Wirtschaft | Russland

EU: Handel mit Russland

Trotz Sanktionen ist Russland für die EU ein wichtiger Handelspartner. 2019 bezog die EU 38% der Gas-Importe und 26% der Importe von Erdöl/Erdölprodukten aus Russland.
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Foto: Monika Psenner

Russland zählt zu den Ländern mit den reichsten Rohstoffvorkommen. Neben wichtigen Bodenschätzen wie Eisenerz, Nickel, Kupfer, Blei, Titan Platin, Gold und Diamanten, verfügt Russland über 25 Prozent der weltweiten Gasreserven, 19 Prozent der weltweiten Kohlereserven und über 6 Prozent der weltweiten Erdölreserven. Russland ist weltweit der größte Gas-Exporteur, nach Saudi-Arabien der zweitgrößte Erdöl-Exporteur und nach Australien und Indonesien der drittgrößte Kohle-Exporteur.

1997 schlossen die EU und Russland ein umfassendes Partnerschafts- und Kooperations-Abkommen auch mit dem Ziel die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen. In den darauffolgenden Jahren kam es zu einem Aufschwung im Handel mit Russland. 2014 wurden als Reaktion auf die Annexion der Halbinsel Krim durch Russland von der EU und von den USA neben diversen restriktiven Maßnahmen auch Wirtschaftssanktionen, die auch den Handel betreffen, verhängt.

Neben Beschränkungen im Bereich des Kapitalmarktverkehrs und Finanzsanktionen gegen Russische Personen/Organisationen, umfassen die Sanktionen auch Exportbeschränkungen gegen militärisch nutzbare Produkte sowie bestimmte Ausrüstungsgüter und Dienstleistungen für den Energiesektor. Die russischen Gegensanktionen betreffen zu einem großen Teil Importprodukte aus der Land- und Ernährungswirtschaft aus den EU-Ländern.

Auswirkungen der Sanktionen auf den Handel mit Russland

Die Sanktionen haben zu einem starken Rückgang von Investitionen der EU in Russland geführt und zur Russischen Wirtschaftskrise im Jahr 2015, sowie zum Fall des Rubels beigetragen. Die fallenden Importwerte der EU aus Russland zwischen 2014 und 2016 sind zu einem großen Teil auf sinkende Gas- und Erdölpreise zurückzuführen und nicht so sehr auf geringere Importmengen. Die Sanktionen der EU und der USA gegen Russland wurden 2014 so gestaltet, dass sie die engen Energiebeziehungen der EU mit Russland, vor allem im Erdgasbereich, mittel- bis langfristig nicht gefährden*.

Zwischen 2014 und 2016 sind die EU-Exporte nach Russland empfindlich zurückgegangen, vor allem Agrarprodukte und Nahrungsmittel waren betroffen, nach 2016 gab es wieder einen leichten Anstieg, wenn auch die Exportmengen vor den Sanktionen nicht mehr erreicht werden konnten. 2019 exportierte die EU um 25% weniger nach Russland als vor den Sanktionen, landwirtschaftliche Produkte verringerten sich sogar um 38%. Die Volkswirtschaften der EU-Mitgliedstaaten sind von den Sanktionen sehr unterschiedlich betroffen. Um die sinkenden Importe aus der EU zu kompensieren hat Russland seine Handelsbeziehungen stärker diversifiziert und vor allem den Handel mit China weiter ausgebaut.

Wie wichtig ist Russland als Handelspartner für die EU?

  • Russland war 2019 bei den Exporten der fünftgrößte Handelspartner, 4,1% der EU-Exporte gingen nacn Russland, vor den Sanktionen waren es 6,7%.  Bei den Importen war Russland der viertgrößte Handelspartner der EU, 7% der EU-Importe kamen 2019 aus Russland. Das Handelsdefizit der EU mit Russland betrug 2019 55 Milliarden Euro, das ist das zweitgrößte Handelsdefizit nach China.
  • Die EU war sowohl bei den Exporten, als auch bei den Importen Russlands größter Handelspartner. 2019 machten Russlands Importe aus der EU 35% der Gesamtimporte aus, vor den Sanktionen waren es 39%. Der Anteil der Exporte in die EU belief sich auf 42%, 2012 waren es 50%.
  • Den größten Teil der EU-Importe aus Russland macht Energie aus. 2019 stammten 26% der Importe von Erdöl und Erdölprodukten, 38% der Gas-Importe und über 40% der Kohle-Importe aus Russland. Aber auch andere Rohstoffe, wie Eisen/Stahl, Nickel und Aluminium und Holz wurden in die EU exportiert.
  • Ein großer Teil der EU-Exporte nach Russland entfiel auf Maschinen, Fahrzeuge und andere Produkte im Transportsektor, Pharmazeutische- und Chemische Produkte und andere Industriegüter.
  • Die EU ist mit Abstand der größte Investor in Russland, 2018 wurden 75% der ausländischen Investitionen in Russland von EU-Ländern getätigt.

