Kultur | Salto Afternoon

Sizilien meets Sibirien

Kein Meraner Herbst ohne Docu.emme: Die Reihe wartet erneut mit starken und vielseitigen Dokumentarfilmen auf. Diesen Mittwoch läuft „Lo strano suono della felicità“.
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Foto: Quelle: filmitalia.org

Gehören Sie zu denjenigen, die nicht nur bei Stromausfall ein Gesellschaftsspiel aus der Schublade ziehen? Dann sind Sie wahrscheinlich schon mal bei „Risiko“ mit Ihren Miniatur-Plastiktruppen über Jakutien gezogen. Alle anderen stellen sich wahrscheinlich dieselbe Frage wie Diego, der Protagonist im Dokumentarfilm „Lo strano suono della felicità“: Ma la Yakutia esiste per davvero? Spoiler: Die Region gibt es wirklich, sie liegt im Fernen Osten Russlands, beherbergt den offiziell kältesten bewohnten Ort der Welt, ihr Permafrostboden spuckt (zugegeben, unfreiwillig) Unmengen an Diamanten und (auch unfreiwillig, es grüßt der Klimawandel) Mammutteile für klon-freudige Wissenschaftler aus – und in der Hauptstadt Jakutsk befindet sich das größte Maultrommelmuseum der Welt. Die Maultrommel ist es eben auch, die Diego Pascal Panarello dorthin führt. Zu Beginn des Films erleben wir ihn, wie er nach 20 Jahren wieder in sein Heimatdorf Augusta in Sizilien zurückkehrt, ohne Geld, ohne Arbeit, ohne Perspektive. Seine Freundin hat ihn für einen 1,80 m großen, polnischen „Welpen“ verlassen, sein Traum von der Musikerkarriere blieb unerfüllt und so streift Diego ziellos im Hafen von Augusta mit seinen Rostleichen herum.

Dann die Vision: ein magisches Stück Eisen, das wie die Sterne im All vibriert – il Marranzano, die Maultrommel. Diego besinnt sich auf das traditionelle sizilianische Hirteninstrument, dessen Name auf Sizilianisch auch Zikade bedeutet. Während er noch im verschwitzten T-Shirt an den weißen Klippen Siziliens sitzt und erfolglos dem Zirpen auf den Bäumen folgt, ohne jemals eine Zikade zu Gesicht zu bekommen, entsteht der Plan: Er muss dem Weg folgen, den die Maultrommel ihm weist, und der führt ihn geradewegs in die spirituelle Welt Jakutiens. In einem Dokumentarfilm, der hart die Grenzen der Fiktion streift und immer wieder bezaubernd animierte Traumsequenzen einspielt, begegnet Diego schließlich wortkargen Meistern, kryptischen Schamanen und Maultrommelvirtuos*innen, spielt Konzerte und wird kurzzeitig zum lokalen Fernsehstar. Großartig untermalt ist der Film mit – wie könnte es anders sein – Maultrommelmusik, bei der man sich durchaus vorstellen kann, dass das Instrument als Medium zur Kommunikation mit dem Kosmos taugt. Immer dann, wenn es übermäßig abgehoben-spirituell zu werden droht, holt einen Diegos Stimme aus dem Off mit einer guten Portion Selbstironie zurück auf den Boden. Etwa als er vom Meister, der inzwischen weiß, dass man Jakutien im Ausland nur wegen Risiko kennt, eine Maultrommel geschenkt bekommt mit dem Auftrag, der Welt damit von Jakutien zu erzählen: „E come faccio? Forse con un gruppo WhatsApp?“

Lo strano suono della felicità
Regie: Diego Pascal Panarello
Mittwoch, 14. November, 20.30 Uhr
Kulturzentrum Meran
Freier Eintritt