Gesellschaft | "Ändere die Welt!"

Endlos zuhören wollen

Jean Ziegler spricht in Meran und Bozen.
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Es gibt Menschen, die haben wirklich etwas zu erzählen. Einer davon ist Jean Ziegler. Wer ihn nicht kennt, soll seine Bildungslücke ent-googlen. Wer ihn aber kennt, von seinen vielen Büchern, der wusste am Montag und Dienstag abend wohin: in den Kursaal von Meran und ins Waltherhaus von Bozen.

Jean Ziegler live in Südtirol. Erstmals. Ich war in Meran, und ich würde heute noch dort sitzen und lauschen, wenn sie ihn nur weitererzählen hätten lassen. Am besten Non-Stop. Kein Bla-Bla, keine Diplomatensprache, klare Aussagen, lustig, menschlich – und im Inhalt grausam wahr. Der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Professor, Parlamentarier, usw. spricht Klartext wenn es um die Schieflagen in dieser Welt geht. Hier ein paar Kostproben:

Wenn heute ein Kind verhungert, ist dies Mord. Ein Mord alle 5 Sekunden. Verursacht durch Finanzspekulationen auf die Rohstoffe Reis, Mais und Weizen; durch das Agrardumping der EU in Afrika; die Biokraftstoffproduktion; etc.

Wenn in Syrien Hunderttausende Zivilisten sterben, dann weil mögliche UN-Maßnahmen derzeit durch Vetorechte blockiert werden. Doch eine Neuordnung der UN scheint nun gerade deshalb greifbar nahe.

Wenn Papst Franziskus anprangert, dass über 1 Milliarde Menschen quasi als “Abfall” in dieser Welt überleben müssen, dann lobt der abgeklärte Schweizer den Kirchenvater für seinen außergewöhnlichen Mut.

Wenn es uns besser geht als so vielen anderen Menschen in dieser Welt, dann nur weil wir das Glück der Geburt an einem anderen Ort hatten. Pures Glück, sonst Nichts. Um dennoch getrost in den Spiegel schauen zu können, gilt es aufzuschreien angesichts des menschenbedingten Leids auf dieser Erde. Handeln! „Ändere die Welt!“ titelt sich sein letztes Buch. Die weltweiten Schieflagen erzwingen und unsere Demokratien erlauben zu handeln, auf der Straße, in den Medien, beim Einkaufen, beim Essen, bei den Wahlen: für einen fairen Handel, für den Rechtsstaat, für soziale Gerechtigkeit, für das Vorsorgeprinzip, für für für, für eine bessere Welt. Und damit natürlich gegen TTIP, CETA, Ausgrenzungen, Abgrenzungen, Finanzspekulationen, land grabbing, Korruption, Agrar-Dumping, etc. etc.

Aber genug der deprimierenden Fakten. Dieser Text soll unterhaltsam wie Jean Ziegler’s Vortrag sein. Ohne jeder Schwere trotz der bedrückenden Faktenlage. Dem 82-jährigen Lexikon ist dies gelungen, mit Witz und einer geradezu jugendlichen Sprachdynamik. Keine Spur von Senilität, eher schon von der sympathischen Eitelkeit eines alten Weisen. Sie sei ihm gegönnt! Von mächtigen Gegenspielern angestrengte Gerichtsprozesse haben den vielfachen Bestsellerautor tief in die Schulden getrieben, dennoch hat sich Ziegler von seinen Idealen niemals abbringen lassen. Wie hätte er auch können, bei seiner Geschichte, die soweit nach hinten reicht, dass Che Guevara, Fanon oder Sartre als Helden ferner Zeiten erscheinen. Dabei hat dieser Jean alias Hans Ziegler den Ersten 10 Tage lang persönlich durch Frankreich chauffiert, dem Zweiten seine immer wieder „verloren“ gegangen Schweizer Pässe für den Algerischen Befreiungskampf zukommen lassen, und die fruchtbaren Diskussionen mit dem Letzten formten sein lebenslanges Motto: „Den Feind erkennen, den Feind bekämpfen“. Der Feind ist das Übel in dieser Welt, in allen seinen Formen. Der Sozialist Ziegler hat seinen Beitrag in seiner Form geleistet. Jetzt liegt es an uns. Endlos zuhören wollen, ist leider zu wenig.

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Robert Tam... Mi., 14.09.2016 - 22:44

Wie schön, wenn Herr Ziegler angeblich Klartext gesprochen hat. Hat er sich endlich von den Diktatoren Gaddafi, Mugabe und Castro distanziert? Die hat er früher ja so angehimmelt.

Mi., 14.09.2016 - 22:44 Permalink
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Robert Tam... Do., 15.09.2016 - 10:22

Volle Zustimmung. Man muss sich Folgendes vorstellen (auch wenn es schwer fällt): In Venezuela fehlen so einfache Dinge wie Brot (!), Klopapier, Seife und Damenbinden.

Do., 15.09.2016 - 10:22 Permalink
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Robert Tam... Do., 15.09.2016 - 10:26

Heute wird zu leicht vergessen, was für eine gefährliche, totalitäre Ideologie der Kommunismus war. Ebenso wird immer noch der Mörder Che Guevara von ahnungslosen BoBos (Ziegler gehört dazu) angehimmelt.

Do., 15.09.2016 - 10:26 Permalink