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„Porcata Alfreider“

Seit Freitag Abend hat Südtiol endlich ein seit 2001 fälliges neues Wahlgesetz. Doch ein Abänderungsantrag zum Ladiner-Passus wirft einen Schatten darauf.
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Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser

Gut Ding braucht Weile – und so brauchte es nicht nur 16 Jahre, bis Südtirol endlich die mit der Verfassungsreform von 2001 eingeräumte Möglichkeit nutzte, ein eigenes Wahlgesetz zu erlassen. Auch die definitive Verabschiedung des Gesetzes, das bei den Landtagswahlen 2018 das erste Mal zur Anwendung kommen wird, zog sich am Freitag bis in den Abend hinein. Allem voran wegen einer heftigen Diskussion über einen überraschend eingebrachten Abänderungsantrag zum Ladiner-Passus von SVP-Fraktionsvorsitzenden Dieter Steger. Er plädierte dafür, dass der Ladiner mit den meisten Stimmen “auf jeden Fall” die Ladiner vertreten sollte – falls nicht aus eigener Kraft, dann durch Ersetzung des Restmandats mit der geringsten Stimmenanzahl.

„Alfreider-Quote“, „Personengesetzgebung“, „Porcata Alfreider“, poltert die Opposition, ob rechts und links, ob deutsch- oder italienischsprachig. Denn, so die gemeinsame Auffassung: Mit dem Abänderungsantrag zum im Gesetzgebungsausschuss gefundenen Kompromiss wolle die SVP dem aktuellen Kammerabgeordneten Daniel Alfreider den Weg in den Landtag sichern, sprich, ihm für einen Verzicht auf eine weitere Parlamentskandidatur die Gewissheit für einen sicheren Sitz im Landtag geben. Besonders auf die Barrikaden ging Alessandro Urzì. Der Abgeordnete von l’Alto Adige Nel Cuore verlangte eine Abstimmung nach Sprachgruppen, die aber wegen der mangelnden Unterstützung durch die beiden PD-Abgeordenten Roberto Bizzo und Christian Tommasini nicht durchging. „Eine Vertretung der Ladiner im Landtag ist richtig“, meinte Urzì, „aber nicht dieser Taschenspielertrick der SVP.“ Denn der Ladiner mit den meisten Vorzugsstimmen kommt quasi sicher aus den Reihen der stimmenstärksten Partei, also der SVP, argumentiert die Opposition. Muss er auf jeden Fall ein Landtagsmandat erhalten, sichert sich die Volkspartei ihren Ladiner – unabhängig davon, wie viele Ladinerinnen oder Ladiner es auf anderen Listen auf direktem Weg in den Landtag schaffen, kritisierte UrzÌ. Da der Bonus-Ladiner einem gewählten Abgeordneten den Platz wegnehme,  könne mit der Regel auch das Gleichgewicht der Sprachgruppen im Landtag ins Wanken kommen.

„Mit dieser Trickserei wird der Wählerwille ignoriert und umgangen“, ärgerte sich auch Myriam Atz Tammerle von der Südtiroler Freiheit über die „absolut inakzeptable“ Vorgehensweise der Volkspartei. Das Autonomiestatut sehe vor, dass im Landtag ein Ladiner vertreten sein muss. „Doch die SVP hat nun aus purem Egoismus und um die eigene Macht zu erhalten, einen Artikel in das Gesetz gemogelt, der vorsieht, dass durch die Hintertür ein SVP-Wunsch-Ladiner in den Landtag einziehen kann, und dafür muss ein demokratisch gewählter Abgeordneter gehen.“

„Wenn je ein Ladiner auf der Liste der Grünen, der Freiheitlichen und der Südtiroler Freiheit gäbe, käme der SVP-ler dennoch nach vorne – und würde seine eigenen Leute aushebeln“, konkretisierte die Grüne Abgeordnete Brigitte Foppa die Auswirkungen der Last-Minute-Abänderung. Sie rechnete am Rande der Landtagssitzung vor, was passieren würde, wenn eine solche Vorzugsschiene bei den vergangenen Landtagswahlen für Frauen eingeführt würde. „Dann hätten wir hier heute Felderer, die Helmuth Renzler verdrängen würde, Marie Mawe statt Christian Tschurtschenthaler und so weiter .“ Welch Aufschrei damit verbunden wäre, liege auf der Hand, so Foppa.

Frauenquote erhalten - weiterhin keine Direktwahl des Landeshauptmanns

Ein großer dunkler Fleck auf einem Wahlgesetz, das ansonsten recht akzeptabel gewesen wäre und aus einer guten Verhandlung zwischen Mehrheit und Minderheit entstanden war, urteilte die Grüne Abgeordnete nach der Abstimmung über das Wahlgesetz, die mit 19 Ja-Stimmen und 15 Nein-Stimmen ausging. Ein bis zuletzt oft gehörter Kritikpunkt betraf die Tatsache, dass die Direktwahl  des Landeshauptmanns in Südtirol auch ab 2018 nicht möglich sein wird. „Eine Direktwahl hätte diesem Amt einen überproportionalen Stellenwert beschert “, begründete SVP-Fraktionsvorsitzender Dieter Steger die Entscheidung gegen ihre Einführung. „ Magnago, Durnwalder sowie der amtierende Landeshauptmann Arno Kompatscher schafften bzw. schaffen ihre Arbeit auch ohne zusätzliche Bestärkung ihres Amtes.“

Doch darüber hinaus waren viele Punkte auch von Seiten der Opposition wenig umstritten. So die Beschränkung der Amtsdauer des Landeshauptmanns auf 15 Jahre, eine Beschränkung der Wahlkampfausgaben einzelner Kandidatinnen und Kandidaten auf 30.000 Euro oder die Abänderung der Mindestkandidatenanzahl einer Liste auf 12. Symbolwirkung wird von der Jungen Generation in der SVP einem durchgebrachten Abänderungsantrag zugerechnet, laut dem im Fall einer Stimmengleichheit zwischen zwei oder mehreren Kandidaten die oder der Jüngere den Vorrang erhält. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit einer Stimmengleichheit sehr gering sei – „gerade angesichts der aktuellen Politikverdrossenheit vieler junger Menschen stellt dieser Mechanismus ein sehr wichtiges Signal der Politik an diese jungen Menschen im Sinne der Erneuerung und Verjüngung dar“, so JG-Vorsitzender Stefan Premstaller.

Große Freude auch bei den – meisten - Frauen über die Aufrechterhaltung der Frauenquote im neuen Gesetz: 30 Prozent der KandidatenInnen sind demnach dem unterrepräsentierten Geschlecht vorbehalten. „Sollte diese Quote nicht erfüllt werden, werden vom überrepräsentierten Geschlecht im selben Verhältnis Kandidaten gestrichen – beginnend beim letzten Kandidaten auf der Liste“, erinnerte SVP-Abgeordnete Magdalena Amhof an den Mechanismus. Solange Frauen in der Rolle der Politikerin nicht etabliert und gefestigt seien, sei die Quote eine dringende Notwendigkeit, meint Amhof. „Und wir sind froh, dass wir die Kollegen im Landtag davon überzeugen konnten.“