Bühne | Tanz

Verbotene Berührung

Vor zehn Jahren wurde Adolf Vallazza zum 90. von der Compagnia Abbondanza/Bertoni eine Tanzperformance gewidmet. Fast 10 Jahre später folgt eine besondere Wiederaufnahme.
Duel - Adam und Eva, 2024 Adolf Vallazza
Foto: Tiberio Sorvillo
  • Ein Drittel von „Duel“ wurde am vergangenen Donnerstag, fast 10 Jahre nach seiner Uraufführung, noch einmal dem Publikum präsentiert. Das erste Kapitel von dreien, „Adam und Eva“, wurde ausgewählt und die beiden Darsteller von 2014 konnten abermals gewonnen werden, um noch einmal eines von Adolf Vallazzas Totems mit Bewegung zu aktivieren. Die Koproduktion mit Tanz Bozen darf, anlässlich der Ausstellung Adolf Vallazza 100 in der Museion Passage, nicht fehlen. Man hat mit dem 1. Kapitel, das in Sachen Besetzung genügsamste ausgewählt, welches gleichzeitig wohl auch das intimste ist. Publikum, Tänzerin und Tänzer hatten die Möglichkeit, mit 10 Jahren Distanz noch einmal in den Garten Eden zurückzukehren. Das Stück ist der Fantasie von Antonella Bertoni und Michele Abbondanza (Konzeption und Choreographie) entwachsen, letzterer zeichnet auch für die Regie verantwortlich.

  • Duellanten: Marco Pericoli, Antonella Bertoni, Adolf Vallazza, Eleonora Chiocchini und Michele Abbondanza (von links nach rechts) beim ersten von zwei Aufführungsterminen. Ab 20.30 Uhr präsentierte sich die Passage weniger lichtdurchflutet. Foto: Tiberio Sorvillo

    Die für die Performance auserkorene vertikale, rechteckige Holzskulptur steht für 20 Minuten als Baum der Erkenntnis auf der Bühne und wird erforscht. Eleonora Chiocchini und Marco Pericoli betreten die Museion Passage schlicht gekleidet, bevor sich ihr Kostüm auf ein Minimum anhautfarbenen Slips reduziert. Nach einem ersten Aufeinandertreffen fallen die Kleidungsstücke wie von allein am Boden wälzend ab, was kein Stiptease ist, sondern eine Rückkehr zum Naturzustand. Auch die weiteren Skulpturen und Werke Vallazzas, die derzeit im frei zugänglichen Museion stehen, werden zum bloßen Hintergrund, das Duell sieht drei Konkurrenten zueinander in Beziehung treten. Nichts steht zwischen den tanzenden und tastenden Körpern und auch nicht zwischen ihnen und Vallazzas Kunstwerk. Die Intimität des Aktes stört lediglich das übersteuernde Audio in der Passage, deren Lautsprecher mit den orchestralen Gruppenbewegungen in Sergei Wassiljewitsch Rachmaninows Musik immer mal wieder kurzzeitig überfordert sind. 

  • Duel: Größtmögliche Nähe zum Kunstwerk wurde im Museion gesucht und gefunden. Der Baum des Lebens hat es gut überstanden und steht, mit dem Rest der Ausstellung Adolf Vallazza 100, noch bis zum 2. Juni. Foto: Tiberio Sorvillo

    In den leisen Momenten ist das, worauf das Stück hinaus will dagegen besser zu hören: Dem knarzenden Holz der erkletterten und horizontal gekippten, als Steg verwendeten Skulptur, wird mit ihrem Ächzen und Knacken unter dem sichtlich leichten Körpergewicht der Tänzerin, eine fast haptische Qualität zu Teil. Wir berühren Vallazzas Kunst nicht, wissen aber instinktiv, wie sich das wiederbelebte Altholz unter unseren Händen, Füßen und der restlichen Haut unseres Körpers anfühlen würde.

    Chiocchinis Kontakt mit dem Kunstwerk - Pericoli assistiert hier mehr, hilft seiner Partnerin auf das Totem oder von diesem hinab - ist, biblisch akkurat, intensiver als der ihres Kollegen und auch als der zum Partner. Wenngleich sich Erotik im Stück findet, so ist es vielmehr die Verlockung durch den Baum, die unseren Blick einfängt. Die simulierte, in (zum Teil auch recht akrobatischer) Tanzsprache zum Ausdruck gebrachte Körperlichkeit zwischen Adam und Eva, hat dabei nicht die Kraft und auch die Aura eines Tabubruchs, die Vallazzas Kunstwerk auf der Bühne symbolisieren darf. Mehr als auf einer Tanzbühne haben wir im musealen Raum die Maxime von unantastbarer Kunst intus, die gerade am Baum der Erkenntnis ihre Entsprechung findet. Das führt zu einem „Jucken“ in den Fingern und einer gespannten, für die kurze Dauer der Performance ganz gebannten Zuschauerschaft.