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Jenseits von Dollar und Euro

Der Finanzökonom Dmitri Boreiko untersucht, ob Kryptowährungen Start-ups eine neue Ära der Kapitalbeschaffung eröffnen können.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Kryptowährungen
Foto: unibz

Kryptowährungen haben spätestens mit dem steilen Aufstieg und Fall von Bitcoin breite Bekanntheit erhalten. Der Finanzökonom Dmitri Boreiko untersucht, ob sie Start-ups eine neue Ära der Kapitalbeschaffung eröffnen können.

 

Das Jahr 2017 katapultierte den Begriff der Kryptowährungen nicht nur in die täglichen Schlagzeilen. Es infizierte auch Finanzwissenschaftler wie Dmitri Boreiko mit der Faszination für Geld, das außerhalb der regulären Finanzkreisläufe geschöpft und gehandelt wird. Der Professor der unibz verbrachte das Herbstsemester vor zwei Jahren als Gastforscher an seiner früheren Alma Mater, der London School of Economics, wo das Thema zur der Zeit ähnlich boomte wie der Bitcoin-Kurs. Immerhin hatte der Wert der bekanntesten Kryptowährung innerhalb eines Jahres einen schwindelerregenden Anstieg von nicht einmal 1000 auf 20.000 US-Dollar hingelegt. Auch die Marktkapitalisierung des gesamten Kryptomarktes war am Ende dieses denkwürdigen Jahres mit weit mehr als 600 Milliarden US-Dollar rund 35 Mal so hoch wie noch zu Jahresbeginn.

Obwohl sich der bald folgende Bitcoin-Absturz bereits abzeichnete, war vielen Ökonomen zu diesem Zeitpunkt längst klar, dass es sich bei dem Phänomen weder um eine vorübergehende Blase noch um ein Spielzeug von Geldpolitik-Revolutionären oder halbseidenen Organisationen handelte. Vielmehr erkannten auch immer mehr Corporate-Finance-Experten wie Dmitri Boreiko, welches Potenzial ein virtueller Geldmarkt, der sich den strengen Gesetzeslagen von Banken, Börsen und Finanzdienstleistungsaufsichten weitgehend entzieht, für die Kapitalbeschaffung von Unternehmen hat. Dafür gab es in der Kreditklemme nach der Finanzkrise auch Bedarf – mehr denn je für Start-ups.  „Viele solcher jungen und innovativen Unternehmen bekommen von Banken keine Kredite und Venture-Capital-Geber verlangen einen zu hohen Preis“, sagt Boreiko. Inwiefern und unter welchen Bedingungen Cyberwährungen eine Alternative darstellen können, war in den vergangenen zwei Jahren Gegenstand mehrerer Forschungsprojekte des Ökonomen.  

 

Ein großes Problem stellt die fehlende bzw. international inhomogene Regulierung von Blockchain-Finanzierungen dar.

 

Dafür begab sich Dmitri Boreiko auf die Spuren solch Blockchain-basierter Kapitalbeschaffungsoperationen. Wie entwickelten sich die als Initial Coin Offerings (IOC) bezeichneten Operationen seit ihren Anfängen im Jahr 2013 bis heute? Welche Art von Unternehmen kommt über Blockchain-Technologien zu Kapital, wer investiert und von welchen Parametern hängt der Erfolg solcher Operationen ab? Fragen wie diese versuchte Boreiko auf seinen Streifzügen im Netz zu beantworten. Was er dabei gefunden hat, kann auch im kürzlich erschienenen Buch „Blockchain-based financing with Initial Coin Offerings (ICOs): financial industry disruption or evolution?“ nachgelesen werden.

