Kultur | Salto Gespräch

Genau hinschauen

Das Journalismusfest in Innsbruck hat seine Wurzeln in Ferrara, ist international angelegt und erlebt großen Zuspruch. Ein Gespräch mit dem Programmleiter Benedikt Sauer.
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Foto: Salto.bz

salto.bz: Es geht in den Medien gerade viel um "Künstliche Intelligenz". Wird sie den Journalismus aus dem Weg räumen? Feiert die Branche beim Journalismusfest in Innsbruck den Untergang oder den Aufbruch in eine neue Zeit?

Das Journalismusfest in Innsbruck ist ChatGPT-frei. Die freie Rede in einer Diskussionsrunde ist nicht ersetzbar. Es gibt Hintergrundinformationen, Austausch mit Journalistinnen und Journalisten. Da treten Leute mit ihrer Expertise auf, mit ihren Emotionen. Leute, die was zu erzählen haben. Das Festival will einen Beitrag zu leisten, um Journalisten und Journalistinnen das Wort zu geben. Ich glaube auch nicht, dass guter Journalismus durch Künstliche Intelligenz ersetzt werden kann. Eine klassische Reportage, mit Vororterkundung, mit der Schilderung und der Verarbeitung von Eindrücken, garniert mit Hintergrundinformationen, also eine gute journalistische Reportage, die lebt von der eigenen Anschauung. Wie diese eigene Anschauung ersetzt werden kann, ist mir bislang nicht bekannt.

Wie ist es überhaupt zum Journalismusfest in Innsbruck gekommen? Es ist nun bereits die zweite Ausgabe...

Entstanden ist es schlicht und einfach deshalb, da es dieses Fest eigentlich schon gibt. Das Konzept ist nicht auf unserem Mist gewachsen, sondern fußt auf der Idee des gut funktionierenden Vorbilds von Internationale in Ferrara. Die Veranstalter und Veranstalterinnen in Ferrara sind sozusagen Vorbilder und Inspiration – es nehmen Journalisten und Journalistinnen an international angelegten Debatten teil, sie treffen sich, sprechen über aktuelle Themen und diskutieren. Das Fest kann dadurch vermitteln, über den Iran, das Radio im Kongo oder beispielsweise über die Medienlandschaft in Russland.
 

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Volles Haus: Eine von vielen gutbesuchten Veranstaltungen. Hier ging es um Kobalt aus dem Kongo – Ausbeutung für die Digitalisierung und über den Stellenwert lokaler Radios. / Foto: Salto.bz


Das Festival in Ferrara wird von einem Magazin gemacht. Wie ist das in Innsbruck?

Wir haben für Innsbruck kein eigenes Magazin, deshalb findet das Ganze im Austausch mit Redaktionen statt. Es ist einfach der Versuch, Medien – von denen man überzeugt ist, dass sie spannend arbeiten – hereinzuholen und dementsprechend ein Programm zu gestalten. Wir arbeiten auch stark mit Organisationen vor Ort, dadurch ist das Fest in der Stadt fest verankert. 

Von Ferrara nach Innsbruck. Welche Rolle spielen journalistische Eigenheiten der beiden Kulturräume. Wie geht euer Festival mit dem nicht mehr wegzudenkenden internationalen Überbau um? 

Unsere Gegenwart ist im internationalen Kontext noch komplexer, etwa beim Thema Klimakrise. Wenn jetzt Journalistinnen und Journalisten beim Festival selbst die Frage stellen: Sind wir gut genug? Müssten wir nicht mehr machen? Dann ist es egal, ob ich mich als Bozner oder Boznerin damit beschäftige, oder als Innsbrucker oder Innsbruckerin, weil uns das Thema eben alle angeht. Es gibt auch regionalspezifischere Veranstaltungen, die auch immer einen grenzübergreifenden Zuschnitt haben, so etwa zur Europaregion, wo sechs große Medien – zweimal Nordtirol, zweimal Südtirol, zweimal Trentino – aufeinandertreffen, oder eine Diskussion über die Zukunft von Alpenstädten, aufbauend auf einen Zustandsbericht der Alpenkonvention, der vor kurzem erschienen ist.

