Ganz zum SuperGAU werden. Denn es fehlt die Zeit. Wenn man es nicht mehr diese Woche schafft, dann ist die Legislatur zu Ende.
Dann müsste der neue Landtag den Fall Beikircher sanieren. Ob bei einer neuen Abstimmung in anderer Zusammensetzung aber dasselbe Ergebnis herauskommt, dürfte fraglich sein.
Dazu kommt noch ein anderes Problem. Stefan Beikircher hat bei der Abstimmung nicht die erforderliche Mehrheit erreicht. Kann man über ihn Monate später ein zweites Mal abstimmen?
Was passiert, wenn andere Bewerber gegen die stümperhafte Ernennung Rekurs einlegen?
Inzwischen ist Einigen im hohen Haus klar geworden, welchen Bock man da geschossen hat.
Bisher hatte man nur eine Hoffung: dass es niemand merkt.