 

Seine Spurensuche gestaltete sich streckenweise durchaus herausfordernd. “Es ist zwar relativ leicht, die Ketten von digitalen Datenblöcken zu dechiffrieren, über die in Blockchains Transaktionen wie Bestellungen und Überweisungen gespeichert werden“, sagt Boreiko. Weit schwieriger sei es dagegen gewesen, an die Codes der jeweiligen Initial Coin Offerings zu kommen, mit denen Unternehmen in einer Art Crowdfunding-Kampagne zu Startkapital kommen können. Im Gegensatz zu Euros oder Dollars fließen dabei Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether ins Unternehmen. Im Gegenzug dazu erhalten Investoren ebenfalls digital generierte Tokens, also aktienähnliche Coupons des Unternehmens, die zwar keine Eigentumsrechte begründen. Ähnlich wie bei Aktien spekulieren die Investoren in Tokens aber auf deren Kursgewinne, die über den Handel auf entsprechenden Sekundärmärkten eingefahren werden können.

 

In einem seiner jüngsten Forschungsprojekte gelang es dem Professor der unibz mit Dimche Risteski vom Max Planck Institut für Innovation und Wettbewerb Daten von insgesamt 472 solcher Token Sales zwischen 2013 und 2017 zu analysieren – mit mehr als 400.000 Teilnehmern, die Start-ups über Bitcoins oder Ether Startkapital zukommen ließen. In der Analyse der Daten konnten die Forscher unter anderem die Annahme widerlegen, dass große Investoren, die an mehreren ICOs teilnahmen, bessere Ergebnisse erzielen. Darüber hinaus entwickelten sie eine Methode, die es auch anderen Wissenschaftlern ermöglicht, Krypto-Finanzflüsse genauer zu analysieren.

 

Möglichst breite wissenschaftliche Erkenntnisse sind angesichts der kaum vorhandenen Regulierungen und der rasanten Entwicklung der Blockchain-Revolution auch dringend vonnöten. Mehr als 2000 Kryptowährungen gibt es heute bereits neben Bitcoin, unterstreicht Boreiko. Und die Zahl der Unternehmen, die über Blockchain-Finanzierungen Kapital beschaffen, ist innerhalb weniger Jahre von einer Handvoll auf mehrere tausende gewachsen.

Doch bei allem Potenzial leidet die Entwicklung des Marktes an zahlreichen Kinderkrankheiten. Viele Auktionen gehen leer aus, weil potenzielle Investoren nicht einmal davon erfahren oder nicht ausreichend Vertrauen haben. Geschäftsbelebend wirken Kryptowährung wie Ether, die im Gegensatz zu Bitcoins mit sogenannten Smart Contracts die Einhaltung vorab definierter Regeln durchsetzen. „So kann man definieren, dass nur Angebote von Investoren angenommen werden, die sich identifizieren und zum Beispiel nicht in den USA wohnen“, sagt Boreiko. Ein großes Problem stellt die fehlende bzw. international inhomogene Regulierung von Blockchain-Finanzierungen dar. Länder wie China und zunehmend auch Südkorea gehen in Richtung Verbot, in der Schweiz und Singapur sind Kryptrowährungen und ihr Umtausch in gesetzliche Zahlungsmittel ausdrücklich zugelassen, die meisten anderen Länder suchen noch Antworten auf viele ungeklärte Fragen. Schließlich gilt es Regeln für einen Markt zu finden, der sich auch deshalb so rasant entwickelt hat, weil sich die Marktteilnehmer dort selbst organisieren. Das hat Boreiko auch mit einer weiteren Arbeit zu den mannigfaltigen Formen von Cyberintermediären wie Rating Websites gezeigt. „Sicher ist, dass man illegale Aktivitäten ausschließen und Investoren so weit wie möglich vor Betrügern schützen sollte“, sagt Dmitri Boreiko. Mit seiner Forschungstätigkeit möchte er auch europäischen Gesetzgebern Orientierung geben – um Wege zu finden, das Potenzial von Blockchain-Finanzierungen für noch mehr Marktteilnehmer zugänglich zu machen.

 

Text: Susanne Pitro