Trotz Sanktionen haben sowohl die Importe der EU aus Russland als auch die Exporte nach Russland im Zeitraum 2009 bis 2019 zugenommen. Fast drei Viertel der EU-Importe aus Russland entfielen 2019 auf Energie (Erdöl, Gas, Kohle), 2009 waren es fast 78%. Der größte Teil der EU-Exporte nach Russland entfiel 2019 auf Maschinen und Fahrzeuge, gefolgt von chemischen Produkten und anderen Industrieerzeugnissen. Als Folge der russischen Gegensanktionen war der Anteil der Nahrungsmittelexporte nach Russland 2019 geringer als vor den Sanktionen.

Sowohl bei den Importen aus Russland als auch bei den Exporten nach Russland steht Deutschland mit Abstand an erster Stelle. Der Importüberschuss betrug im Jahr 2019 1228 Millionen Euro. Deutschland ist innerhalb der EU der größte Abnehmer von russischem Gas. Wichtigste deutsche Exportgüter nach Russland sind Maschinen, Fahrzeuge/ Fahrzeugteile und chemische Erzeugnisse. Italien ist innerhalb der EU der drittgrößte Handelspartner von Russland. Den größten Teil von Italiens Importen aus Russland machen Gas und Erdöl und Erdölprodukte aus, während bei den Exporten nach Russland an erster Stelle Maschinen stehen, gefolgt von Produkten der Bekleidungsindustrie, chemischen und pharmazeutischen Produkten und Elektrogeräten. Gemessen am Anteil ihrer gesamten Exporte/Importe sind Finnland, die Baltischen Staaten, Bulgarien, Rumänien, die Slowakei, Tschechien und Ungarn auf Grund ihrer geographischen Nähe und/oder aus politisch-historischen Gründen die größten Handelspartner von Russland.

EU: Gas-Importe aus Russland

Für die EU spielt Russland als Energieexporteur, vor allem als Gaslieferant eine sehr wichtige Rolle. Auch die von der EU verhängten Sanktionen nach der Krim-Annexion durch Russland im Jahre 2014 änderten daran wenig. Bestrebungen der EU die Abhängigkeit von russischen Gas-Importen zu verringern gab es schon seit den 1990iger Jahren, als die Abhängigkeit von russischen Gasimporten zeitweise bei über 50% lag. Neue Gasanbieter, wie Katar, Nigeria und die USA führten zu einer stärkeren Diversifizierung bei den EU-Gas Importen, deshalb ist der Anteil von russischem Gas zurückgegangen, 2019 machten die EU-Gasimporte aus Russland 38 % der gesamten Gasimporte aus.

Der Bau neuer Pipelines für russisches Gas, wie die „Nordstream 2“ ** nach Deutschland und die 2. Leitung der „Turkstream“** in die Türkei mit Anschluss-Möglichkeit an das süd- und südosteuropäische Pipeline-Netz könnte in Zukunft die Importe von russischem Gas in der EU weiter erhöhen. Ein erweitertes Pipeline-Netzwerk und günstige Gaspreise*** wäre aus wirtschaftlicher Sicht eine gute Basis für den weiteren Ausbau des Gashandels mit Russland. Aus energie-politischer Sicht ist eine noch stärkere Abhängigkeit von russischem Gas nicht erstrebenswert. Ob die Nordstream 2 Pipeline überhaupt fertiggestellt und in Betrieb genommen wird, ist derzeit wegen der US-Sanktionen und auch wegen der neuerdings sehr angespannten politischen Beziehungen der EU zu Russland ungewiss.

Die Zeit nach den Sanktionen?