Und die sogenannten „kleinen“ Medien?

Es gab Überlegungen im Vorfeld auch etwas zu Regionaljournalismus zu machen. Sie sind für die Medienlandschaft sehr wichtig. Dazu gehört auch – und das sage ich nicht nur, weil ich jetzt dazu von Salto befragt werde – das Onlineportal Salto, ein Medium, welchem ich großen Respekt zolle, da es mit wenigen finanziellen Mitteln auch noch aufdeckenden Journalismus macht. Ich finde auch, dass alles dafür getan werden muss, dass salto.bz weiterexistiert, die Arbeit weitermacht und wachsen kann. Da gibt es im Bereich Online- und Regionaljournalismus auch andere gute Beispiele. Wir haben eine Veranstaltung dazu für die aktuelle Ausgabe noch nicht auf die Beine gestellt, auch wenn es Anregungen dazu gab, so auch vom Standard. Schauen wir mal. Es geht grundsätzlich darum das Interregionale zu betonen und somit auch das Internationale.
 

Das Festival ist ein Begegnungsort.


Wie generationenübergreifend präsentiert sich das Journalismusfest?

Grundsätzlich haben wir das von Anfang her so gedacht, dass alle, die interessiert sind, kommen können, um alle – auch wenn nur für eine Veranstaltung –, anzusprechen. Wobei es schon möglich wäre, auch eine spezielle Zielgruppe ins Auge zu fassen. Wir haben im Vorfeld beispielsweise darüber gesprochen, ein besonderes Angebot für Kinder und Jugendliche zu machen, da gibt es tolle „Nachwuchsmedien“, auch international, wo guter und ernsthafter Journalismus geboten wird, der durchaus auch für Eltern interessant ist.

Und die "Generation Studienabschluss"? Ist das Fest auch für Innsbrucker Studierende eine gute Plattform, um sich ein Bild über diesen Beruf zu machen? 

Ich denke schon, bzw. ich will es hoffen. Man kann hier ganz konkret zuhören, was jemand zu erzählen hat, wie investigativ gearbeitet wird, auch anhand expliziter Beispiele, etwa im Zusammenhang, wieviel Risiko Journalisten und Journalistinnen mitunter für eine Geschichte auf sich nehmen müssen.

Journalisten und Journalistinnen recherchieren, schreiben und veröffentlichen, berichten darüber was auf den Bühnen oder dahinter passiert. Wie wichtig ist das Herzeigen der eigenen Arbeit?

Es gibt Journalisten und Journalistinnen die gern erzählen, die etwas Mitzuteilen haben. Für manche ist es einfach schön, sich zu begegnen, nicht nur mit anderen Journalistinnen und Journalisten, sondern auch mit Menschen anderer wissenschaftlichen Disziplinen, oder mit Künstlerinnen und Künstlern. Das Festival ist ein Begegnungsort.

Auch die Punkband Pussy Riot spielte auf. Wo liegt die Grenze zwischen politischem Aktivismus und Journalismus?

Tatsächlich, "Pussy Riot" sind keine Journalistinnen, das Konzert der Band ist ein Zusatzangebot. Die Idee kam vom Kulturveranstaltungsort Treibhaus. Pussy Riot ist Aktivismus und Performance, es sind Künstlerinnen mit einer starken gesellschaftspolitischen  Akzentuierung. Aktivismus ist nicht Journalismus. Ein Beispiel. Klar kann man für Klimakleber und Klimakleberinnen Sympathien haben. Man kann ihre Aktionen aber auch kritisch hinterfragen. Journalismus besteht darin: zu beschreiben und zu hinterfragen. Und ja, klar gibt es auch Medien- und Verlagshäuser, mit einer ganz klaren Ausrichtung und Wertehaltung. Der gute Journalismus ist aber immer noch der, der genau hinschaut, im Sinne von Ilse Aichinger: „Genau hinsehen, was geschieht“