Gesellschaft | Mehr als Radsport

Wegen Öffnung gesperrt

Am Osterdienstag gehört die Europabrücke den Radprofis der “Tour of the Alps”. Das von einigen befürchtete Verkehrschaos wollen Veranstalter und Politik in Kauf nehmen.
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Foto: commons.wikimedia.org

Wenn am Ostermontag der Startschuss für die “Tour of the Alps” fällt, beginnt “ein neues Abenteuer im Sinne der Europaregion”. So hatten es die drei Landeshauptleute Arno Kompatscher, Günther Platter und Ugo Rossi im vergangenen Dezember feierlich verkündet. Besonders abenteuerlich dürfte es dabei am Dienstag zugehen. Dann steht die zweite Etappe des Radrennens an und mit ihr die Überquerung der Europabrücke. Bis zu einer halben Stunde soll Österreichs höchste Brücke dafür gesperrt werden – was im Nachbarland zu Alarmstimmung sorgt. Osterrückreise- und nach den Feiertagen wieder anrollender LKW-Verkehr, gepaart mit der Sperre – das Chaos scheint vorprogrammiert. Zwei, die das Ganze weniger dramatisch sieht, sind Landeshauptmann Arno Kompatscher und Michil Costa. Im Gegenteil, sie sehen in der Geschichte sogar eine Chance.

Brücke zwischen den Fronten

Nach 40 Jahren sollte der “Giro del Trentino” zu einem “großen Radfest in den schönsten Landschaften unserer Euregio” – der “Tour of the Alps” werden, wie Gicaomo Santini, Präsident des Veranstalterkomitees Ende März frohlockte. Über fünf Etappen führt das international besetzte Radrennen von Kufstein über Innsbruck und Bozen bis auf den Domplatz von Trient. Der Höhepunkt: die Fahrt über die Europabrücke, “die als Symbol für das Verbindende steht”, so Tirols Landeshauptmann Platter. Symbolhaft steht die Europabrücke aber auch für den Jahr für Jahr ansteigenden Schwerverkehr. Derzeit queren jährlich über zwei Millionen LKW den Brenner – “mit den entsprechenden Belastungen für Bevölkerung und Umwelt”, hatte Landeshauptmann Arno Kompatscher jüngst auch einer Delegation aus Tschechien und Sachsen erklärt.

Wenn Andreas Heis, Direktor der ÖAMTC Tirol an die Europabrücke denkt, die am kommenden Dienstag, 18. April von hunderten Rennradfahrern überquert wird und dazu in Richtung Süden für 30 Minuten und für 10 Minuten in Richtung Norden gesperrt wird, dann fällt ihm nur ein Wort ein: Stau. Südlich des Brenners sorgen derzeit Baustellen auf Autobahn und Staatsstraße dafür, dass es zu Stoßzeiten kaum ein Weiterkommen gibt. So geschehen auch am vergangenen Wochenende, als stündlich 2.500 Fahrzeuge über den Brenner Richtung Süden rollten. Eine Beruhigung der Situation ist auch nach den Osterfeiertagen keine in Sicht. Um 5 Uhr Früh wird am Dienstag das österliche LKW-Fahrverbot aufgehoben. Wie jedes Jahr wird sich dann eine Blechlawine über die Brennerautobahn in beide Richtungen wälzen. Beim Tiroler Verkehrsdienst und auch bei der Polizei rechnet man mit “umfangreichen Staus”. Eine Sperre der Europabrücke an “so einem kritischen Verkehrstag” – “damit tut man dem Radsport nichts Gutes”, kommentiert Heis vom ÖAMTC in der Tiroler Tageszeitung.

Sportliche Sperre

Doch anderswo ist man etwas anderer Meinung. Die Tiroler Landespolitik und auch die Veranstalter der “Tour of the Alps” sind sich der Problematik, die die Sperre der Europabrücke mit sich bringt, durchaus bewusst. Es sei lange mit der Autobahngesellschaft ASFINAG und dem österreichischen Verkehrsministerium verhandelt worden, berichtet die Tiroler Landeshauptmannstellvertreterin Ingrid Felipe. Dass man es geschafft habe, dass die Europabrücke “zumindest einige Minuten ausschließlich dem Radsport zur Verfügung steht”, wertet sie jedoch als “sehr starkes und positives Bild für die Europaregion”.

“Dass wir die Möglichkeit bekommen, über die Europabrücke zu fahren, ist fantastisch. Diese Brücke ist ein wichtiges Symbol der Rundfahrt, die Grenzen überwinden und Regionen verbinden will.”
(Giacomo Santini)

Ganz ähnlich sieht es Landeshauptmann Arno Kompatscher. Nicht nur als immer beliebter werdende (Rad-)Sport- und Tourismusregion würde die Euregio von der radelnden Überquerung der Europabrücke profitieren, “sondern die ‘Tour of the Alps’ bietet gerade für eine Transitregion wie die unsere die Möglichkeit, um auf das Thema Transit aufmerksam zu machen – und die alternative Mobilität, einer der Werte, die die Euregioländer verbindet”. In diesem Sinne sei die Botschaft, die von der “Tour of the Alps” ausgehe, “gewünscht” – “auch im Sinne eines Zusammenrückens der Europaregion”, so Kompatscher zu salto.bz. Um “mehr als Radfahren” geht es bei dem grenzüberschreitenden Radrennen auch für Michil Costa. “Die Europabrücke ist ein starkes Symbol, und Symbole haben einen Einfluss auf Menschen. Genau in dieser Zeit von Spaltungen, Trennungen und Konflikten, ist ein Brücke, mehr noch: die bekannteste Brücke Europas, als Verbindung ein positives Signal”, meint der Gadertaler Hotelier, seines Zeichens selbst Mit-Organisator eines Radrennens – der Maratona dles Dolomites. Vielleicht kommt diese Botschaft ja bei dem einen oder anderen Auto- oder LKW-Fahrer, der am Dienstag gegen 11 Uhr auf der Brennerautobahn steht und die Radkolonne vorbeiziehen sieht, an. Etwas Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, hätten sie jedenfalls. “Und unter jenen, bei der Durchfahrt der ‘Tour of the Alps’ im Stau sitzen werden, befinden sich sicherlich viele der 70 bis 80 Millionen Radtouristen, die es inzwischen in Europa gibt. Daher werden sie nicht nur volles Verständnis dafür haben, sondern auch nachdenken, ob sie das nächste Mal nicht ebenso Tirol oder Südtirol als interessante Raddestination aussuchen könnten”, ist sich Michil Costa sicher.

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Stefan Wedra Fr., 14.04.2017 - 10:37

Ich erinnere mich, wie vor Jahren Bozen wegen des Giro d'Italia in Geiselhaft genommen wurde. Vom Bozner Zentrum ins Industriegebiet fahren? Unmöglich, da die Radroute nicht überquert werden durfte. Ein unglaublicher Übergriff wegen einer Drogenveranstaltung.

Fr., 14.04.2017 - 10:37 Permalink