Wann es zu einer Aufhebung der Sanktionen gegen Russland kommt, ist derzeit schwer abzuschätzen. Solange es zu keiner Lösung des Ukraine-Konfliktes kommt ist eine Aufhebung der Sanktionen eher unwahrscheinlich, obwohl Wirtschaftsvertreter und auch manche Politiker einiger EU-Staaten immer wieder für eine Aufhebung oder zumindest für eine Lockerung der Sanktionen plädieren. Der Giftanschlag auf den prominenten russischen Regimekritiker Nawalny hat zu einer weiteren Belastung der ohnehin gespannten politischen Beziehungen zwischen der EU und Russland geführt. Ein Baustopp der Nordstream 2 Pipeline wird von manchen europäischen Politikern als mögliche weitere Sanktion gegen Russland in Erwägung gezogen, Vertreter der Wirtschaft lehnen eine solche Maßnahme ab.

Russland wäre ein ausbaufähiger Absatzmarkt für Investitions- und diverse andere Güter aus den EU-Ländern, da es ein großes wirtschaftliches Entwicklungspotenzial hat und die russische Wirtschaft einen hohen Modernisierungsbedarf aufweist. Die geographische Nähe Russlands zur EU ist ein weiterer Grund dafür, den Handel zwischen der EU und Russland in Zukunft im Interesse beider Handelspartner auszuweiten, vorausgesetzt die politischen Rahmenbedingungen passen.

*2017 wurden die US-Sanktionen gegen Russland ausgeweitet, um unter anderem gegen natürliche und juristische Personen Sanktionen zu ver­hängen, die in den Bau, die Instandhaltung, die Moder­nisierung und die Reparatur von Pipelines für den Öl- und Erdgasexport involviert sind. Diese erweiterten Sanktionen bilden die Grundlage für die US- Sanktionen gegen die Fertigstellung der Nordstream 2 Pipeline.

** Sowohl gegen die Nordstream 2 Pipeline, die kurz vor der Fertigstellung steht, als auch gegen die zweite Leitung der Turkstream-Pipeline mit noch zu errichtender Anschluss-Infrastruktur nach Süd- und Südost-Europa haben die USA Sanktionen verhängt, um Europa vor zu starker Abhängigkeit von russischem Gas zu schützen, wie es laut offizieller Begründung heißt. Der Hauptgrund der Sanktionen dürfte allerdings das Bestreben der USA sein, mehr amerikanisches Flüssiggas (LNG) nach Europa zu verkaufen.

*** Pipeline-Gas ist im Regelfall kostengünstiger als Flüssiggas (LNG), amerikanisches Flüssiggas ist besonders teuer, da es sich um Schiefergas (englisch: shale-gas) handelt, das mit der teuren Fracking-Methode gewonnen wird.

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Gianguido Piani So., 13.09.2020 - 09:03

Frau Psenner,
danke für Ihren sehr interessanten Beitrag.

Russland ist in mehreren Hinsichten sehr stark. Es ist das einzige europäische Land, das im IT-Bereich nicht ganz von US-Konzernen abhängig ist (z.B. Yandex statt Google, VK statt Facebook, AstraLinux statt Windows, eigenes Zahlungssystem "Mir" usw). Darüber hinaus ist Russland ein wichtiges Kulturland, von der klassischen Musik bis zum Rock, von der Literatur bis zum Kino. Satire ist geschätzt, das Land hat eigene Crozza und Loriot. Leider sind diese Aspekte im Westen so gut wie unbekannt, zum Teil wegen der Sprachbarriere, zum Teil weil das russische Kulturgut nicht von Hollywood verwaltet wird. Von Russland hätte Europa viel zu lernen, mit Russland viel auszutauschen. Aber von Russland wird immer nur Negatives berichtet, selten Positives.

Von 2000 bis 2009 war Russland an ein umfassendes Kooperationsabkommen mit der EU interessiert, was u.a. die gegenseitige Visumfreihet bringen sollte. Die EU hat das Regelwerk dafür immer allein definieren wollen, was Russland selbstverständlich nicht akzeptieren konnte. Russland hatte gegen die EU-Vorschläge dieselben Bedenken, die einige von uns gegen TTIP haben. Als die EU im Sommer 2009 einseitige Abkommen an andere osteuropäische Länder anbot fing Russland an, sich von der EU zu distanzieren und andere Partner zu suchen, in erster Linie wendete es sich an China.

Hätten die EU und Russland bis 2009 ein Kooperationsabkommen mit ausgewogener Aufteilung von Rechten und Pflichten abgeschlossen wäre der Boden für weitere Krisen vom Anfang an entzogen worden: Krim, Ostukraine, jetzt Weissrussland. Wären Brüssel und Moskau einmal einig, hätte kein Lukaschenko was zu sagen mehr.

So., 13.09.2020 - 09:03 Permalink