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Der gestohlene LKW

Die Masken der Schweizer Firma „L&B Manage and Consulting GmbH“ sind in Südtirol nie angekommen und deshalb auch nie bezahlt worden. Der Krimi um eine Bestellung.
LKW
Foto: upi
Es klang wie ein schlechter Witz.
Wir stehen wie in Kriegszeiten am Markt“, beschrieb Thomas Widmann auf der täglichen Videopressekonferenz die dramatische Situation beim Kauf von Schutzausrüstung. Der Gesundheitslandesrat weiter: „2 Lkw mit Ausrüstung wurden gestohlen, eine weitere Ladung wurde uns von einem Höherbietenden weggekauft.“
Es ist der 17. März 2020 an dem Widmann diese Aussagen macht. Der Landesrat hat dabei keineswegs übertrieben. Denn wenige Tage zuvor waren die beiden LKWs mit Schutzmasken, die der Südtiroler Sanitätsbetrieb gekauft hatte, in Deutschland wirklich entwendet worden.
Besonders interessant aber ist, um welche Ladung es sich dabei handelt. Es war die Lieferung, die der Sanitätsbetrieb bei einem Schweizer Unternehmen bestellt hatte, das in Wirklichkeit nicht mehr existiert.
 

Gelöschte Firma

 
Am 12. März 2020 veröffentlicht der Gesundheitsbezirk Bozen im öffentlichen Ausschreibungsportal des Landes zwei Zuschläge für die Lieferung von Schutzmasken an die „L&B Manage and Consulting GmbH“ aus Schlieren in der Schweiz. Das Unternehmen sollte Schutzmasken FFP2 mit und ohne Ventil im Wert von insgesamt 203.000 Euro an den Gesundheitsbezirk Bozen liefern.
Wie Salto.bz am Mittwoch aber nachzeichnete hat diese Bestellung einen entscheidenden Haken.
Die „L&B Manage and Consulting GmbH“ gibt es zu diesem Zeitpunkt seit gut zwei Jahren offiziell nicht mehr. Das Unternehmen mit Sitz in der Ringstrasse 3 in Schlieren bei Zürich wurde im Sommer 2016 gegründet. Der Gesellschaftszweck: „Die Eröffnung und Betreibung eines Online-Shops für Fashion“. Im Gründungsstatut heißt es: „Die Gesellschaft kann Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften im In- und Ausland errichten und sich an anderen Unternehmen im In- und Ausland beteiligen sowie alle Geschäfte tätigen, die direkt oder indirekt mit ihrem Zweck in Zusammenhang stehen.“
Das Gesellschaftskapital beträgt 20.000 Schweizer Franken, die je zur Hälfte von Simon Lange, einem im Berlin wohnhaften deutschen Staatsbürger und Marco Breu aus St. Gallen eingezahlt werden. Es sind dann auch die Initialen L für Lange und B für Breu, die sich im Firmennamen finden.
Bereits zwei Jahre später wird die „L&B Manage and Consulting GmbH“ aber von Amts wegen aufgelöst.
 
 
 
Am 30. April 2018 erscheint im offiziellen Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) die Bekanntmachung der Auflösung.
 
„Die Gesellschaft wird in Anwendung von Art. 155 HRegV von Amtes wegen gelöscht, weil die Gesellschaft keine Geschäftstätigkeit mehr aufweist und keine verwertbaren Aktiven mehr hat und kein Interesse an der Aufrechterhaltung der Eintragung innert angesetzter Frist geltend gemacht wurde.“
 
An diesem Status des Unternehmens hat sich bis heute nichts geändert. Die „L&B Manage and Consulting GmbH“ scheint sowohl im offiziellen Schweizer Handelsregister wie auch im Firmenindex des Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement des Bundesamt für Justiz als „gelöscht“ auf.
Auch die internationale Steuernummer (UID) die beim Zuschlag vom Sanitätsbetrieb Bozen angegeben wurde, ist laut offiziellen Schweizer Angaben: „inaktiv“.
Die Frage deshalb, wie kann der Sanitätsbetrieb über 200.000 Euro an ein Unternehmen überweisen, das es nicht gibt?
 

