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Zwischen Euphorie und Polemik

Am 23. Mai beginnt das DFB-Trainingslager in der Sportzone Rungg in Eppan. Der Aufruhr um Mesut Özil und Ilkay Gündogan ist hierzulande nicht unbemerkt geblieben.
Linienrichter
Foto: Pixabay

In einer Woche wird die deutsche Nationalelf in Südtirol erwartet. Vom 23. Mai bis 7. Juni bereiten sich die Nationalspieler um Bundestrainer Joachim Löw in der Sportzone Rungg in Eppan auf die Fußball-WM, die ab 14. Juni in Russland stattfindet, vor. Die Ankunft der DFB-Truppe wirft ihre Schatten voraus.
In Girlan, Montiggl und in der Sportzone Rungg laufen derzeit noch an die letzten Arbeiten. “Es freut und ehrt uns, erneut eine so hochkarätige Mannschaft, den amtierenden Weltmeister, empfangen zu dürfen”, meint Landeshauptmann Arno Kompatscher. Das DFB-Trainingslager, das heuer zum vierten Mal in Südtirol und zum zweiten Mal in Eppan stattfindet, sorgt für große Aufmerksamkeit “und bietet eine gute Möglichkeit, Südtirol international bekannt zu machen – ein Heimspiel für Südtirol gewissermaßen”, so der Landeshauptmann.

Für große Aufmerksamkeit sorgt indes der Auftritt von zwei aus der DFB-Elf mit dem umstrittenen türkischen Staatspräsidenten. Am gestrigen Montag ließen sich Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit Recep Tayyip Erdogan in London ablichten – und überreichten ihm signierte Vereinstrikots. Ein Aufschrei der Empörung geht seither durch ganz Deutschland: In den Medien, in den Sozialen Netzwerken und von Politikern werden die beiden Nationalspieler heftig kritisiert. Auch weil Gündogan, der wie Özil türkische Wurzeln hat und in Deutschland geboren ist, Erdogan “mein Präsident” nannte. “Der Bundespräsident eines deutschen Fußball-Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier”, meint der Grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir.

“Özil und Gündogan weg”, “Ohne Türken zur WM” sind nur zwei der harmloseren Reaktionen auf den Auftritt mit dem türkischen Staatschef im Netz. Viele Fans sind enttäuscht. “Es ist eine Schande. Die WM ist für sehr viele gelaufen. Hoffe das es sich rächen wird. Der DFB billigt Spieler die einem Diktator die Treue schwören”, schreibt ein Fan auf Facebook. Viele fordern Konsequenzen, den Rücktritt der beiden Nationalspieler.
“Die Werbung für Erdogan und die Brüskierung des DFB auf höchster diplomatischer Stufe müssen Folgen haben”, schreibt auch die FAZ.

In einer Stellungnahme reagierte am Dienstag Vormittag zunächst der DFB-Präsident Reinhard Grindel: “Der DFB respektiert und achtet selbstverständlich die besondere Situation unserer Spieler mit Migrationshintergrund. Aber der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden. Deshalb ist es nicht gut, dass sich unsere Nationalspieler für seine Wahlkampfmanöver missbrauchen lassen (in der Türkei finden am 24. Juni vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt, Anm.d.Red.). Der Integrationsarbeit des DFB haben unsere beiden Spieler mit dieser Aktion sicher nicht geholfen.”

Mit Spannung wurde am Dienstag Mittag die Nominierung des vorläufigen WM-Kaders erwartet. Trainer Joachim Löw gab die Namen jener Spieler bekannt, die mit ins Trainingslager nach Südtirol fahren werden. Darunter auch Mesut Özil und Ilkay Gündogan. Wie zu erwarten war, wurde der Vorfall in London von den Journalisten angesprochen. Es sei “keine glückliche Aktion” gewesen, meinte Löw, denn wenn jemand für Deutschland spiele, vertrete er auch “das Land und seine Werte”. Auf der anderen Seite zeigte Löw auch Verständnis: Es sei manchmal nicht einfach, “zwei Herzen, die in einer Brust schlagen unter einen Hut zu bringen”. Er habe mit Özil und Gündogan gesprochen – die beiden hätten versichert, mit ihrem Auftritt “keine politische Botschaft” senden zu wollen und bedauerten die “Irritationen”, die sie hervorgerufen haben. Abgesehen davon hätten beide “für die Integration in Deutschland viel geleistet”, betonte Löw, der aber auch im Trainingslager in Eppan erneut über das Geschehene sprechen will.
Geht es nach der Süd-Tiroler Freiheit (STF), sollen Özil und Gündogan dort erst gar nicht ankommen: “Distanziert euch vom türkischen Diktator oder bleibt zuhause!”, raten der Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer und Tobias Innerhofer von der Jungen STF.