Gesellschaft | Gastbeitrag

Der Doppelpass, echt geil!

Der Südtiroler Journalist Gerd Staffler über die unheimlichen Vorteile des Doppelpasses, Silvius Magnago und Edi Finger junior. Ein unernster Diskussionsbeitrag.
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Foto: upi
Hand aufs Herz
Wer möchte ihn nicht, den zweiten Pass ?
Ich träume bereits davon, denn die praktischen Vorteile wären enorm. Spielerisch von einer Identität in die andere schlüpfen zu können. Auf meinem nächsten Flug nach Südamerika bei der Zwischenlandung in Dallas den US-Zöllnern den österreichischen Pass vor die Nase zu halten. Die wissen nicht wo Österreich liegt, glauben, ich sei Australier und winken mich durch, weil ich für sie keine Terrorgefahr darstelle.
In Südamerika beim Vorzeigen des italienischen Passes sofort das Mitgefühl des Flughafenpersonals über das WM-Aus der squadra azzurra bekundet bekommen.„Armer Buffon , Forza Italia!“
Also das sind doch verheissungsvolle Perspektiven.
Mit meinem Wahlrecht in Österreich könnte ich den schwer angeschlagenen Grünen wieder zurück in den Nationalrat helfen.
Dazu kommt noch die Möglichkeit eines zweiten Führerscheins, der mir bis ans Lebensende ohne ärztliche Nachkontrolle erhalten bleibt. Abzuklären bliebe noch, ob es sich für meine Bekannten, die aus steuertechnischen Gründen ihren Porsche, Audi, BMW und Mercedes mit „EBE“ (Ebersberg) oder anderen bundesdeutschen Nummernschildern fahren, lohnen würde, ihren Wagen künftig in Stinatz/Stinjaki im Burgenland zuzulassen.
Auch die Aussicht, als Spitzensportler mit dem österreichischen Nationalteam bei den nächsten olympischen Spielen antreten zu dürfen, klingt verlockend. In meinem Fall freilich aus Altergründen nicht mehr aktuell. Auch glaube ich nicht, dass Österreichs Sportmoderatoren Adi (Niederkorn) und Edi (Finger jr) Südtiroler Sportler mit dem gleichen Jubel-Patriotismus begleiten würden, mit dem sie „echte Österreicher“ feiern.
Aber immerhin. Mit meinem Wahlrecht in Österreich könnte ich den schwer angeschlagenen Grünen wieder zurück in den Nationalrat helfen und mich bei unserem Freund „Sascha“ Van der Bellen dafür einsetzen, dass er selbst das Rauchen aufgibt, um die FPÖ-These zu entkräften, die da lautet: das Rauchen (von Zigaretten, Zigarren und Pfeifen) ist für die Bewohner der Alpenrepublik weniger gefährlich als die drohende Islamisierung.
Natürlich ist die doppelte Staatsbürgerschaft auch mit einem Nachteil verbunden. Zwar bin ich persönlich als Studienabbrecher davon ebensowenig betroffen wie slim-fit Kanzler Sebastian Kurz, dafür aber alle Südtiroler , die ihren an einer österreichischen Uni erworbenen Mag. beim Überqueren des Brenners in einen Dr.-Titel verwandelt haben. Als österreichische Staasbürger müssten sie ihren Brenner-Doktor wieder ablegen.
Wäre der Vater der Südtirol-Autonomie Silvius Magnago doppelpassberechtigt gewesen ?
Doch wie ernst ist es den Doppelpass-Befürwortern in Wien und Bozen wirklich? Der „blau-ne“ Südtirol-Sprecher der rotweissroten Alpenrepublik Werner Neubauer hat es auf den Punkt gebracht. „Wir wollen es !“ betonte er gegenüber der Nachrichtenagentur APA. Also die FPÖ will es und ein bunt gemischter Haufen von 19 Mitte-Rechts-Landtagsabgeordneten inklusive der Partei mit den fünf Sternen in Bozen will es auch. Mehr als die Hälfte der 35 Landtagsmitglieder.
Da drängte sich mir unwillkürlich die Frage auf: 
Wer soll nun eigentlich den doppelten Pass erhalten und wie soll die Doppelpassberechtigung für „echte“ Südtiroler ermittelt werden?
Zählt die Abstammung des Vaters ( Beispiel Schweiz), oder jene der Mutter (Beispiel Israel)?
Wäre der Vater der Südtirol-Autonomie Silvius Magnago doppelpassberechtigt gewesen?
Wohl nur nach dem Geburtsortprinzip „Jus soli“ (Geburtsort: Meran), nicht aber nach dem deutschen Abstammungsprinzip „Jus sanguinis“ (Vater ethnischer Italiener aus dem Trentino,Mutter aus Vorarlberg).
Eigentlich kein Problem, denn das Trentino gehörte bis zum Ende  der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie 1918 noch zu Tirol. Also müsste die Doppelpassberechtigung auch auf das Trentino und die Ampezzaner Ladner ausgeweitet werden.
Und umgekehrt aus Gleichberechtigungsründen auch auf das heutige Nordtirol, wo viele Südtirol-Emigranten und ihre Nachkommen stolz auf einen zusätzlichen italienischen Pass wären.
Ich persönlich beanspruche für mich (als vor Kriegsende in Deutschland Geborener) nach dem jus soll natürlich noch einen dritten, den deutschen Pass. 
Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr überzeugt mich die Idee des Doppelpasses.
Und zwar für alle Bürger des historischen Tirol. Deutsche, Italiener, Ladiner und natürlich auch Neubürger mit Migrationshintergrund.
In der Hoffnung, dass dieser Pass nie mehr zur Überquerung der Grenze von „drinnen“ (Südtirol) nach „draussen“ (Nordtirol) und umgekehrt gebraucht wird.
Ich persönlich beanspruche für mich (als vor Kriegsende in Deutschland Geborener) nach dem jus soll natürlich noch einen dritten, den deutschen Pass. 
Sollte Deutschland gegen Mexiko, Schweden und Südkorea bei der WM 2018 in Russland  weiterkommen und sogar Weltmeister werden, könnte ich mit meinem deutschen Pass weltweit Respekt ernten. 
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Hartmuth Staffler Mi., 13.12.2017 - 14:17