Die Antwort

 
Inzwischen lässt sich auch auf diese Frage eine Antwort geben.
Anfang März 2020 wird klar mit welcher Wucht das Coronavirus die Welt treffen wird. Es kommt innerhalb weniger Tage auf dem Markt der Schutzbehelfe zu einem Orkan. Auch der Südtiroler Sanitätsbetrieb sucht händeringend nach Schutzmasken.
Ein deutscher Lieferant, der den Sanitätsbetrieb seit Jahren beliefert, hat eine ganze Ladung FFP2-Masken auf Lager. Weil es sich um Topmasken eines deutschen Herstellers handelt und zudem der Preis stimmt, will der Gesundheitsbezirk Bozen die Ladung unbedingt erwerben.
Doch inzwischen erlässt Deutschland wie fast alle Staaten ein Exportstopp für Schutzausrüstung. Die deutschen Firmen sollen ihre Bestände ausschließlich an deutsche Krankenhäuser und Institutionen liefern.
 
 
Man schlägt deshalb einen Weg ein, der in diesen Tagen zum Standard gehört. Man sucht sich einen Zwischenhändler um diesen Exportstopp zu umgehen. So bringt der deutsche Lieferant die „L&B Manage and Consulting GmbH“ in Spiel.
Nach Informationen von Salto.bz ist es Simon Lange, der die Verhandlungen mit dem Sanitätsbetrieb führt. Dabei tritt der Unternehmer unter dem Namen jener Investmentfirma auf, die wenige Wochen zuvor online ging: „L & B Invest“. Doch schon bald wird klar, dass der Sanitätsbetrieb bei einer Vermögensverwaltungsfirma kaum Schutzmasken kaufen kann. Das geht – trotz Corona-Ausnahmebestimmungen – schon rein gesetzlich nicht.
Am Ende wird der Vertrag deshalb auch auf die L&B Manage and Consulting GmbH ausgestellt.
 

Keine Lieferung

 
Doch in Wirklichkeit kommen die bestellten Masken in Südtirol nie an. Und sie sind deshalb auch nicht gezahlt worden.
Die geplante Lieferung scheitert, weil die bereits beladenen LKW´s über Nacht in Deutschland gestohlen werden. Ob das so stimmt, ist eine Frage des Glaubens. Die „L&B Manage and Consulting GmbH“ übermittelt dem Sanitätsbetrieb jedenfalls die Anzeige und den Bericht an die Versicherung.
 
 
Zudem beruhigt das deutsche Unternehmer seinen Südtiroler Auftraggeber. Er hätte noch eine weitere markengleiche Maskenladung auf Lage. Sein Angebot: Er wird diese Ladung nach Bozen liefern. Doch wenig später kommt auch hier eine Absage. Ein deutsches Krankenhaus habe im allerletzten Moment die Ladung für einen bedeutend höheren Preis aufgekauft.
Es ist damit genau der Fall, den Thomas Widmann einen Tag später auf der Pressekonferenz öffentlich macht, ohne Namen zu nennen.
Weil alle Lieferverträge im Sanitätswesen für verspätete Lieferungen oder Nicht-Vertragserfüllung Konventionalstrafen enthalten, muss die L&B Manage and Consulting GmbH jetzt diese Strafe zahlen. Traditionell sind es rund 10 Prozent des Auftragsvolumen.
Nach Informationen von Salto.bz soll der Zahlungsbescheid bereits zugestellt worden sein.
Es wird sich zeigen, ob das Unternehmen, das es offiziell nicht gibt, zahlt oder nicht.
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Profil für Benutzer Elisabeth Garber
Elisabeth Garber Sa., 16.05.2020 - 22:22

Dieser Beitrag zeigt für mich v.a. auch die Beschaffungs-Dramatik rund um die Schutzmaterialien. Tatsächlich war der Zeittaum zwischen 18ten und 28sten März, mit Schwerpunkt Lombardei, in Italien der katastrophalste. Rund 1000 offizielle Tote an einem Tag (26 März) war der rabenschwarze Höhepunkt - dazu stetig steigende Infektionen mit schwerem Verlauf in Südtirol.
Gottseidank ist mindestesten diese Zeit vorbei. Für ein anderes Mal wird man erfahrener und besser gerüstet sein.

Sa., 16.05.2020 - 22:22 Permalink