Als Südtiroler Journalist finde ich es lustig, dass mein journalistischer Bruder es offenbar aufgrund journalistischer Sorgfaltspflicht für notwendig findet, noch einmal alle jene Fragen aufzuwerfen, die gefühlt schon einige tausend Male aufgeworfen und doppelt so oft beantwortet wurden. Dennoch freut es mich, dass er, wenn auch mit Verspätung, auf das Thema Doppelpass aufmerksam geworden ist. Nicht nur in der Beantwortung überflüssiger Fragen bin ich ihm, obwohl um drei Jahre jünger, doch um einiges voraus. Auch was die Überzeugungsarbeit bei unserem Freund "Sascha" Van der Bellen angeht, habe ich die Nase vorn. Allerdings habe ich nicht versucht, ihn vom Rauchen abzubringen, sondern mit ihm über die Vorteile des Doppelpasses gesprochen. Da er selbst, wie sehr viele seiner grünen Ex-Parteifreunde, zwei Pässe hat und sich als Wahl-Nordtiroler den Südtirolern verbunden fühlt, haben wir uns diesbezüglich gut verstanden, während die Rauch-Diskussion wohl etwa unharmonischer verlaufen dürfte. Genial finde ich übrigens den Trick der FPÖ, sich bei Van der Bellen mit der Ablehnung des Rauchverbotes einzuschmeicheln. Wie kann er da noch bestimmte FPÖ-Minister ablehnen?

Mi., 13.12.2017 - 14:17 Permalink
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alfred frei Mi., 13.12.2017 - 17:36

Man stelle sich vor: Kurz und Strache verlieren sich in Österreich im Sumpf des neoliberalen Diktats; aus Protest hänge ich meinen Paß auf dem Brenner an einen Nagel. In Italien kommt Matteo Salvini an die Macht. Vom Regen in die Traufe. Weg mit dem Paß und der italienischen Staatszugehörigkeit. In frommer Erwartung der Südtiroler Selbstbestimmung bin ich ein staatenloser Geselle oder, besser gesagt, ein Festlandgermane in einem aufgewühlten Meer der Nichtanerkennung und Verhöhnung. Wie nach Lion Feuchtwanger “in den tiefhängenden Wolken des Tabakrauchs schwangen tomatenrote Rundschädel mit Schnauzbärten wie graue Tonkrüge”. Hetzig, nicht ?

Mi., 13.12.2017 - 17:36 Permalink